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Wirtschaftsumfeld | Italien | Öffentliche Verwaltung und Regierung

Meloni besetzt wirtschaftsnahe Ressorts mit moderaten Kandidaten

Die Ministerriege der neuen italienischen Regierung verspricht eine eher pragmatische Linie. Der digitale und grüne Wandel scheint dabei aber etwas in den Hintergrund zu geraten.

Von Oliver Döhne | Mailand

Die zwei wirtschaftlich wichtigsten Ressorts, das Finanzministerium und das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung (Letzteres mit neuem Namen), werden im neuen Kabinett von regierungserfahrenen und fachkundigen Politikern geleitet, die dem jeweils gemäßigten Flügel ihrer Parteien zuzurechnen sind. Fragezeichen werfen hingegen die Auflösung des Innovationsministeriums und ein veränderter Schwerpunkt im Umweltministerium auf. 

Wirtschaftsressorts unternehmensnah besetzt

Für das Finanzministerium konnte die neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zwar nicht Fabio Panetta, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, für sich gewinnen. Mit der Ernennung von Giancarlo Giorgetti von der Lega betont sie aber dennoch die grundsätzliche Kontinuität der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung von Mario Draghi, der Giorgetti als Minister für wirtschaftliche Entwicklung angehörte. Dort war er insbesondere dafür zuständig, die Unternehmen im digitalen Wandel zu unterstützen. Beobachter gehen davon aus, dass die entsprechenden Fördermaßnahmen, von der auch deutsche Lieferanten profitieren, unter seiner Aufsicht als Finanzminister weiter laufen dürften.  

Sein Nachfolger im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, das künftig Ministerium für Unternehmen und Made in Italy heißt, wird der Fratelli d'Italia-Politiker Adolfo Urso. Urso kennt das Ressort noch aus seiner Zeit als dortiger Vizeminister unter Premierminister Silvio Berlusconi, er war zudem auch als Berater für italienische Firmen im Ausland tätig. Hier bleibt abzuwarten, wie die Regierung den Schwerpunkt Made in Italy genau ausgestaltet. Landeskenner erwarten hier eher eine stärkere Unterstützung italienischer Unternehmen im Ausland als eine Bevorzugung einheimischer Unternehmen in Italien, die in den meisten Fällen auch nicht mit europäischen Regeln vereinbar wäre.   

Von der deutschen Wirtschaft mit Geschäftsbeziehungen nach Italien werden diese eher unternehmensnahen Besetzungen eher positiv aufgenommen. Jörg Buck, Geschäftsführer der Deutsch-Italienischen Handelskammer, sieht die beiden Minister in entscheidender Verantwortung, in dieser historischen Phase der großen offenen Fragen die richtigen Entscheidungen zu treffen, um Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit Italiens im europäischen Kontext zu sichern. "In diesem Szenario werden die Beziehungen zu Deutschland ein fundamentales Instrument sein, um das gesamte Potenzial der italienischen Industrie auszuschöpfen", so Buck. "Es wird von strategischer Bedeutung sein, in Europa stärker auf eine gemeinsame Industriepolitik zu pochen." 

Energiesicherheit anstatt digitaler und grüner Transition

Für Umwelt, Energie und grünen Wandel wird der Forza Italia-Politiker Gilberto Pichetto Fratin zuständig sein, der in der Regierung Draghi als Vizeminister im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung gearbeitet hat. Auf einen veränderten Fokus des Ressorts deutet bereits die neue Bezeichnung hin: Ministerium für Umwelt und Energiesicherheit anstatt wie bisher Ministerium für die ökologische Transition.

In der Energiepolitik will die Regierung Meloni zwar die erneuerbaren Energien ausbauen, ansonsten aber möglichst pragmatisch bleiben. So tauchte im Wahlprogramm auch die Atomkraft wieder auf, die in Italien infolge eines Volksentscheids zurzeit nicht genutzt werden darf. Fratin sprach sich in der Vergangenheit für die Atomkraft und gegen die Plastiksteuer sowie gegen das Ende von Verbrennermotoren aus. 

Interessant wird im Kontext der Atomenergie auch die 2023 anstehende Neubesetzung des Vorstands des staatlich gelenkten Stromkonzerns Enel, dessen Chief Executive Officer Francesco Starace ein Gegner der Atomenergie ist. Um für eine sinnvolle Fortsetzung begonnener Projekte und Kontinuität der Linie der Regierung Draghi zu sorgen, soll der Amtsvorgänger Roberto Cingolani dem neuen Minister als Berater zur Seite stehen. 

Nach dem Ausscheiden des Wortes "Transition" aus dem Namen des Umweltministeriums ist ein weiteres Ressort der Regierung Draghi mit "Transition" in der Bezeichnung ganz aus dem Kabinett verschwunden: Das Ministerium für technologische Innovation und digitale Transition, in dem der ehemalige Vodafone-Topmanager Vittorio Colao den Breitbandausbau und die Digitalisierung des Landes vorantrieb, gibt es in der Regierung Meloni nicht mehr. 

Mehr Schutz für italienische Lebensmittel

Agrikultur und Lebensmittelunabhängigkeit werden die offiziellen Aufgabengebiete von Melonis Schwager Francesco Lollobrigida als Landwirtschaftsminister sein. Insbesondere soll er international stärker für die Qualitäts- und Ursprungsgarantien der italienischen Lebensmittel eintreten. Italienische Hersteller leiden auf Exportmärkten unter der Konkurrenz von Italian Sounding-Fakeprodukten und solchen mit geringer Ursprungs- und Inhaltstransparenz.

Außenminister wird der Berlusconi-Vertraute und ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani. Gemeinsam mit Lega-Chef Matteo Salvini wird Tajani auch Vize-Premierminister. Salvini wird zudem Infrastrukturminister. Dass er nicht, wie gewünscht, erneut Innenminister wird, ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Giorgia Meloni einen demonstrativ moderateren Kurs bei der Ressortzuteilung fährt; in diesem Zusammenhang, um polemische und europäisch nicht abgesprochene Alleingänge Salvinis gegen die illegale Immigration, wie in der Vergangenheit, zu vermeiden. 

Für Europäische Angelegenheiten, Kohäsion und den europäischen Wiederaufbaufonds wird der langjährige Europaabgeordnete Raffaele Fitto von den Fratelli d'Italia zuständig sein, der ebenfalls als gemäßigt und europafreundlich gilt. 

Auch der neue Gesundheitsminister, der renommierte Mediziner und Universitätsrektor Orazio Schillaci, steht eher für eine besonnene Linie als für die Befriedigung von Interessengruppen, die vehement ein Ende jeglicher Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 fordern. 

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