Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Japan | Software

Blockchain gewinnt Anwender

Über Japan schwappt eine Digitalisierungswelle. Diese rückt die Blockchaintechnologie als dezentrale Anwendung auch für die industrielle Nutzung in den Fokus.

Von Jürgen Maurer | Tokyo

Japans Firmen setzen im Zuge ihrer digitalen Transformation immer häufiger auf Blockchaintechnologien. Die Vernetzung unterschiedlichster Akteure erzeugt eine Flut von Daten. Je größer dieser Trend, desto stärker wird die dezentrale und abgesicherte Protokolltechnologie gefragt werden. Sie soll praktikable und effiziente Lösungen bieten, mit denen sich unter anderem Materialien und Erzeugnisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette identifizieren und nachverfolgen lassen. In diesem noch jungen Feld sind innovative Ansätze gefragt.

Blockchainlösungen sollen Japans Firmen auch dabei helfen, nachhaltiges Wirtschaften abbilden zu können. Im Fokus stehen hierbei ESG (Environmental, Social and Governance)-Kriterien und die SDG (Sustainable Development Goals)-Nachhaltigkeitsziele. Nicht zuletzt verfolgen die Unternehmen mit unterschiedlichen Zeithorizonten das Ziel der Dekarbonisierung.

Potenzial bei Lieferkettenmanagement

Bislang werden Blockchaintechnologien hauptsächlich für Finanztransaktionen eingesetzt. Japans Industriebranchen loten nun die Vorteile auch für andere Anwendungen aus. So gehören die Energie- und Chemieindustrie wie auch die Logistik beziehungsweise das Lieferkettenmanagement zu den Bereichen, in denen dezentral hohe Datenmengen anfallen. Diese Daten sollen sicher und transparent von vielen Akteuren genutzt werden.

So sind Energieversorger daran interessiert, die Distribution und den Verbrauch von Strom zu optimieren. Der Einsatz der Blockchaintechnologie soll vor allem die dezentral produzierten erneuerbaren Energien und deren Vermarktung einfacher machen. Dazu arbeitet Mitsubishi Electric seit Anfang 2021 mit dem Tokyo Institute of Technology an einer Energietausch-Plattform auf Peer-to-Peer-Basis, also einer direkten Kommunikation von Rechner zu Rechner.

Nachverfolgbarkeit steht im Fokus

In der Chemieindustrie hat Mitsui Chemicals mit IBM Japan im Frühjahr 2021 eine Kooperation vereinbart. Ziel ist es, Kunststoffe vom Rohstoff bis zum fertigen Erzeugnis und Endkunden nachverfolgen zu können. Der Wettbewerber Asahi Kasei will mit IBM Japan mittels Blockchaintechnologie den Recyclingkreislauf transparenter machen.

Auf Recycling zielt auch die Initiative des Handelshauses Marubeni ab, das für Solarzellen die Rückverfolgbarkeit durch Blockchaintechnologie einführen will. Lückenlose und nicht veränderbare Informationen für jede Solarzelle sollen es erleichtern, ausgemusterte Fotovoltaikmodule wiederzuverwenden oder sie anderweitig zu verwerten. Dabei arbeitet Marubeni mit der Energiefirma Next Energy und dem Umweltministerium zusammen.

Eine andere Anwendung auf Basis der IBM Blockchainplattform will Mitsubishi Heavy Industries (MHI) umsetzen. Um CO₂-Emissionen zu verringern, setzt MHI auf eine Carbon-Capture-Technologie, also die Speicherung von CO₂. MHI will hierbei die Prozesskette transparent machen und den Handel von Zertifikaten ermöglichen. Tests begannen 2021. Bis 2025 soll ein marktreifes System stehen, die sogenannte CO2NNEX Digital Platform for Visualization of the CCUS Value Chain.

Blockchains sollen Vertrauen schaffen

Das Handelshaus Itochu kündigte Ende 2021 an, beim Handel und bei der Verarbeitung von Naturkautschuk eine Rückverfolgbarkeit einzuführen. Die dafür eingesetzte Blockchainlösung basiert auf einem unternehmensintern entwickelten System. Itochu ist auch in der Mobility Open Blockchain Initiative (MOBI) aktiv. Darin haben sich internationale Unternehmen aus dem Mobilitätsbereich zusammengetan, um mittels standardisierter Blockchains komplexe Lieferketten zu managen.

Dies soll den involvierten Firmen im Automobilbereich helfen, auf dezentral gelagerte Daten sicher zuzugreifen. Insgesamt wird dadurch die Wertschöpfungskette von Materiallieferung bis zum Endkunden transparenter: Kopierte Teile sind leichter zu erkennen, der Produktursprung lässt sich nachverfolgen und der Karbon-Footprint feststellen.

Vorteil durch vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Solche Blockchainplattformen sind auch für andere Branchen hilfreich, um Lieferketten zu verbessern und Lagerbestände zu optimieren. In der Lebensmittelindustrie hat Industry One, ein Joint Venture des japanischen Handelshauses Mitsubishi und des Kommunikationskonzerns NTT, ein Projekt umgesetzt. Dabei geht es um die Distribution und Vermarktung verarbeiteter Lebensmittel in der Convenience-Kette Lawson.

Abgesehen von den großen Technologieanbietern, wie IBM oder HPE, befassen sich auch japanische Firmen mit dem Thema Blockchain. So hat der IT-Dienstleister NTT Data mit der Plattform TradeWaltz eine branchenübergreifende Lösung für den Austausch von Informationen auf Blockchainbasis entwickelt. Ein ähnliches Projekt betreibt auch der Tech-Konzern Fujitsu.

Aus Deutschland bieten beispielsweise IT-Dienstleister wie Utimaco und Wibu-Systems in Japan Lösungen für Blockchainanwendungen an. Nicht zuletzt stellen Start-ups ihre Entwicklungen unter Beweis. Beispielsweise hat das niederländische Start-up Circularise mit den Unternehmen Marubeni, Mitsubishi Chemicals und Dainippon Printing große japanische Partner gefunden. Sie greifen auf die digitale Nachverfolgungslösung des Start-ups für recycelbare Kunststoffe zurück.

Regelrahmen noch nicht fixiert

Bislang hat Japan keine nationale Blockchainstrategie formuliert. Daher hat die Japan Association of New Economy (JANE) im Oktober 2021 hierzu Vorschläge vorgelegt. Ziel soll sein, die Rahmenbedingungen für dezentrale Technologien zu stärken. Sie sollen finanzielle und industrielle Transaktionen der angestrebten, umfassend digitalisierten  Society 5.0 ermöglichen.

Dennoch: Das Thema Blockchain ist für Japan kein Neuland. Bereits 2016 hat das Wirtschaftsministerium die Vor- und Nachteile der Technologie und deren Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung untersuchen lassen. Mittlerweile sind viele Testprojekte durchgeführt worden. Der Digitalisierungstrend wird dafür sorgen, dass Blockchainlösungen künftig schneller umgesetzt werden.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.