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Japans Branchenunternehmen halten sich 2020 mit Vorhersagen über Umsatz und Investitionen zurück. Die Herausforderungen bleiben auch längerfristig hoch.
07.09.2020
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japans Chemieindustrie sollte durch die Covid-19-Krise im Jahr 2020 insgesamt relativ unbeschadet durchkommen. Denn die inländischen Industrieaktivitäten haben im Juni und Juli zugelegt und auch die ausländische Nachfrage aus wichtigen Absatzmärkten wie China hat zugenommen. Die Entwicklung in den Einzelbereichen weist jedoch hohe Unterschiede auf.
Der Ausbruch von Covid-19 hat die Nachfrage nach Chemikalien zum Teil deutlich erhöht, da für die Produktion von Atemschutzmasken, Gesichtsschutz, medizinischen Verbrauchsmaterialien, durchsichtigen Schutzwänden gegen Aerosole oder Desinfektionsmitteln diverse chemische Grundstoffe benötigt werden. Da mehr auf Hygiene geachtet wird, sind Putz- und Reinigungsmittel insgesamt mehr gefragt.
Zudem sorgen Hygienegesichtspunkte, weniger Auswärtsessen und mehr Telearbeit für einen höheren Absatz von abgepackten Nahrungsmittelerzeugnissen. Als ein anderes Wachstumssegment hat die Erzeugung von Halbleitern und anderen elektronischen Bauteilen zugelegt, denn mit der Coronapandemie ist die Nachfrage nach Informations- und Kommunikationsgeräten stark gestiegen. Deren Erzeugung basiert umfangreich auf chemischen Stoffen.
Jedoch hat die Nachfrage aus anderen Bereichen, wie dem Automobilsektor, dem Maschinenbau oder auch der Kosmetikbranche, lokal und international nachgelassen. Zum Teil haben Japans Chemieunternehmen dies bereits 2019 zu spüren bekommen, da durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China die Nachfrage zurückging und die internationale Konjunktur an Dynamik verlor. Die Covid-19-Entwicklung hat diese Tendenz verstärkt.
Die Unternehmen erwarten daher 2020 ein weiteres negatives Umsatzjahr. Bereits im Fiskaljahr 2019 (1. April bis 31. März) verzeichneten die wichtigsten Chemieunternehmen des Landes sinkende Verkäufe und überwiegend schrumpfende Profite. Aufgrund der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Coronapandemie halten sie sich daher vorläufig mit Investitionen zurück.
Gegenwärtig geht es eher darum, die Unternehmensstrukturen und Lieferketten zu überprüfen und anzupassen sowie Wachstumsfelder zu identifizieren. Beispielsweise hat Mitsubishi Chemical im Juni 2020 mit Ube Industries vereinbart, die gemeinsame Produktion und Entwicklung von Elektrolyten für Lithium-Ionen-Batterien zu intensivieren, da die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zunehmen wird. Dabei geht es insbesondere um die Erzeugung in China als dem größten Absatzmarkt.
Insgesamt gehen Japans Chemieunternehmen jedoch davon aus, dass die Nachfrage aus dem Automobilbereich 2020 stark einbricht und sich nur langsam erholen wird. Laut der Japan Chemical Daily erwartet die Chemiebranche, dass die globale Kfz-Produktion 2020 um mehr als 20 Prozent schrumpft. Dies wirkt sich auf Japans Produktion als Lieferant von Kunststoffen, Schmiermitteln und anderen chemischen Materialien aus.
Davon betroffen ist auch der petrochemische Bereich. Aufgrund der geringeren Nachfrage nach Downstream-Erzeugnissen haben die Erzeuger von Ethylen, Propylen und anderen petrochemischen Vorprodukten ihre Herstellung zurückgefahren. Sie vermeldeten für März 2020 laut Wirtschaftsministerium eine Kapazitätsauslastung von unter 90 Prozent, was den geringsten Wert seit mehr als sechs Jahren bedeutete.
Bis Mai 2020 war der Absatzindex laut Japan Chemical Industry Association für die neun wichtigsten Segmente, die insgesamt 33 Produktkategorien umfassen, gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Am stärksten ging der Index im Mai 2019 mit 15,9 Prozentpunkten zurück, wobei der Einbruch vor allem bei synthetischen Fasern und synthetischem Gummi am stärksten ausgeprägt war.
Zum Teil hat dies starke indirekte Auswirkungen, schreibt die Japan Chemical Daily. Denn beispielsweise fällt die Produktion von Acrylnitril, einem von der Kfz-Industrie nachgefragten Erzeugnis, geringer aus. Dadurch ist weniger Acetonitril als einem Nebenprodukt hergestellt worden. Dieses erfährt jedoch 2020 eine Nachfrageexplosion, da es als Lösungsmittel für medizinische Anwendungen eingesetzt wird.
Ungeachtet der Coronakrise wird der inländische Absatzmarkt für chemische Erzeugnisse schrumpfen, da sich kaum neue, produzierende und chemische Erzeugnisse nachfragende Industrien in Japan ansiedeln. Somit ist der Branchenfokus auf das Ausland gerichtet, um neue Wachstumsdynamik zu schaffen. Nach Abflauen der Coronapandemie dürften sich die Chemieunternehmen intensiver mit Investitionen im Ausland sowie mit Aufkäufen und Fusionen beschäftigen.
Zudem werden sie ihre Exportaktivitäten wieder auszuweiten versuchen. Japans Ex- und Importe von chemischen Erzeugnissen gingen im Zeitraum Januar bis Juni 2020 insgesamt zurück, jedoch gab es dabei große Unterschiede. Beispielsweise sanken Japans Gesamtimporte von anorganischen chemischen Erzeugnissen im 1. Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahreshalbjahr mengenmäßig um 17,3 Prozent. Jedoch stiegen deren Exporte um 3,1 Prozent.
Bei organischen chemischen Erzeugnissen verhielt es sich umgekehrt. Die mengenmäßigen Gesamtexporte von solchen Produkten gingen in den ersten sechs Monaten 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 18,6 Prozent zurück. Einfuhrseitig stiegen sie jedoch um 1,5 Prozent. Dabei ist die Entwicklung sehr unterschiedlich. So hat zum Beispiel die Ausfuhr des organischen Chemieerzeugnisses Styrol mengenmäßig um 12,7 Prozent zugelegt, darunter nach China sogar um 40,9 Prozent.
HS-ZTPos. | Produktgruppe | 2018 | 2019 | aus Deutschland 2019 |
---|---|---|---|---|
28 | Anorganische chemische Erzeugnisse etc. | 8.528 | 7.083 | 274 |
29 | Organische chemische Erzeugnisse | 18.206 | 16.106 | 1.229 |
31 | Düngemittel | 786 | 771 | 24 |
32 | Gerbstoffauszüge; Farbstoffe, Pigmente, Farben und Lacke etc. | 1.535 | 1.496 | 188 |
33 | Ätherische Öle, Körperpflege- oder Schönheitsmittel etc. | 3.434 | 3.637 | 72 |
34 | Seifen; Waschmittel, Schmiermittel, Wachse etc. | 1.146 | 1.138 | 100 |
35 | Eiweißstoffe; Klebstoffe etc. | 1.261 | 1.279 | 105 |
38 | Verschiedene Erzeugnisse der Chemischen Industrie | 5.987 | 5.905 | 347 |
39 | Kunststoffe und Waren daraus | 16.902 | 16.173 | 487 |