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In Japan gewinnen Computerspiele zur Unterhaltung wie auch zu Spezialzwecken an Bedeutung, auch über die Coronakrise hinaus.
18.09.2020
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japan ist ein Pionier elektronischer Spiele und bietet einen der größten Märkte weltweit. Weltweit hat die Coronapandemie der Gaming-Branche einen zusätzliche Schub versetzt: Die Verkäufe von Hard- und Software für Computerspiele - ohne Online-Plattformen - legten im 1. Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp 25 Prozent zu, so die Schätzung des japanischen Print- und Online-Unternehmens Kadokawa Game Linkage. Dabei ist das Wachstum sowohl bei Hard- und Software deutlich gestiegen,
In Japan war das Hardware-Segment im Jahr 2019 dagegen geschrumpft. Der Computer-Spielemarkt insgesamt stieg gemäß Kadokawa Game Linkage um 3,8 Prozent auf 15,9 Milliarden US-Dollar (US$). Der Brancheninformationsdienst Newzoo Platform ging von einem Umsatz in der Größenordnung von 17,9 Milliarden US$ aus. Jedenfalls bleibt Japan der drittgrößte Gaming-Markt nach den USA und China.
Die Zahl der Spieler in Japan schätzte Kadokawa im Jahr 2019 auf 47,9 Millionen Nutzer im Alter zwischen 5 und 59 Jahren. Bei einer Bevölkerungszahl von 77,8 Millionen Menschen in diesem Altersspektrum spielen also mehr als 60 Prozent der Japaner in irgendeiner Art (Smartphone-Applikationen, Spielekonsolen, PC oder von allem etwas).
Die Spielergemeinde hat 2020 definitiv zugelegt, was sowohl für die Software-Entwickler und -Anbieter wie auch die Hardware-Hersteller neue Geschäfte bringt. Gemäß einer Befragung von Newzoo gingen ungefähr 75 Prozent der Spieler in Japan seit März 2020 mehr Gaming-Aktivitäten nach, weil sie durch die Covid-19-Entwicklung deutlich mehr Zeit zu Hause verbracht haben.
Neben den Newcomern und Gelegenheitsnutzern während der Coronazeit sind die meisten Gamer jedoch langfristig aktiv. Im November 2019 bekam eine 89-Jährige Japanerin - Spielername „Gamer Grandma“ - eine Eintragung ins Guiness Book of World Records als älteste Videospielerin. Sie ist bleibt weiter eine aktive Spielerin - angefangen hat sie bereits 1981, als Nintendo mit Klassikern wie Super Mario und dem Gameboy große Erfolge erzielte.
Im Jahr 2020 kann Nintendo der Nachfrage in Japan wieder kaum nachkommen. Daher will das Unternehmen für seine Spielekonsole „Switch“ im laufenden Fiskaljahr 2020 (1. April bis 31. März) die Produktion gegenüber dem ursprünglichen Plan um 20 Prozent erhöhen. Nintendo konnte 2019 etwa 21 Millionen Spielkonsolen verkaufen und rechnet für 2020 mit 25 Millionen Einheiten.
Dabei ist in Japan eine Besonderheit, dass der Anteil von Nutzern von Spielkonsolen und PCs weit höher liegt als in anderen Ländern. In diesem Segment ist Nintendo eindeutig der Spitzenreiter vor Sony und Microsoft. Die beiden Letzteren wollen noch 2020 ihre Spielkonsolen der nächsten Generation auf den Markt bringen und das mit deutlich höherer Leistungsfähigkeit, um 3D und Virtual Reality-Anwendungen zu unterstützen.
Während in Japan viele Verbraucher ihre Videospiele immer noch als verpackte, physische Produkte kaufen, liegt das größte Wachstumssegment zukünftig jedoch in cloudbasierten Spielen. Diese erlauben eine weltweite Verbreitung und lassen die Investitionen für die Spielentwicklung erheblich schneller wieder einspielen als für Spiele im Einzelhandel, so das Nomura Research Center.
Durch die beginnende Verbreitung der 5G-Mobilkommunikation in Japan, die Daten sehr viel schneller überträgt, wird Japans Markt für die internationale Konkurrenz leichter zu durchdringen sein. Die hochauflösenden Games, für die leistungsfähige Spielekonsolen und Computer lange Zeit die einzigen Alternativen waren, können zukünftig über Cloud-Dienste auf mobilen und anderen Geräten genutzt werden.
Um sich gegen die internationalen Online-Plattformen zu behaupten, setzt Sony auf eine Mehrkanal-Strategie, wobei der Verkauf monatlicher Abonnements für Online-Multiplayer-Games auf Spielkonsolen der Fokus bleibt. Das Unternehmen nutzt seine Vielzahl eigener Anime-Produktionen, die als Spiele umgesetzt werden und hat sich unter anderem beim US-amerikanischen Entwickler Epic Games eingekauft, der mit „Fortnite“ eines der erfolgreichsten Online-Multiplayer-Games besitzt.
Nicht nur die Nutzung von Spielen zur Unterhaltung und Zeitvertreib haben zugelegt. In Japan kommen auch viele Spiele zu Erziehungs- und Lernzwecken auf den Markt. Solche sogenannten „Serious Games“ spielen in allen Altersgruppen eine zunehmende Rolle. Für Vorschul- und Schulkinder sind Lernspiele ein Segment, für das die Eltern mehr Geld ausgeben.
Im Gesundheitsbereich können Videospiele zum Beispiel medizinisches Fachpersonal oder Studierende unterstützen, klinische Fähigkeiten spielerisch zu testen. Zu Therapiezwecken lassen sich auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Spiele vor Ort oder auch remote einsetzen, um Patienten zu motivieren.
Aufgrund der demografischen Entwicklung werden auch mehr Spiele für die ältere Bevölkerung benötigt, wie Denk-, Geschicklichkeits- und Bewegungsspiele, um dem Alterungsprozess oder der Vereinsamung zu begegnen. Japan als das Land mit der weltweit ältesten Bevölkerung - eine von vier Personen zählt mittlerweile mehr als 65 Jahre - bietet in dieser Hinsicht einen wachsenden Markt.
Mit der Zielgruppe Senioren und eigener Erfahrung vor Augen hat 2017 eine damals 81-jährige Japanerin ihr erstes, selbstprogrammiertes Spiel für Mobiltelefone veröffentlicht. Das Programmieren hat sie sich selbst beigebracht. Ob sie die älteste Programmiererin ist, verzeichnet noch kein Guinessbuch-Eintrag. Jedoch zeigt es das Engagement und das Potenzial, das in der Gaming-Branche besteht.
Laut Kadokawa Game Linkage stieg der globale Umsatz mit Computer-Spielen im Jahr 2019 um 19,1 Prozent auf knapp 144 Milliarden US$. Durch die Covid-19-Entwicklung, die ganze Bevölkerungen ans Haus gebunden hat, dürfte der Markt 2020 wieder zweistellig zulegen. Dabei macht Japan keine Ausnahme.