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In Japan wie auch anderswo sind Chips für die Kfz-Fertigung heiß begehrt. Trotz eigener Kapazitäten können Japans Hersteller die aktuelle Chipnachfrage kurzfristig nicht bedienen.
01.02.2021
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japans Kfz-Hersteller haben gegenwärtig ein doppeltes Problem. Zum einen hat die Covid-19-Pandemie die Automobilbranche 2020 kräftig durcheinandergewirbelt, indem sie die Lieferketten für Kfz-Teile beeinträchtigte und die Endkundennachfrage drückte. 2021 kommt zum anderen das Problem fehlender Halbleitererzeugnisse hinzu. Dies bedroht die schnelle Erholung der Kfz-Produktion. Zugleich sind die weltweiten Automobilverkäufe stärker angezogen als erwartet.
Dennoch hat Toyota als der weltweit größte Kfz-Hersteller am 26. Januar 2021 verkündet, sein Produktionsziel von insgesamt 8,25 Millionen Fahrzeugen im Fiskaljahr 2020 (1. April bis 31. März) erreichen zu können. Davon sollen 2,95 Millionen Einheiten in Japan gefertigt werden. Wie Toyota meldet, ist der Chip-Bedarf durch die Lagerhaltung in Japan bis Ende des 1. Quartals 2021 gedeckt. Ab April ist die Lage dann ungewiss.
So gut wie alle japanischen Automobilkonzerne haben Anfang 2021 ihre Produktion für bestimmte Modelle sowohl in Japan als auch an ausländischen Werken vorläufig heruntergefahren. Es mangelt an elektronischen Bauteilen wie Oszillatoren, Mikrocontroller und Powerchips. Diese Lieferproblematik bei Halbleitern für die Automobilindustrie wird sich kurzfristig nicht lösen lassen.
Laut Toshiba ist die Nachfrage nach Powerchips für die Kfz-Industrie bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 angezogen. Der größte konzerneigene Produktionsstandort Kawa Toshiba Electronics in der Präfektur Ishikawa ist seit Oktober 2020 voll ausgelastet. Eine Kapazitätserweiterung ist nur begrenzt möglich, da die Beschaffung von Ausrüstung wie auch von Werkstoffen und Zwischenerzeugnissen für die Herstellung eine Vorlaufzeit von zum Teil mehreren Monaten erfordert.
In der Kfz-Branche in Japan kommt erschwerend hinzu, dass ein Produktionswerk des wichtigsten Lieferanten von Oszillator-Schaltungen, der Asahi Kasei Microdevices, im Herbst 2020 durch ein Feuer zerstört wurde. Renesas Electronics, Japans größter Hersteller von Kfz-Chips, hat zwar als Ersatz Kapazitäten in einem seiner nicht ausgelasteten Werke in der Präfektur Ibaraki der Firma Asahi Kasei Microdevices zur Verfügung gestellt. Aber dies löst gegenwärtig nur einen Teil des Problems.
Auch wenn die japanischen Chip-Produzenten ihr Angebot kurzfristig erhöhen wollten, wäre dies nicht ohne weiteres möglich, da sie nur teilweise selbst erzeugen und einen Teil von Auftragsfirmen (Foundries) herstellen lassen. Allerdings sind die weltweit verfügbaren Halbleiterwerke für Auftragsfertigung, insbesondere von TSMC und UMC in Taiwan, durch die hohe Nachfrage nach einer Vielzahl von Chips verschiedener Anwendungsbereiche bereits voll ausgelastet.
Auch Renesas Electronics lässt dort einen Teil seiner Kfz-Chips produzieren. Dies umfasst vor allem komplexere Halbleitererzeugnisse, für die Renesas keine Ausrüstung in Japan vorhält. Auf Basis seiner gegenwärtig vorhandenen Kapazität für 12-Zoll-Wafer will Renesas Electronics seine eigene aktivierbare Produktion im Naka-Werk in der Präfektur Ibaraki kurzfristig hochfahren, meldet Nikkei Asia am 29. Februar 2021.
Was den Automobilherstellern gegenwärtig Kopfschmerzen bereitet, ist für die Produzenten von Kfz-Halbleitern ein willkommener Impuls. Der Wettbewerb um ausreichende Chip-Lieferungen führt dazu, dass die Chip-Hersteller und -Anbieter von Kfz-Mikroelektronik ihre Preise erhöhen können. Angesichts des sonst schwachen Margengeschäfts bringt dies Kapital für neue Investitionen.
Auf längere Sicht sehen die japanischen Branchenanbieter ihre Geschäftsaussichten positiv. Mit der Erzeugung von Elektrofahrzeugen und dem Schwenk zu autonomer Mobilität - beides Trends, die in allen Absatzmärkten weltweit zu beobachten sind - steigt der Bedarf an Halbleitern entsprechen stark. Laut KPMG Japan werden in einem Elektrofahrzeug doppelt so viele Chips benötigt, wie in einem herkömmlichen Fahrzeug.
So haben Fuji Electric und Toshiba bereits Ende 2020 verlautbaren lassen, ihre Produktion von hierfür erforderlichen Erzeugnissen auszubauen, wie Nikkei Asia berichtete. Demnach will Fuji Electric die Herstellungskapazität von Power-Chips in der Präfektur Yamanashi bis zum Frühjahr 2023 um circa 30 Prozent gegenüber 2019 ausweiten.
Zudem sollen auch die Kapazitäten in Übersee-Werken, wie in Malaysia, erhöht werden. Weltweit will das Unternehmen über 1,1 Milliarden US-Dollar (US$) investieren. Eine Investition in Höhe von circa 765 Millionen US$ soll in die Produktionsausweitung bei Toshiba fließen. Vorgesehen ist, die Kapazität für Wafer für die Halbleitererzeugung in der Präfektur Ishikawa bis Frühjahr 2024 von gegenwärtig 150.000 Wafern pro Monat auf 200.000 Wafer pro Monat schrittweise auszuweiten.
Auch Rohm will seine Produktionskapazitäten für Powerchips, die bei Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommen sollen, in den nächsten fünf Jahren stark ausweiten. Investitionen von rund 565 Millionen US$ sind vorgesehen, wie Rohm-Präsident Matsumoto in einem Nikkei-Interview im Januar 2021 offenlegte. Die Massenerzeugung soll 2023 starten.
Investitionsvorhaben hat Renesas Electronics noch nicht verlauten lassen. Das Unternehmen agiert eher vorsichtig, da es wegen schwieriger Geschäfte 2013 kurz vor einer Pleite stand und damals von einer staatlichen japanischen Beteiligungsgesellschaft gerettet wurde. Als ein wichtiger Investor hält auch der größte japanische Teilelieferant Denso Anteile an Renesas Electronics.
Aktuell liegt Renesas Electronics weltweit hinter NXP Semiconductor und Infineon auf Rang 3 der führenden Produzenten von Kfz-Chips. Laut dem britischen Marktforscher Informa kam Renesas im Jahr 2019 global auf einen Marktanteil von 8,2 Prozent. Die beiden anderen Branchenführer hielten jeweils etwa 10 Prozent.
Die Produktion von Kfz-Chips dürfte in Japan zukünftig weiter auf das Interesse von Investoren treffen. Der Trend zu vernetzten und autonomen Automobilen verleiht der Branche eine neue Dynamik. Das Marktforschungsunternehmen IHS Markit prognostiziert, dass der weltweite Absatz für automobile Halbleiter zwischen 2020 und 2026 von rund 38 Milliarden US$ auf circa 67,6 Milliarden US$ steigen wird.