Japanische Unternehmen bauen ihr ausländisches Projektgeschäft aus, um die heimische Marktschwäche zu kompensieren und sich gegen die ausländische Konkurrenz zu beweisen. (Stand: 03.03.2021)
Für eine Reihe japanischer Anlagenbauer und Bauunternehmen spielt das Auslandsgeschäft eine wachsende Rolle. Denn die Wachstumsaussichten in Japan sind nur noch moderat oder sie schrumpfen, wohingegen der Ausbau von Transport-, Energie- und Stadtinfrastruktur vor allem in Ländern Asiens, Afrikas und dem Nahen Osten an Geschwindigkeit gewinnt. Daher werden die japanischen Unternehmen ihre Projektakquise im Ausland zukünftig intensivieren.
Die Anlagenbauer und Bauunternehmen sind nicht nur auf Entwicklungs- und Schwellenländer konzentriert, sondern führen auch in anderen Teilen der Welt Aufträge aus. Dabei arbeiten sie mit privaten und öffentlichen Auftrag- und Geldgebern zusammen und kaufen Ausrüstung, Teile, Werkstoffe und Dienstleistungen aus unterschiedlichen Quellen zu.
Anlagenbau erhält viele Neuaufträge
Trotz der Corona-Pandemie ist das Auftragsvolumen japanischer Anlagenbauer in den ersten sechs Monaten des Fiskaljahres 2020 (1. April bis 30. September) nicht weit von dem im gesamten Fiskaljahr 2019 erreichten Volumen entfernt. Dies ergab eine Umfrage des JMCTI zu Auslandsaufträgen, die der Verband regelmäßig bei seinen gegenwärtig 240 Mitgliedsfirmen durchführt.
Laut der Umfrage “Successful Contracts of Overseas Plant Engineering Survey in the first half of 2020”, die am 25. Januar 2021 veröffentlicht wurde, lag das wertmäßige Volumen neuer Aufträge zwischen April und September 2020 bei 5,5 Milliarden US-Dollar (US$). Dahingegen konnten im Fiskaljahr 2019 insgesamt nur 6,6 Milliarden US$ verzeichnet werden; eines der schlechtesten Ergebnisse seit vielen Jahren.
Auftragsentwicklung bei Anlagenprojekten im Ausland
| 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
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Vertragsabschlüsse (Volumen in Mrd. US$) | 12,1 | 17,0 | 14,2 | 13,7 | 6,6 |
Ausfuhrvolumen (Mrd. US$) | 6,1 | 5,8 | 6,0 | 5,2 | 4,7 |
Auslandsbeschaffung (Mrd. US$) | 5,9 | 11,3 | 8,2 | 8,5 | 2,0 |
Anteil der Auslandsbeschaffung (Prozent) | 49,0 | 66,2 | 57,9 | 62,2 | 29,5 |
Jeweils Fiskaljahre (1. April bis 31. März); erfasst werden Verträge mit mindestens einer Million US$ AuftragsvolumenQuelle: Japan Machinery Center for Trade and Investment
Während im Fiskaljahr 2019 die Vertragsabschlüsse in Asien etwa zwei Drittel des japanischen Auftragsvolumens ausmachten, hatte der Anteil im Jahr zuvor nur rund 40 Prozent betragen. Nordamerika hatte im Fiskaljahr 2018 die Statistik des Vertragsvolumens mit einem Anteil von 45 Prozent angeführt, fiel 2019 hingegen bei neuen Abschlüssen im Anlagenbau deutlich zurück.
Vertragabschlüsse im Anlagenbau nach Regionen
| 2018 1) | 2019 1) | 1. Halbjahr 2020 2) |
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Asien | 5.450 | 4.480 | 1.340 |
Mittlerer Osten | 260 | 450 | 3.840 |
Afrika | 120 | 900 | 40 |
Mittel- und Südamerika | 40 | 50 | - |
Pazifik | 30 | 40 | 170 |
Nordamerika | 6.190 | 180 | 290 |
Europa | 420 | 380 | 130 |
Russland und andere | 1.180 | 130 | 30 |
Gesamt | 13.720 | 6.610 | 5.830 |
1) 01. April bis 31. März; 2) 1. April bis 30. SeptemberQuelle: Japan Machinery Center for Trade and Investment
Bei den Auslandsaufträgen der Anlagenbauer standen laut der verfügbaren Zahlen für 2020 als wichtigste Bereiche Energie und Telekommunikation oben auf der Liste. Trotz hoher jährlicher Schwankungsbreite bei der Anzahl der Vertragsabschlüsse und der aktivsten Branchen, spielen Energie, Stromerzeugung und Verkehr traditionell die größte Rolle, wenngleich die Bereiche Verkehr und Stromerzeugung 2020 zunächst zurückfielen. Dafür gewann die Telekommunikation an Gewicht.
Anzahl der Vertragsabschlüsse nach Anlagensegment
Segment | 20181 | 20191 | 1. Hj 20202 |
---|
Umwelt | 280 | 150 | 20 |
Telekommunikation | 460 | 120 | 1.010 |
Verkehr | 2.680 | 1.930 | 190 |
Energie | 6.280 | 280 | 3.760 |
Stromerzeugung | 1.610 | 3.230 | 300 |
Chemie | 1.890 | 330 | 450 |
Eisen und Stahl | 310 | 450 | 30 |
andere | 220 | 120 | 70 |
Gesamt | 13.720 | 6.610 | 5.830 |
1) 1. April bis 31. März; 2) 1. April bis 30. SeptemberQuelle: Japan Machinery Center for Trade and Investment
Nachfrage nach Bauleistungen sank 2020
Für die japanischen Baukonzerne fiel die Entwicklung des Auftragsvolumens im Fiskaljahr 2020 schlechter aus als im Vorjahr, wie die Zahlen für die ersten neun Monate (April bis Dezember) zeigen. Laut der Statistik der Overseas Construction Association of Japan (OCAJI) haben die Mitgliedsunternehmen in dem Zeitraum neue Aufträge im Wert von 8,3 Milliarden US$ unterzeichnet.
Damit blieben sie deutlich unter den 18,9 Milliarden US$ im Gesamtfiskaljahr 2019, das bei der Auslandsentwicklung für die Baukonzerne ein Rekordjahr war. Insgesamt spielt Asien sowohl bei der Zahl der Verträge als auch deren wertmäßigen Volumen für die Auftragsakquise der japanischen Bauunternehmen die weitaus größte Rolle. Es folgt Nordamerika.
Zu den größten Baukonzernen Japans gehören Obayashi und Kajima, die beide ein umfangreiches Auslandsgeschäft aufweisen. Laut Geschäftsberichten für das Fiskaljahr 2019 beliefen sich deren Auslandsumsätze jeweils auf mehr als 4,3 Milliarden US$. Mit geringerem ausländischem Geschäftsvolumen sind Goyo (auch: Penta Ocean) und Takenaka zu nennen, die auf einen Auslandsumsatz von jeweils etwa 1,4 Milliarden US$ kamen. Weitere japanische Baufirmen sind Shimizu und Mitsui Sumitomo Construction.
Auftragsentwicklung bei ausländischen Bauprojekten
| 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
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Vertragsabschlüsse (Volumen in Mrd. US$) | 13,9 | 14,2 | 16,5 | 17,5 | 18,9 |
durch Mutterkonzern (Mrd. US$) | 5,0 | 3,6 | 7,3 | 6,4 | 7,1 |
durch ausländische Tochtergesellschaft (Mrd. US$) | 8,9 | 10,6 | 9,3 | 11,2 | 11,8 |
Anteil der Auslandsbeschaffung (Prozent) | 64,1 | 74,4 | 56,1 | 63,6 | 62,6 |
Jeweils Fiskaljahre (1. April bis 31. März); erfasst werden Verträge mit mindestens einer Million US$ AuftragsvolumenQuelle: Japan Federation of Construction Contractors
Auslandstöchter sind bei Akquise aktiv
Bei Auftragsabschlüssen - sowohl bei den japanischen Anlagenbauern als auch bei den Bauunternehmen - ist der ausländische Anteil von erheblicher Bedeutung. Gemäß der Statistik des JMCTI belief sich der Anteil der Auslandsbeschaffung, also dass, was nicht in Japan, sondern im Ausland eingekauft wurde, bei Anlagenprojekten im Durchschnitt der drei Fiskaljahre 2016 bis 2018 auf mehr als 60 Prozent. Jedoch war 2019 mit 29,5 Prozent ein Ausrutscher nach unten (siehe Tabelle "Auftragsentwicklung bei Anlagenprojekten im Ausland").
Auf mehr als 60 Prozent kam auch der Anteil des Vertragswertes für Bauprojekte im Ausland, die von Tochterunternehmen japanischer Konzerne vor Ort ausgehandelt wurden. Laut Zahlen der Japan Federation of Construction Contractors lag der Anteil im Fiskaljahr 2019 bei rund 63 Prozent, hatte im Fiskaljahr 2016 aber auch schon die 74-Prozent-Marke überschritten.
Von Jürgen Maurer
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