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Wirtschaftsumfeld | Japan | Verhandlungspraxis

Kultureller Hintergrund

Traditionelle Strukturen und Verhaltensweisen brechen langsam auf. Dennoch gilt es, den ausgeprägten Gruppensinn und die Höflichkeit der Japaner im Blick zu behalten.

Von Michael Sauermost, Christiane Süßel | Bonn

Auch wenn die Internationalisierung der japanischen Wirtschaft zunimmt, bleiben fundamentale Bereiche der Unternehmenskultur davon scheinbar unberührt. Klassische Verhaltens- und Kommunikationsformen sowie der Prozess der Entscheidungsfindung stellen für ausländische Firmen Herausforderungen dar.

Höflichkeit ist Pflicht

Im Ranking traditioneller Werte wie Höflichkeit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit oder Fleiß scheinen sich Deutschland und Japan wenig nachzustehen. Bei der Körpersprache ist stets eine zurückhaltende Art zu bevorzugen. Traditionell wird in Japan zur Begrüßung zwar nicht die Hand gereicht, sondern es kommt zu einer Verbeugung. "Japanische Geschäftspartner haben sich bei Ausländern an den Händedruck gewöhnt, sodass man sich meistens mit einer Kombination aus Handshake und angedeuteter Verbeugung begrüßt", erklärt Angela Kessel vom interkulturellen Beratungsinstitut Access Culture.

Von herausragender Bedeutung ist es, die andere Person nicht in Verlegenheit zu bringen, sofern es sich vermeiden lässt. Bei Zusammenkünften werden unterschiedliche Meinungen von Kollegen nur selten nach außen getragen und Konflikte intern geklärt.

Interkulturelles Know-how bei Verhandlungen gefragt

Die großen Firmen orientieren sich aufgrund des stagnierenden Inlandsmarkts seit Jahren auf die asiatischen Wachstumsmärkte. Um eine internationale Unternehmenskultur gedeihen zu lassen, wird ausländisches Personal in die Führungsetagen integriert. Peter Kempf, Geschäftsführer von Kesch-Training International, beobachtet, dass immer öfter bei der Firma angestellte Europäer oder häufig auch Inder in Verhandlungen eingebunden werden. Sie drücken dem Verhandlungsrahmen ihren Stempel auf, der direkter und etwas weniger überhöflich ist.

Insbesondere der klassische Mittelständler verfügt über eine sehr begrenzte internationale Ausrichtung. Dies ist erstaunlich, schließlich gelten sie auch im exportorientierten Japan als Rückgrat der Wirtschaft. Ausländische Firmen mit Japaninteresse sollten dies als ambitionierte Kooperationschance sehen.

Entscheidungsfindung per Konsens

Die Loyalität der Angestellten zu ihrem Unternehmen ist hoch. Wenn auch ein wenig abgeschwächt, sind die Verhaltensformen des "Gambaru" (Alles Geben) beziehungsweise des "Gemeinsamen Kämpfens" dennoch angesagt – wie im Sport, so in der Firma. Herausragendes Merkmal der Unternehmenskultur ist die Bottom-Up-Entscheidungsfindung über den Konsens der Allgemeinheit. Dabei ist die Gruppe wichtiger als das Individuum. So dauert der Prozess zwar länger als in westlicher Geschäftskultur üblich, dafür wird die gemeinsam getroffene Entscheidung von allen akzeptiert und nicht infrage gestellt. Der Vorteil liegt in der Konsistenz, der Nachteil in mangelnder Flexibilität bei Misserfolg.

Intern erfolgt die Entscheidungsfindung abseits von reinem Profitkalkül oder Harmoniedenken bisweilen mithilfe des weiterhin ausgeprägten Hierarchiedenkens sowie des Senioritätsprinzips. Selbst in kreativen Bereichen wie der IT-Entwicklung gibt es deutliche Spuren dieser Verhaltensmuster. Allerdings ist zumindest in diesem Sektor zunehmend ein Top-Down-Entscheidungsprozess zu beobachten.

Einige Entscheidungen werden durch soziale Verpflichtungen (Giri) gegenüber Entscheidungsträgern getroffen, die gegenwärtig oder früher übergeordnet waren oder denen ein Gefallen geschuldet wird. Derartige Beziehungen sind für Ausländer bisweilen schwer zu erkennen und nachzuvollziehen.

Entscheidungsträger richtig ansprechen

Trotz der Gruppenentscheidung innerhalb der Firmen ist für ausländische Geschäftspartner die Herauskristallisierung der Entscheidungslenker beziehungsweise des entscheidenden Verhandlungspartners von immenser Bedeutung. In Großunternehmen sind höhere Manager richtungsweisende Gesprächspartner. Dennoch sollte der Einfluss der untergeordneten Ebenen im Auge behalten werden. In der Regel sind sie bei Verhandlungen zugegen, leisten vor allem wichtige Vorarbeiten und können den Prozess in gewissem Ausmaß beeinflussen.

Was die Rolle von Entscheidungsträgerinnen anbelangt, so werden ausländische weibliche Führungskräfte von der männlich dominierten Geschäftswelt in Japan mittlerweile nicht nur mit Respekt behandelt, sondern auch akzeptiert. In Japan selbst wird zwar eine stärkere weibliche Präsenz in Führungsetagen angestrebt, jedoch ist dies bislang noch unzureichend realisiert.

Formaler Entscheidungsprozess

Geschäftstreffen dienen zum Kennenlernen, zum Informationsaustausch oder zur Bestätigung von Entscheidungen, nicht hingegen zum Fällen von Entscheidungen. Letzteres erfolgt in Unternehmen anders: Der formale Entscheidungsprozess wird klassisch durch ein "Ringisho" begleitet – eine Art Umlaufmappe. Die Mappe enthält Projekt- und Verhandlungsdetails und wird von den Mitarbeitern abgestempelt.

Vorher sorgen informelle, in den Augen westlicher Betriebsleiter umständliche Mitarbeitergespräche (Nemawashi) dafür, dass Einstimmigkeit erzielt wird. Das Steuerinstrument vermittelt dabei Information, Konsens und Teambildung. Allerdings verliert es durch die fortschreitende Internationalisierung, Diversifizierung und Digitalisierung langsam an Bedeutung.

Japanische Kleidungsetikette

Der Kleidungsstil ist meist sehr konservativ. Bei Messebesuchen fällt auf, dass kaum jemand farblich oder modisch aus der Menge herausragt. Weiße Hemden, dunkle Anzüge und Krawatten sind bei Männern angesagt. Geschäftsfrauen tragen Kostüme in dezenten Farben, Nylonstrümpfe und nicht zu kurze Röcke.

In den heißen Sommermonaten kann auf eine Krawatte verzichtet werden. Auch kurzärmelige Hemden werden dann bevorzugt getragen. Dieser "Cool Biz"-Zeitraum ist offiziell terminiert. Sicherheitshalber sollte bei Erstkontakten allerdings auf die konservativere Garderobenvariante zurückgegriffen werden. Des Weiteren kommt der Sockenwahl in Japan eine besondere Bedeutung zu. Nicht selten müssen in traditionellen Restaurants die Schuhe ausgezogen werden. Barfuß zu gehen ist ein Fauxpas.

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