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Wirtschaftsumfeld | Japan | Digitalisierung

Pandemie ist ein Paradigmenwechsel

Daniel Schwarz weiß, wie der japanische IT-Markt tickt. Der CEO des IT-Dienstleisters ITD-GBS arbeitet seit 2018 in Tokyo. Im Interview gibt er interessante Einblicke.

Von Christiane Süßel | Bonn

GTAI: Das IT-Unternehmen ITD-GBS begleitet deutsche Firmen auf ihrem Weg auf den japanischen Markt und japanische auf den deutschen. Was haben beide Märkte gemeinsam?

Schwarz: Wir unterstützen deutsche und japanische Unternehmen, Daten national oder grenzübergreifend und effizient zu verarbeiten. Das Zusammenspiel aus IT und Recht ist in beiden Märkten in den vergangenen Jahren wichtiger geworden ist. So muss in Japan ab April der Verlust von personenbezogenen Daten angezeigt werden, da die persönlichen Rechte des Betroffenen verletzt werden könnten. Es gibt zudem neue Richtlinien zur Datennutzung und zum länderübergreifenden Datenaustausch. Bei Verstoß drohen höhere Strafen von bis zu umgerechnet rund 0,87 Millionen US-Dollar. Um mit ITD-GBS auf die rechtlichen Anforderungen zu reagieren, haben wir mit unserem Kooperationspartner ARQIS Foreign Law Office den Service "unwyr" ins Leben gerufen.

GTAI: Was sind die Unterschiede zwischen Japan und Deutschland?

Schwarz: Zwar sind auch die großen japanischen Firmen beim Thema Datenschutz und IT-Ausstattung gut aufgestellt, aber vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen hinkten bisher hinterher. Deutsche Firmen waren im Vergleich bislang stärker für IT-Fragen sensibilisiert. Aber Corona hat als Katalysator gewirkt und die Awareness gesteigert. Das zeigt die Gründung der japanischen Digitalbehörde.

GTAI: In Deutschland kursiert das Bild des technikaffinen Japaners. Tickt die japanische Bevölkerung bei der IT-Nutzung anders als die deutsche?

Schwarz: Ich denke, dieses Bild beruht auf Gegenseitigkeit. Betrachtet man das Nutzerverhalten wird klar: Egal ob jung oder alt, viele Menschen in Japan nutzen das Smartphone neben der Arbeit auch zur Unterhaltung, etwa für Gaming, Social Media oder Film und Fernsehen. Sie verbrauchen im Monat nicht selten 30 bis 90 Gigabyte an Datenvolumen.

Blickt man auf die Innovationskraft, etwa von Startups, so hat sich Tokyo mittlerweile auf Platz neun im "Global Startup Ecosystem"-Ranking katapultiert. Da liegt Deutschland mit Berlin auf Rang 22 weiter hinten. Wie andere Länder schenkt auch Japan IT-Lösungen viel Aufmerksamkeit, die einen wichtigen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und den ESG-Grundsätzen für gutes ökologisches und soziales Unternehmertum liefern.

GTAI: Langsames Internet und unzureichende 5G-Abdeckung: Ist die japanische IT-Infrastruktur besser ausgebaut als die deutsche?

Schwarz: Aus meiner Sicht ist die Infrastruktur wie in Deutschland von Region zu Region unterschiedlich gut ausgebaut. In den Landesstrichen, in denen ich in Japan unterwegs bin, verfügen die meisten Einrichtungen über Glasfaser, oder es gibt adäquaten Empfang auf dem Mobilgerät. Es ist also eher erstaunlich, wenn man mal keine Verbindung hat. Das kann aber auch in Japan durchaus vorkommen.

Japan treibt den 5G-Ausbau voran: Voraussichtlich in diesem Jahr soll ein Testnetzwerk für den Mobilfunkstandard der fünften Generation 5G bereitstehen, das sogenannte "Open RAN". Die vier größten Telekommunikationsanbieter sollen bis 2024 im ganzen Land 5G-Basisstationen aufstellen.

GTAI: Wie viel Zeit und Budget müssen deutsche Firmen einplanen, bis ihre IT in Japan steht und problemlos läuft?

Schwarz: Die IT ist so individuell wie das Unternehmen selbst, da diese in der Regel auf die Arbeits- und Produktprozesse abgestimmt sein muss. Dies ist somit vollkommen unterschiedlich und abhängig von der gewünschten beziehungsweise notwendigen Architektur.

Themengebiete wie die Systemwiederherstellung nach Katastrophen (Disaster Recovery) sollten Firmen aufgrund von Risiken wie Erdbeben aber mit Sorgfalt betrachten.

Generell gilt: Auch, wenn man "klein" anfängt, können Businessanwendungen relativ schnell durch externe Cloud-Angebote global ausgerollt werden.

GTAI: Welche Services fragen Unternehmen häufig nach? Welche Rolle spielt Cybersecurity?

Die häufigsten Anfragen, die wir erhalten, betreffen die Gewährleistung des Datenschutzes. Konkret bedeutet das beispielweise, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen muss der Kunde sicherstellen, um in einer Public Cloud persönliche Daten zu verarbeiten?

Cybersecurity spielt bei der Minimierung von Risiken eine wichtige Rolle.

GTAI: Homeoffice, Videokonferenzen und virtuelle Messen  Die Coronapandemie hat die Nachfrage nach digitalen Tools explodieren lassen. Wie hat sie den japanischen IT-Markt verändert?

Schwarz: Aus meiner Erfahrung war die Pandemie ein kultureller Paradigmenwechsel. Meetings oder Netzwerkveranstaltungen, an denen Geschäftsleute vorher nur physisch teilnehmen konnten, sind nun online beziehungsweise als Hybrid-Angebot verfügbar und akzeptiert. Dass ein Umdenken nach der Coronapandemie stattfindet, begrüße ich sehr. Ein gutes Beispiel ist die NTT Group. Sie hat im September 2021 angekündigt, dass in Zukunft alle 320.000 Beschäftigten weltweit selbst entscheiden können, von wo sie arbeiten möchten.

GTAI: Blicken wir in die Zukunft: Welche IT-Themen und Trends sollten Unternehmen im Auge behalten?

Schwarz: Da wir selber an einer Lösung zur Verbesserung von Telearbeit (Remote Work) beziehungsweise Remote School arbeiten, ist dies definitiv mein Lieblingsthema. Trends gibt es derzeit aber viele. Ein Beispiel ist das Thema Metaverse.

Spannend ist dieses Jahr sicherlich alles, was man mit Blockchain assoziieren könnte.

Das Spektrum reicht hier von Kryptowährungen und NFT (Non-Fungible Token, also nicht ersetzbare digital geschützte Objekte) bis hin zu Supply-Chain-Lösungen.

Gleichermaßen wird das Thema künstliche Intelligenz meiner Meinung nach Fahrt aufnehmen. Weiterhin würde ich auf mögliche Nachwirkungen achten, die Ende 2021 aus der Schwachstelle in der Java-Bibliothek Log4J hervorgegangen sein könnten. Über diese im Dezember als Log4Shell bekannt gewordene Sicherheitslücke können Angreifer ein System infizieren. Hiervon sind alle Unternehmen betroffen, die eigene oder gekaufte Anwendung nutzen, in denen Log4j enthalten ist, darunter auch Unternehmen in Japan.

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