Kanada will Klimaneutralität bis 2050. Dafür ist Strom aus erneuerbaren Energien das A und O. Aber Wind- und Sonnenergie sind kaum vorhanden. Ein Zukunftsmarkt?
Kanadas wichtigste Energiequellen - gewichtet nach Gesamtverbrauch - sind nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA): Erdöl (45 Prozent), Erdgas (26) und Elektrizität (22). Der Stromverbrauch dürfte allerdings mit zunehmender Elektrifizierung des Transports und dem Einsatz von grünem Wasserstoff stark zulasten von Erdölprodukten wachsen.
Anteil regenerativer Energien am Strommix wird weiter steigen
Kanada ist für eine nachhaltige Stromerzeugung ideal aufgestellt. Im Strommix kann das Land bereits mit einem hohen Anteil von erneuerbaren Energiequellen punkten. Etwa 67 Prozent der Elektrizität stammte 2020 aus erneuerbaren Quellen. Zählen wir die Kernenergie dazu, steigt der Anteil sogar auf 83 Prozent. Die Provinzen Alberta, Saskatchewan, New Brunswick und Nova Scotia verstromen allerdings weiterhin auch Kohle. Alberta fasst den Ausstieg aus der Kohle für 2023 ins Auge. Ersetzt wird diese jedoch wohl eher durch Erdgas als durch erneuerbare Energien. In Nova Scotia hängen 60 Prozent der Stromerzeugung noch am Koks. Einen Ausstieg traut sich die Provinz nicht vor 2030 zu.
Die Wasserkraft ist mit 60 Prozent am gesamten Strommix mit Abstand die bedeutendste regenerative Energiequelle. Provinzen wie Quebec und Manitoba generieren ihren Strom im Prinzip zu fast 100 Prozent aus Wasserkraft.
Ausbaubedarf hat Kanada vor allem bei der Nutzung von Wind und Solar. Diese halten mit zusammen nur 6 Prozent am Strommix einen sehr geringen Anteil. Die aktuelle Regierung will Wind- und Solarenergie, aber auch kinetische Energie aus dem Tidenhub, zukünftig stärker für den wachsenden Strombedarf ausbauen. Ein Investitionsprogramm des kanadischen Ressourcenministeriums (NRCan) unterstützt Projekte, die sich diesem Ziel verschreiben, mit 750 Millionen US-Dollar. Verfolgt Kanada seine Klimaziele ernsthaft, führt kein Weg vorbei an Wind- und Sonnenenergie. Der kanadische Markt dafür dürfte sich mittelfristig vielversprechend entwickeln.
Energiepolitik muss nachlegen, um Klimaziele zu erreichen
Eine Modellrechnung der kanadischen Behörde für Energieregulierung (CER) stellt in Aussicht, dass bis 2050 etwa 60 Prozent weniger fossile Energieträger verbrannt werden. Weiter würde der Strombedarf im gleichen Szenario um 45 Prozent steigen und der Strom noch grüner werden. Erneuerbare Energien sollen dann 95 Prozent des Strommix ausmachen. Diese zwischen konservativ und idealistisch angesetzte Hochrechnung beruht allerdings auf der Annahme, dass Umwelttechnologien sich weiterentwickeln und die kanadische Klimaschutzpolitik sich verschärft. Ebenso geht die Behörde von einem fallenden Gesamtenergiebedarf um 20 Prozent bis 2050 aus.
Wichtig: Selbst mit diesen drastischen Veränderungen wäre es laut CER nicht möglich, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Um sein "Net-Zero"-Szenario zu realisieren, sieht CER vor, dass vor allem die Kapazitäten von Wind- und Solarenergie im Rahmen von 100 bis 150 Gigawatt massiv zunehmen. Zusätzlich wären enorme Speicherkapazitäten und ein landesweiter, provinzübergreifender Netzausbau nötig, um flexibel auf Strombedarfe reagieren zu können. Gerade die Stromverteilung zwischen den Provinzen sieht CER als einen Schlüssel zum Erfolg. So könnten British Columbia und Manitoba (Wasserkraft) den Provinzen Alberta und Saskatchewan (Erdgas) dabei helfen, fossile Energien aus dem Strommix zu nehmen.
Für die verbleibende Erdgasverstromung in Kanada im Jahr 2050 wird im "Net-Zero"-Modell mit nahezu vollständiger CO2-Sequestrierung gerechnet.
Für beide Modellrechnungen müsste die Politik in den nächsten 20 Jahren ihre Richtlinien verschärfen. Sowohl der CO2-Preis als auch die Anforderungen an energieeffizientes Bauen mittels höherer Standards müssten über die bisherigen Ankündigungen hinweg steigen. Weiter müssten Standards für "saubere" Treibstoffe und Beimischungsquoten für Biogas ins Erdgasnetz erhöht werden, so CER.
Ebenso wären bindende Vorgaben für den Verkauf von Nullemissionsfahrzeugen (ZEV) ab 2025 notwendig. Ab 2035 dürften dann ausschließlich ZEV neu zugelassen werden, mit der Ausnahme von abgelegenen Gebieten und den Territorien Yukon, Nunavut und Northwest Territories. Laut CER sind die Regierungsziele nur erreichbar, wenn die Politik den Ausbau von Stromnetzen und Ladeinfrastruktur für ZEV konsequent vorantreibt. Zudem solle sie Technologien wie CO2-Sequestrierung und Wasserstoff (H2) fördern.
Wasserstoff ist Teil der Lösung für Kanadas Klimaschutzziele
Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle für die Klimaschutzziele der kanadischen Regierung. Neben Investitionen in grünen Strom und energieeffiziente Gebäude sowie die Elektrifizierung des Verkehrs soll H2 zukünftig vor allem eine führende Rolle im kanadischen Transportsektor einnehmen. Mit 25 Prozent der Treibhausgasemissionen ist der Transportsektor ein kritischer Bereich zur Realisierung der Klimaschutzziele.
Seit kurzem gewinnt die Idee einer diversifizierten lokalen Wasserstoffwirtschaft wieder an Zugkraft. Die regulatorischen Voraussetzungen und die Marktbedingungen entwickeln sich heute zugunsten von H2 als wettbewerbsfähigem Treibstoff in Kanada. Angetrieben wird dies in erster Linie durch die Klimaschutzziele der Regierung, die Einführung der CO2-Steuer, die Förderung von ZEV Fahrzeugen sowie sinkende Herstellungskosten für H2. Niedrige Strompreise in Provinzen wie Quebec, British Columbia, Manitoba und Ontario (Wasserkraft, Atomkraft) bieten ideale Voraussetzungen für die Produktion von grünem Wasserstoff mittels Elektrolyse. Dazu bieten Alberta, British Columbia und Saskatchewan durch ihre Erdgasgewinnung gute Chancen für blaue H2-Produktion.
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Von Daniel Lenkeit
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Toronto