Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Kanada | Lieferketten

Kanada kämpft weiter mit Lieferkettenproblemen

In Kanada bleibt die Beschaffungslogistik angespannt. Unternehmen verlieren deshalb bares Geld und Aufträge. Derweil steigt das Preisniveau.

Von Daniel Lenkeit | Toronto

Eine Umfrage des Industrieverbands CME (Canadian Manufacturers & Exporters) offenbart die anhaltenden Lieferkettenprobleme und steigenden Kosten vieler kanadischer Industrieunternehmen. Die Pulsmessung unter CME-Mitgliedern aus dem Februar 2022 zeigt, dass 90 Prozent der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes damit kämpfen. Etwa 60 Prozent der Befragten bewerten die Lieferkettenstörungen sogar als "schwerwiegend". Für die Umfrage hat CME kanadaweit 890 Mitgliedsfirmen befragt, die meisten von ihnen mit unter 500 Beschäftigten.

Industrieunternehmen können Nachfrage nicht bedienen

Verbandspräsident Dennis Darby unterstreicht, dass die Nachfrage nach Industrieprodukten hoch ist. Jedoch könnten seine Mitglieder diese nicht bedienen, geschweige denn von dem aktuellen Boom profitieren.

Acht von zehn seiner Mitgliedsunternehmen, die unter Lieferkettenengpässen leiden, hätten Preise erhöhen und Aufträge zurückstellen müssen. Knapp 20 Prozent wollen zukünftig mehr Vorleistungsgüter aus Kanada beschaffen, um den Störungen auf dem Beschaffungsmarkt zu entgehen. Knapp die Hälfte der Befragten hält dies jedoch für unrealistisch, da es keine kanadischen Lieferanten für ihre kritischen Inputgüter gäbe.

Nur etwa 30 Prozent der Firmen ziehen eine Umlagerung ihrer Produktion nach Kanada oder einen Ausbau ihrer lokalen Fertigung in Erwägung. Die maßgeblichen Hürden dafür wären zum einen Arbeitskosten und zum anderen das Fachkräfteangebot.

Firmen erwarten kein rasches Ende der Lieferengpässe

Die meisten Unternehmen aus der Befragung rechnen 2022 nicht mit einem Ende der Lieferkettenprobleme. Wahrscheinlicher seien fortgesetzte Engpässe bis 2023 oder sogar 2024, so die Firmen. 

In der Umfrage erklären die Industrieunternehmen weiter, dass sie seit Beginn der Lieferkettenprobleme während der Coronakrise etwa 8,3 Milliarden US-Dollar (US$) an Umsätzen eingebüßt hätten. Ebenso sehen sich die befragten Firmen aktuell höheren Kosten von etwa 800 Millionen US$ gegenüber, die sie ebenfalls auf die angespannte Beschaffungslogistik zurückführen.

Wachstumserwartungen für 2022 kaum zu halten

CME geht davon aus, dass die anhaltenden Probleme seiner Mitglieder die wirtschaftliche Erholung aus den Pandemiejahren weiter verschleppen. Der Wiederaufschwung der kanadischen Wirtschaft dauert ohnehin schon länger als erwartet. Mehrfach wurden 2020 Hoffnungen auf eine schnelle Rückkehr zur Wirtschaftsstärke von Anfang 2019 begraben. Erst im November 2021 erreicht die kanadische Wirtschaft ihr Vorkrisenlevel, mehr als 2,5 Jahre nach Ausbruch der Coronapandemie und dem Beginn des wirtschaftlichen Einbruchs.

Entweder warf die Infektionslage unter neuen Virusvarianten - vor allem im Dienstleistungssektor - das Wachstum zurück. Oder es sind die Lieferkettenstörungen, die das Produktionsvolumen, etwa in der Automobilindustrie, senken.

Preise sind deutlich gestiegen

Ein Ergebnis dieser Entwicklung sind merklich steigende Preise vieler Rohstoffe und Konsumgüter. Bereits im letzten Jahr verbuchten Unternehmen und Verbraucher ein deutlich gehobenes Preisniveau. Auch 2022 kennen die Preise bislang nur eine Richtung: hoch. In den Monaten Januar und Februar stieg der Verbraucherpreisindex um 5,1 und 5,7 Prozent, jeweils zum Vorjahresmonat. Das sind die höchsten Inflationszahlen seit 1991.

Allein die Preise für Lebensmittel werden 2022 nach Angaben des jährlichen Canada's Food Price Report um 5 bis 7 Prozent zulegen. Der Lebensmittelsektor in Kanada ist nicht nur von Lieferkettenstörungen und höheren Logistikkosten betroffen. Ähnlich schwer wiegen Arbeitskräftemangel, höhere Energiekosten und die Dürreperioden in den Prairieprovinzen 2021. 

Die meisten Geschäftsbanken erwarten insgesamt zwar weniger stark steigende Preise in der zweiten Jahreshälfte 2022, aber eine Inflationsrate von deutlich über 2 Prozent und anhaltend hohe Lebensmittelpreise. Für die meisten Haushalte gehören Lebensmittel neben Wohnraum und Energiekosten zu den größten monatlichen Ausgaben. Ein konstanter Anstieg kann den Appetit der Konsumenten für andere Güter zwischenzeitlich drosseln. Hersteller langlebiger Konsumgüter sollten die Lohnentwicklungen und verfügbaren Einkommen der Haushalte genau im Auge behalten, um die Nachfragetrends für ihre Produkte einzuschätzen.

Setzen sich die Störungen in den Lieferketten in diesem Jahr fort, und die CME-Umfrage legt dies nahe, wird die kanadische Wirtschaft auch 2022 wieder langsamer wachsen als viele Ökonomen es zu Jahresbeginn mit 4 bis 4,5 Prozent vorausgesagt haben.

Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.