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Deutschland und EU setzen stärker auf kasachische Steinkohle

Europa sucht nach Alternativen, um Russland als Beschaffungsmarkt für Energieträger abzulösen. Auch bei Steinkohle könnte der Blick auf Kasachstan fallen.

Von Jan Triebel | Almaty

Länder der Europäischen Union (EU) dürfen in Russland keine Kohle mehr kaufen oder sie aus Russland einführen - noch bis Anfang August 2022 galt eine Übergangsfrist. Bereits Anfang April 2022 hatte der Rat der EU als eine der Antworten auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sein fünftes Sanktionspaket beschlossen, das auch ein Importverbot für russische Kohle enthält.

Russland war lange wichtigste Bezugsquelle der EU für Steinkohle. Laut Eurostat, dem statistischen Amt der EU, kamen 2021 mit 50,2 Millionen Tonnen rund 52 Prozent aller Kohleimporte der EU aus Russland. Auf die nächstgrößeren Lieferanten Australien und die USA entfiel gemeinsam knapp ein Drittel.

Kasachstan ist eine von mehreren Alternativen

Daneben werden in Expertenkreisen vor allem noch Südafrika und Indonesien genannt, die wegfallende Kohlelieferungen aus Russland teilweise kompensieren könnten. Der Informationsdienst Global Commodity Insights der Ratingagentur S&P Global empfiehlt zudem, Tansania, Mosambik und Nigeria sowie Kasachstan als Bezugsquellen der vorrangig in Kraftwerken benötigten Steinkohle in Betracht zu ziehen.

Kasachstan ist die weltweit achtgrößte Fördernation von Steinkohle. Die Reserven sind mit schätzungsweise 28 Milliarden Tonnen gewaltig. Zwischen 2012 und 2021 lag die durchschnittliche Abbaumenge bei etwa 114 Millionen Tonnen pro Jahr.

Das Gros der Kohle dient in Kasachstan der Stromproduktion in mehreren Großkraftwerken. Parallel dazu gehen größere Mengen in den Export – in den letzten Jahren zwischen 20 und 25 Prozent. Im Jahr 2021 machten die Kohleausfuhren knapp 30 Millionen Tonnen aus.

Steinkohleförderung in Kasachstan

Kohlereviere im Gebiet Pawlodar: knapp 58 Prozent (2021) der kasachischen Steinkohleproduktion

Hauptproduzenten:

1) Bogatyr Coal - produziert in den Tagebauen Bogatyr und Sewerny in Ekibastus jährlich circa 45 Millionen Tonnen; gehört paritätisch der staatlichen Energieholdung Kasachstans Samruk-Energy und dem russischen Konzern RUSAL;

2) Eurasian Energy Corporation - fördert im Tagebau Wostotschny etwa 18 Millionen Tonnen pro Jahr; wichtiges Aktiva des kasachischen Bergbaukonzerns Eurasian Resources Group (ERG)


Kohlereviere im Gebiet Karagandy: rund 34 Prozent (2021) der landesweiten Kohleförderung

Hauptproduzent: Schubarkol Komir, dessen Großtagebau einen Jahresausstoß von rund 11 Millionen Tonnen hat; Teil von ERG


Kasachische Steinkohle kein Neuland für internationale Trader

In einer aktuellen Analyse zitiert S&P einen europäischen Einkäufer, der bereits wiederholt größere Lieferungen aus Kasachstan gebucht habe. Für kasachische Kohle spräche die gute Verfügbarkeit und eine Qualität, die, so der Händler gegenüber S&P, angesichts eines verhältnismäßig niedrigen Schwefelgehalts "besser als bei vielen anderen Ursprüngen" sei. Auch mache sie ein "ziemlich konkurrenzfähiger Preis" attraktiv.

Tatsächlich scheint sich der internationale Handel mit Kohle aus den Revieren in Kasachstan zu intensivieren. Russland, das annähernd 20 Millionen Tonnen pro Jahr aus Kasachstan importiert, dürfte zwar der wichtigste Kunde im Ausland bleiben. Dahinter hat sich jedoch zuletzt die Schweiz als zweitwichtigster Abnehmer etabliert.

Dorthin wurden laut dem kasachischen Büro für nationale Statistik 2021 knapp 5 Millionen Tonnen verkauft. Beobachter verbinden diesen Umstand weniger mit Schweizer Endkunden als vielmehr mit international agierenden Kohlehändlern, die ihren Sitz in der Schweiz haben. Diese Trader, wie beispielsweise die in Lugano ansässige TELF AG, fahren ihr Kasachstan-Geschäft 2022 deutlich hoch. Ihr Kohleeinkauf stieg zwischen Januar und Mai 2022 im Vorjahresvergleich um gut das Doppelte auf rund 3 Millionen Tonnen.

Exporte legen seit Anfang 2022 deutlich zu

Insgesamt lieferte Kasachstan in den ersten fünf Monaten 2022 etwa 14 Millionen Tonnen Steinkohle ins Ausland – fast ein Viertel mehr als ein Jahr zuvor. Gleichzeitig stieg die Kohleförderung in Kasachstan  um rund 6 Prozent auf etwa 49 Millionen Tonnen.

Auch Eurostat meldet steigende Einfuhren in die EU: Zwischen Januar und April 2022 nahm die EU-27 knapp 1,2 Millionen Tonnen Kohle aus Kasachstan ab, 46 Prozent mehr als im Gesamtjahr 2021. Polen und Spanien waren dabei die Hauptimporteure. 

Dabei hat die kasachische Steinkohle im Vergleich immer noch eine Nischenrolle. Laut Eurostat lieferte die zentralasiatische Republik 2021 knapp 800.000 Tonnen, was weniger als 1 Prozent aller Kohleimporte der EU entsprach.

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Deutschland bezieht noch wenig kasachische Kohle  

Kohle aus Kasachstan wird auch für Deutschland wichtiger. Die Bundesrepublik deckte ihren Bedarf bisher, ähnlich wie zahlreiche andere EU-Staaten, vorrangig durch russische Steinkohle. Die Einfuhren aus Russland lagen 2021 laut Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) bei 20,3 Millionen Tonnen. Weitere bedeutende Lieferanten waren die USA und Australien.

Allenfalls recht überschaubare Mengen kaufte Deutschland dagegen bisher in Kasachstan ein. Im Jahr 2021 meldete Destatis sogar keine derartigen Lieferungen, ein Jahr zuvor sind es 160.000 Tonnen gewesen. Die höchsten deutschen Importe kasachischer Kohle gab es bislang 2019 mit 1,2 Millionen Tonnen.

Ein kontinuierlicher Anstieg des Absatzes kennzeichnet den deutschen Markt im Jahr 2022. Zwischen Januar und Mai gelangten schon knapp 150.000 Tonnen aus Kasachstan nach Deutschland. Allein zwei Drittel dieser Menge entfielen auf den Monat Mai, so vorläufige Destatis-Zahlen.

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Estnische und lettische Logistiker bereiten sich auf Lieferanstieg vor

Damit Kasachstan zur Neujustierung der Kohlenachfrage aus EU-Ländern beitragen kann, sind nicht zuletzt eine Reihe logistischer Fragen zu klären. Gut die Hälfte der für europäische Kunden bestimmten Kohle kam bisher per Schiff nach Europa, gut 40 Prozent per Eisenbahn, der Rest per Lkw.

Erste Lösungsansätze für mögliche Routen sind schon erkennbar. So rechnen sich die Betreiber von Eisenbahnen und Häfen in Lettland und Estland gute Chancen aus, um demnächst größere Gütermengen aus Kasachstan als bisher umschlagen zu können. Insbesondere in den drei lettischen Ostseehäfen Riga, Ventspils und Liepaja wurde bereits im 1. Halbjahr 2022 deutlich mehr kasachische Fracht umgeschlagen, darunter auch deutlich mehr Kohle.

Zudem hat der estnische Logistikspezialist Operail speziell für kasachische Kohlelieferungen seine Preise gesenkt, um mit seiner lettischen Konkurrenz mithalten zu können. Als eines der wichtigsten Transportunternehmen im Schienengüterverkehr des Baltikums rechnet Operail mit monatlich bis zu 50.000 Tonnen Kohle aus Kasachstan. Deren Umschlag für Kunden in andere EU-Staaten soll über Muuga, den größte Handelshafen Estlands, laufen.

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