Wirtschaftsumfeld | Kasachstan | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Arbeitsmarkt
In Kasachstan sind gute Fachkräfte weiterhin rar. Die Zuwanderung aus Russland sorgt für leichte Entspannung. Personal wird zunehmend per Internet vermittelt.
24.10.2023
Von Jan Triebel | Almaty
Trotz größerer Herausforderungen erweist sich der kasachische Arbeitsmarkt als robust. Er hat die Covid-19-Pandemie überstanden, auch dank gezielter Fördermaßnahmen der Regierung. Sie sorgten maßgeblich dafür, dass die Arbeitslosenzahlen nicht hochschnellten. Negative Auswirkungen des Ukrainekriegs auf den kasachischen Arbeitsmarkt sind bisher ausgeblieben. Kasachische Unternehmen profitieren sogar eher von der durch den Krieg ausgelösten Abwanderungswelle aus Russland, die ihnen viele zusätzliche Fachkräfte beschert hat.
Arbeitslosigkeit liegt tatsächlich höher
Die Erwerbslosenquote blieb 2022 mit 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr konstant. Tatsächlich fällt die Zahl der Erwerbslosen aber nach wie vor höher aus. So fehlen in den Erhebungen des Büros für nationale Statistik Qazstat jene Stellensuchende, die sich aufgrund der nur geringen Anreize nicht arbeitslos melden.
Auch gibt es laut Arbeitsmarktexperten eine höhere Dunkelziffer unter den als selbständig gemeldeten Beschäftigten. Ihre Zahl belief sich 2022 auf immerhin mehr als 2,1 Millionen – nahezu ein Viertel aller Erwerbstätigen. Längst nicht alle Selbständigen üben tatsächlich eine reguläre Tätigkeit aus. Hinzu kommt eine große Zahl informell Beschäftigter, die oft ohne Vertrag als Aushilfen arbeiten.
Bevölkerung (in Mio.) | 19,8 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 63 Jahre, in Mio.) 2) | 9,4 |
Erwerbstätige (in Mio.) | 9,0 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) | 4,9 |
Analphabetenquote (in %) 3) | 0,0 |
Universitätsabschluss (in %) 4) | 44,8 |
1 Stand: 1. Januar; 2 Renteneintrittsalter liegt 2023 im Normalfall für Frauen bei 61 Jahren und für Männer bei 63 Jahren; Anhebung des Renteneintrittsalters für Frauen um jeweils sechs Monate pro Jahr - seit 2018 - ist im Zeitraum 2023 bis 2027 ausgesetzt; einheitliches Renteneintrittsalter von 63 Jahren für Frauen und Männer wird somit erst 2031 erreicht; 3 Stand: 2020; 4 als Anteil an den Erwerbstätigen.
Noch zu wenig Praxisbezug in der beruflichen Ausbildung
Im Vergleich zu anderen Ländern in Zentralasien verfügt Kasachstan über ein relativ gut entwickeltes Bildungssystem. Dieses steht jedoch qualitativ vor großen Herausforderungen. Hauptproblem ist die zu geringe Bedarfsorientierung im Berufsschulwesen mit seinem mangelnden Praxisbezug. Hinzu kommt, dass auch Hochschulen häufig nur unzureichend auf technische Fächer ausgerichtet sind.
Es gibt aber durchaus Fortschritte. Seit einigen Jahren gibt es vermehrt Programme mit dualen Ansätzen, um so die Berufsausbildung praxisorientierter zu gestalten. Auch im Hochschulbereich kommt eine Neustrukturierung der Lehre schrittweise voran.
Einer der Vorreiter ist die Deutsch-Kasachische Universität (DKU) in Almaty. Sie bietet mittlerweile zahlreiche Studiengänge mit hohem Praxisbezug an – häufig auch in Kooperation mit deutschen Partneruniversitäten und einem starken technischen Profil. Aktuell plant die DKU zwei Dependancen in Zusammenarbeit mit kasachischen Hochschulen in den Gebieten Mangystau und Ostkasachstan.
Streiks wegen Lohnforderungen nehmen zu
Streiks gibt es in Kasachstan recht selten. Dies liegt an den wenig schlagkräftigen Gewerkschaften, aber auch am restriktiven Genehmigungsverfahren für Arbeitsniederlegungen. Streiks betreffen vor allem die Rohstoffbranche, wo lokale Arbeitskräfte häufig schlechter bezahlt werden als ausländisches Personal mit vergleichbarer Qualifikation. Besonders im Westen des Landes mit den großen Öllagerstätten haben die Streikaktivitäten in jüngster Zeit tendenziell zugenommen.
In Kasachstan besteht eine gesetzlich geregelte soziale Partnerschaft. Ihre wichtigsten Akteure sind ständige trilaterale Kommissionen mit Abgesandten staatlicher Stellen, Arbeitgebender und Belegschaftsvertretungen. Sie bestehen auf staatlicher und regionaler Ebene wie auch auf Branchenebene. Neben den Tarifverhandlungen sind sie auch als Streitschlichter aktiv.
Überschaubares Fachkräfteangebot erschwert Personalsuche
Die Suche nach erfahrenen Fachkräften in technischen Berufen, Informatikern und engagierten Vertriebsmitarbeitern gestaltet sich nach wie vor schwierig. Trotz gewisser Verbesserungen entspricht das Qualifikationsniveau kasachischer Hochschulabsolventen nur selten Erfahrungswerten aus Deutschland. Angesichts kaum vorhandener Alternativen investieren Unternehmen selbst in die Weiterbildung ihres Personals.
Das Fachkräftedefizit in technischen Berufen ist auch dem geringen gesellschaftlichen Ansehen geschuldet, das manuelle Tätigkeiten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion genießen. Hinzu kommt, dass Kasachstan seitdem auch technisch versierte Fachkräfte, Ingenieure und Wissenschaftler in größerer Zahl verloren hat. Spuren hinterließ vor allem der Wegzug ethnischer Russen, die zuvor viele der qualifizierten Fachkräfte stellten.
Als eine Folge des Ukrainekriegs gab es zwischenzeitlich jedoch einen spürbaren Zuzug in umgekehrter Richtung aus Russland nach Kasachstan. Dabei handelte es sich überwiegend um Männer im wehrpflichtigen Alter, unter ihnen auch zahlreiche Fachkräfte.
Sie sollen bei der Besetzung anspruchsvoller Expat-Stellen in kasachischen Unternehmen gute Erfolgschancen haben. Zur fachlichen Qualifikation kommt hinzu, dass die Neuankömmlinge sich in Kasachstan auf Russisch verständigen können. Außerdem gilt eine Anstellung von Russen in Kasachstan als relativ unproblematisch, da sie keine Arbeitsgenehmigung benötigen.
Akquise hauptsächlich über Jobportale
Lokale Unternehmen und ausländische Firmen nutzen bei der Personalsuche mittlerweile vorwiegend einschlägige Jobportale. Gleichwohl wird weiterhin aber auch auf professionelle Dienstleister zurückgegriffen – vor allem bei der Besetzung von Führungspositionen. In Kasachstan sind zahlreiche Personalvermittler tätig. Die AHK Zentralasien unterstützt vornehmlich Firmen aus Deutschland bei der Suche nach Arbeitskräften.
Zu den Stellenbörsen, die Unternehmen wie Jobsuchende in Kasachstan am häufigsten nutzten, zählt HeadHunter. Für die Vermittlung von Stellen im höheren und gehobenen Management wird auch auf das Netzwerk LinkedIn zurückgegriffen.
Weitere bekannte Stellenbörsen im Internet sind Paragraf Rabota, qyzmet.kz und zarplata.kz. Recht populär ist das staatliche Beschäftigungsportal enbek.kz, ein Projekt des Arbeitsministeriums. Darüber hinaus streut die Jobbörse @JobKZ zahlreiche Stellenangebote und -gesuche über ihren Telegram-Kanal.