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Branchenbericht | Ostafrika | Nahrungsmittel-, Verpackungsmaschinen

Infos zu Nahrungsmittelprojekten in Ostafrika sind oft verzerrt

Meldungen über neue Vorhaben in Ostafrikas Lebensmittel- und Getränkeindustrie gab es zuletzt eher wenige. Das heißt aber nicht, dass die Branche nicht investiert.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Brauereien, die sprudelnde Gewinne verkünden, und Bars, wo nach dem letzten Abflauen der Pandemie das Bier wieder fließt: Der Pressebericht Anfang 2022 über das vergangene halbe Geschäftsjahr der East African Breweries (EABL) dürfte auch deutsche Technikanbieter interessieren. Sind in Afrika doch die Brauereien die wohl besten Abnehmer hochwertiger Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen made in Germany. Offenkundig hat diese Kundschaft endlich wieder Geld nach den Umsatzrückgängen durch Corona. Dass EABL in den letzten Monaten die Kapazität "fortlaufend" für über 50 Millionen US-Dollar (US$) ausgebaut hat, steht ebenfalls in dem Bericht des Portals Food Business Africa.

Wichtige Investitionspläne werden oft nicht veröffentlicht

Allerdings ist nichts in dem Report über zukünftige Investitionen zu finden. Das also, was Lieferanten von Maschinen wirklich interessiert, konkrete Informationen über Projekte, die jetzt geplant oder demnächst ausgeschrieben werden. Hierüber erfahren Technikanbieter zu spät oder gar nicht.

Dass Projektinformationen nicht rechtzeitig oder gar nicht vorliegen, kommt bei größeren Vorhaben kapitalkräftiger Unternehmen häufiger vor. Das sind typischerweise jene Firmen, die an teuren Maschinen aus Deutschland womöglich interessiert sind und diese auch tatsächlich finanzieren könnten. Auch bei der Sheger Bread Factory in Addis Abeba hatten längst Maschinenbauer aus Italien geliefert, als das Projekt Mitte 2020 - anlässlich der Einweihung des Betriebs - in der Zeitung stand. Besonders schade aus deutscher Sicht war dies angesichts der Charakteristika des Investors: Der breit aufgestellt äthiopische Midroc-Konzern hat in jüngerer Zeit einige solcher Vorhaben umgesetzt. Aber vielleicht hatte er kein Interesse, die Konkurrenz auf die eigenen Aktivitäten in der noch jungen, boomenden Backwarenindustrie Äthiopiens zu stoßen?

Weniger geizig sind Firmen mit Informationen, die sie ins rechte Licht rücken sollen. So ist zu lesen, dass die Tanzania Breweries demnächst Nachbarsiedlungen mit einem Projekt für sauberes Wasser finanziell unterstützen will. Ob und inwieweit die Tochter des globalen Bier-Marktführers AB InBev auch Technik beschaffen will, ist den Meldungen vom April 2022 nicht zu entnehmen.

Oder es erscheinen Meldungen, die den beteiligten Unternehmen offenbar bei der Suche nach Investoren helfen sollen. Wie beim kenianischen Essens-Lieferdienst Kune. Das Start-up verkündet, seine Produktion ausbauen zu wollen. Details dazu fehlen jedoch völlig. Absatzchancen für deutsche Techniklieferanten: mehr als ungewiss.

Informationen sind teils zweifelhaft

Hinzu kommt ein ungutes Gefühl, das sich bei manchen Projektinformationen einstellt: Kann das sein? Die 72 Quadratkilometer, auf denen in Kenia angeblich eine Zuckerfabrik gebaut werden soll? Vermutlich wird auf dieser riesigen Fläche vielmehr das Zuckerrohr für die neue Fabrik angebaut. Dass aber etliche Webseiten die Geschichte mit der acht mal neun Kilometer großen Fabrik wiederholen, offenbar ohne nachzufragen, stärkt nicht eben das Vertrauen in die Qualität der Nachricht.

Auch bei Meldungen über gigantische Vorhaben zur Herstellung von Speiseöl in Äthiopien schütteln Experten mit dem Kopf. 1 Milliarde US$ für eine Speiseölfabrik in einem Land, in dem die Branche bislang nur deutlich kleinere Anlagen betreibt und wo vor allem unklar ist, woher der Rohstoff für so eine gigantische Fabrik kommen soll? Dabei, und das ist das Vertrackte, investiert Äthiopien in letzter Zeit tatsächlich viel in die Verarbeitung von Speiseöl. Solche Meldungen sind deshalb durchaus ernsthaft zu prüfen.

Standort Kenia dominiert die Wirtschaftspresse

Der Informationsfluss ist in ostafrikanischen Märkten oft ineffizient. So einiges hängt dabei vom Zufall ab. Wichtig kann sein, wer wen in Firmen, Behörden oder bei Zeitungen kennt. Oder wie die sozialen Medien genutzt und Facebook, Twitter & Co. zu Recherchezwecken genutzt werden.

Besonders informell geht es in Somalia zu, wo es lange Zeit gar keinen funktionierenden Zentralstaat gab. Dass in Somaliland eine neue Thunfischfabrik entstehen soll, erfährt der Autor dieses Textes eher zufällig. Doch es gibt eine Handynummer und einen Facebook-Eintrag zu einem Projekt namens "Somtuna". Ein Telefonat mit dem Firmenchef kommt zustande. Nur hat dieser kein Interesse daran, einem Fremden im fernen Deutschland von seinem Vorhaben zu erzählen. So viel ist immerhin zu erfahren: Die Fabrik soll einmal 400 Leute beschäftigen und ist somit für Somaliland ziemlich groß. Der Mann sagt aber auch, dass die Anlage schon im Bau ist und im Juli 2022 fertiggestellt sein soll - und dass die Maschinen bereits gekauft sind.

Eine Verzerrung der Berichterstattung über Ostafrika ergibt sich schließlich auch durch einen gewissen Fokus der Wirtschaftspresse auf Kenia. Wer mehrere Märkte der Region bearbeitet, tut dies meist von Nairobi aus. Dort sitzen auch viele Mitarbeiter der UNO und anderer internationaler Organisationen. Doch gemessen am Absatzpotenzial müsste für deutsche Exporteure von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen eigentlich Äthiopien ganz oben auf der Agenda stehen; das Land ist in Ostafrika inzwischen größter Importeur dieser Technik. GTAI indes schrieb bei seiner Projekt-Berichterstattung in den knapp drei Jahren seit Mitte 2019 rund zwei Drittel mehr zu Kenia als zu Äthiopien.

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