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Unternehmen investieren weiter in Kenias Gesundheitssektor
Auch der Staat plant größere Projekte. Dessen Interesse an Partnerschaften mit dem Privatsektor schafft weitere Geschäftsmöglichkeiten.
07.09.2022
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Kenias Gesundheitssektor dürfte im Vergleich zu anderen Branchen weiterhin überdurchschnittlich wachsen. Deutsche Unternehmen verfügen über eine Vielzahl von Liefermöglichkeiten, vor allem von Medizintechnik und pharmazeutischen Produkten. Zudem gewinnt die lokale Präsenz in Form einer Vertriebsniederlassung vor Ort oder gar Produktion an Bedeutung.
Gegenwärtig leiden Akteure im Gesundheitssektor unter dem schwierigen konjunkturellen Umfeld. Insbesondere bei Lieferungen von Medizintechnik sind die Lieferkettenprobleme gravierend. Hinzu kommen stark gestiegene Frachtkosten.
Mittelfristige Wachstumsmotoren in Kenias Gesundheitsbereich sind zum einen die wachsende Mittelschicht, von der insbesondere der private Gesundheitssektor profitiert. Darüber hinaus expandiert der öffentliche Gesundheitsbereich, unter anderem weil die staatliche Krankenkasse National Health Insurance Fund (NHIF) einen immer größeren Teil der Bevölkerung und auch zahlreiche Leistungen abdeckt.
Zunahme chronischer Krankheiten erfordert mehr Investitionen
Im afrikanischen Vergleich sind die Kenianer gut über medizinische Versorgungsmöglichkeiten informiert und daher eher bereit, Geld für Vorsorge und Behandlungen auszugeben. Eine positive Entwicklung - in Anbetracht eines rapiden Bevölkerungswachstums von derzeit jährlich 1,2 Millionen Menschen sowie der Zunahme chronischer Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislaufkrankheiten.
Die Ausgaben im kenianischen Gesundheitssektor werden von Fitch Solutions, einem Anbieter von Finanzinformationsdiensten, auf rund 5,5 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2022 geschätzt, mit guten Wachstumsperspektiven für die kommenden Jahre. Im weltweiten Vergleich ist Kenia ein kleiner Absatzmarkt; innerhalb Subsahara-Afrikas ragt das ostafrikanische Land zusammen mit Südafrika, Nigeria und Ghana indes heraus: Von den 5,5 Milliarden US$ entfallen rund 2,9 Milliarden auf den öffentlichen und 2,6 Milliarden US$ auf den privaten Sektor.
Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Kenia
Indikator | Wert |
---|---|
Einwohnerzahl (2021 in Mio.) | 55,0 |
Bevölkerungswachstum (2021 in % pro Jahr) | 2,2 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2020) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 38,0 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 3,0 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2020 in Jahren) | 67 |
BIP pro Kopf (2021 in US$) | 2.198,6 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019 in US$) | 83,4 |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2019 in %) | 4,6 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2018) | 15,7 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2019) | 2,5 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2010) | 140 |
Wachsende Mittelschicht stärkt Privatsektor
Marktkenner bewerten den privaten Gesundheitssektor in den kommenden Jahren als besonders dynamisch. Die recht große kenianische Mittel- und Oberschicht ist überwiegend über den Arbeitgeber bei Privatkassen wie Britam, Jubilee, ICEA Lion und Sanlam versichert und kann teurere medizinische Leistungen bezahlen.
Private Gesundheitsakteure legen beim Kauf von Medizintechnik und Pharmazeutika Wert auf Qualität und Kundenbetreuung. Deutsche Zulieferer verfügen hier über gute Chancen. Aktuell dürften steigende Preise für importierte Güter sowie mangelnde Kapitalverfügbarkeit vielen kenianischen Bestellern das Leben erschweren. Flexibilität bei den Zahlungsbedingungen ist seitens der Lieferanten daher besonders wichtig.
Lukrative medizinische Dienstleistungen stehen bei Privaten im Fokus, wie die Behandlung chronischer Krankheiten, Kinderheilkunde und die Bereiche Zahnmedizin, Orthopädie, Schönheitschirurgie, Augenheilkunde und Diagnostik. Gerade in Nairobi gibt es eine Reihe privater Krankenhäuser wie Aga Khan, Nairobi Hospital, M.P. Shah, Karen Hospital oder Avenue Hospital. Hinzu kommen zahlreiche Arztpraxen und Diagnostikzentren. Eine wichtige Rolle - gerade in ländlichen Regionen - spielen "Non-Profit-Einrichtungen", die von religiösen Organisationen wie Kirchen betrieben und finanziert werden.
Staatliche Käufer achten zunehmend auf Qualität
Ausschreibungen für den staatlichen Gesundheitssektor sind aufgrund ihres Umfangs vielversprechend. Gleichwohl sind die Entscheidungen, wer den Zuschlag erhält, oft preisgetrieben und laut Angaben von Zulieferern unter Compliance-Aspekten nicht immer sauber. Mitunter beeinflussen auch beteiligte Geberorganisationen die Entscheidung. Kritisch sehen viele Zulieferer die Zahlungsmoral der Behörden. Gleichwohl steigt das Qualitätsbewusstsein der Ärzte in staatlichen Krankenhäusern und damit auch der Druck auf die ausschreibende Stelle, gute Produkte einzukaufen.
Branchenkenner erwarten unter der neuen Regierung weiterhin eine hohe Priorisierung des Gesundheitssektors und damit Investitionen in allen Bereichen. Gleichwohl limitiert die hohe Staatsverschuldung den Spielraum für Ausgaben, so dass die Offenheit der zuständigen Behörden für Public-Private-Partnerships (PPP) steigt. Ausländische Zulieferer können beispielsweise PPP eingehen, indem sie Geld für die Einrichtung einer Fachabteilung in einem staatlichen Krankenhaus bereitstellen oder Personal ausbilden. Häufig können bei derartigen Projekten auch Geber mit ins Boot geholt werden.
Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Kenia (Auswahl)
Projekt | Investitionssumme in Mio. US$*) | Anmerkung |
---|---|---|
483,2 | Im März 2022 hat Moderna mit der kenianischen Regierung eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) für den Bau der Fabrik unterzeichnet; Umsetzung ungewiss | |
Kabarak University Teaching Research & Referral Mission Hospital (KUTRRMH) | 294,1 | Geplantes Privatkrankenhaus bei Nakuru mit 500 Betten auf dem Campus der Kabarak University; Investor wartet noch auf die staatliche Genehmigung |
Aga Khan Health Services | 210,1 | Ausbau der Krankenhäuser in Nairobi, Mombasa und Kisumu; Zusammenarbeit mit verschiedenen Gebern |
42,0 | in Planung | |
21,0 | Bau wurde von chinesischen Kontraktoren 2021 wegen Zahlungsproblemen gestoppt; Krankenhaus ist auf 750 Betten ausgelegt | |
13,4 | Bau und Aufkauf neuer Krankenhäuser mittlerer Größe | |
8,4 | Ausbau der Einrichtungen in Nairobi und Aufbau von Sauerstoffproduktionsanlagen |
Vertrieb: Lokale Präsenz wird immer wichtiger
Aufgrund des Marktwachstums wird eine lokale Präsenz immer attraktiver. Größere Pharmaunternehmen betreiben in der Regel Vertriebsniederlassungen in Nairobi und nutzen zusätzlich internationale Vertriebspartner wie Laborex und Imperial Logistics. Medizintechnikproduzenten sind in der Regel über kleinere spezialisierte Vertriebspartner in Kenia präsent, weil der After-Sales-Service hier eine sehr wichtige Rolle spielt.
Direkt vor Ort zu produzieren wird ebenfalls interessanter. So produziert B. Braun seit 2020 Infusionslösungen in einer Fabrik bei Nairobi. Zum einen wächst der Absatzmarkt und gerade in Zeiten hoher Importpreise wächst der Preisvorteil lokaler Produzenten. Hinzu kommt: Wenn man sich bei staatlichen Ausschreibungen als lokaler Investor präsentieren kann, steigen die Chancen, dass man den Zuschlag erhält.
Luft nach oben besteht aus Sicht vieler Unternehmen bei der Regulierung des Sektors. Korruption, Langsamkeit und Inkompetenz werden als überdurchschnittlich hoch eingestuft. Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht zur Verfügung sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.
Kontaktadressen
Bezeichnung | Anmerkungen |
Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Portal der Exportinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz | |
Gesundheitsministerium | |
staatliche Beschaffungsstelle | |
Regulierer für Pharmazeutika | |
Verband niedergelassener Ärzte | |
Fachpublikation | |
Fachmesse in Johannesburg (Südafrika); findet sowohl in Präsenz als auch online statt | |
Fachmesse in Nairobi; nächste Veranstaltung findet vom 21.-23.6.23 im Sarit Expo Centre statt |