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Studie | Kolumbien | Gesundheitswirtschaft
Das kolumbianische Gesundheitssystem deckt die gesamte Bevölkerung ab. Allerdings ist die Qualität der Versorgung oft nur mangelhaft und mit langen Wartezeiten verbunden.
25.01.2021
Von Edwin Schuh | Bogotá
Kolumbien ist bislang eines der am stärksten vom Coronavirus betroffenen Länder weltweit. Die Fallzahlen akkumulierten sich mit Stand Anfang Dezember 2020 auf 1,3 Millionen, wobei rund 37.000 Personen an dem Virus verstorben sind. Die aktuelle Sterberate liegt damit bei 2,8 Prozent, was vergleichbar ist mit anderen Schwellenländern. Der Höhepunkt der Pandemie wurde in Kolumbien Mitte August mit knapp 170.000 aktiven Fällen erreicht, bis Anfang Dezember sank die Anzahl aktiver Fälle auf rund 70.000. Vor allem in ärmeren Stadtvierteln der Metropolen, aber auch im Amazonasgebiet sowie an der Pazifik- und Karibikküste breitete sich das Virus stark aus.
Bereits früh (24. März) rief die Regierung eine strenge Ausgangssperre aus, dank der die Fallzahlen zunächst nur langsam anstiegen. So wurde Zeit gewonnen, das Gesundheitssystem auf die Pandemie vorzubereiten. Die Anzahl der Notfallbetten konnte dem Gesundheitsministerium MinSalud (Ministerio de Salud y Protección Social) zufolge landesweit von 5.346 im Februar auf 10.693 im Oktober verdoppelt werden. Dennoch waren die Kliniken vor allem in den Monaten Juli und August am Limit, die Intensivstationen (Unidad de Cuidados Intensivos, UCI) in vielen Großstädten komplett belegt.
Indikator | Wert |
---|---|
Bevölkerung (2019, in Mio.) | 50,3 |
Bevölkerungswachstum (2019, in %) | 1,4 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2019) | |
Anteil der 15- bis 64-Jährigen (in %) | 68,6 |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 22,6 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 8,8 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2018, in Jahren) | 77,1 |
Gesamte Gesundheitsausgaben (2019, in Mrd. US$) | 24,2 |
Gesamte Gesundheitsausgaben pro Kopf (2019, in US$) | 480 |
Anteil gesamte Gesundheitsausgaben am BIP (2019, in %) | 7,5 |
Anzahl Krankenhäuser (2018), davon | 1.124 |
öffentlich | 772 |
privat | 352 |
Anzahl Krankenhausbetten (2018) | 53.153 |
Anzahl Ärzte (2018) | 102.309 |
Ärzte/100.000 Einwohner (2018) | 206 |
Kolumbiens gesamte Gesundheitsausgaben lagen 2019 mit 24,2 Milliarden US-Dollar (US$) auf Platz fünf in Lateinamerika, hinter Brasilien, Mexiko, Argentinien und Chile. Für 2020 wird ein Rückgang von 3,3 Prozent auf 23,4 Milliarden US$ erwartet, was allerdings der Abwertung des kolumbianischen Pesos geschuldet ist. In Lokalwährung gemessen sollen die Ausgaben 2020 um 9,6 Prozent zunehmen, so das Marktforschungsinstitut Fitch Solutions. Bis zum Jahr 2024 wird ein Anstieg der Gesundheitsausgaben auf 31,1 Milliarden US$ prognostiziert.
Von dem Gesamtumsatz entfielen 2019 rund 72,4 Prozent auf öffentliche und 27,6 Prozent auf private Gesundheitsausgaben. Zahlungen aus der eigenen Tasche (out-of-pocket) machen etwa 60 Prozent der privaten Gesundheitsausgaben aus, 40 Prozent entfallen auf Privatkrankenkassen. Rund 70 Prozent aller Kliniken sind öffentlich, der Rest privat. Unter den privaten Kliniken haben jedoch nur eine Handvoll mehr als 100 Betten, die Mehrheit haben weniger als 20 Betten. Die Privatkliniken sind meist als Gesellschaften, Partnerschaften oder als steuerbefreite Stiftungen (fundación) organisiert.
Kolumbien konnte in den vergangenen Jahren einen immer größeren Teil seiner Bevölkerung in das Gesundheitssystem integrieren und ist heute führend in Lateinamerika hinsichtlich der Abdeckung. Jeder Einwohner, unabhängig von seiner Zahlungskraft, hat Anspruch auf Gesundheitsleistungen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums MinSalud waren 2019 insgesamt 98,9 Prozent der Bevölkerung im Gesundheitssystem SGSSS (Sistema General de Seguridad Social en Salud) registriert. Allerdings sind die Qualität und Geschwindigkeit der Versorgung gerade im öffentlichen Bereich häufig sehr mangelhaft.
Die bedeutende Gesundheitsreform von 1993 (Gesetz 100) teilte das Gesundheitssystem in zwei Teile ein: das beitragspflichtige System (régimen contributivo), dem Arbeitnehmer und Personen mit ausreichender Kaufkraft angehören, sowie das subventionierte System (régimen subsidiado) für ärmere Bevölkerungsschichten. Im März 2019 waren 22,3 Millionen Personen im beitragspflichtigen und 22,8 Millionen Personen im subventionierten System erfasst. Rund 2 Millionen Personen – darunter Militärs und Lehrer – werden getrennt versorgt.
Unter den Top 10 der Krankenhäuser Lateinamerikas befinden sich vier kolumbianische Einrichtungen.
1. Hospital Israelita Albert Einstein (São Paulo, Brasilien) |
2. Clínica Alemana (Santiago de Chile, Chile) |
3. Fundación Cardioinfantil - Instituto de Cardiología (Bogotá, Kolumbien) |
4. Fundación Valle del Lili (Cali, Kolumbien) |
5. Hospital Italiano (Buenos Aires, Argentinien) |
6. Fundación Cardiovascular (Bucaramanga, Kolumbien) |
7. Hospital Samaritano Higienópolis (São Paulo, Brasilien) |
8. Hospital Clínica Bíblica (San José, Costa Rica) |
9. Hospital Pablo Tobón Uribe (Medellín, Kolumbien) |
10. Hospital Universitario Austral (Buenos Aires, Argentinien) |
Die Krankenkassen Entidades Promotoras de Salud (EPS) verwalten die Beiträge und vermitteln Gesundheitsdienstleistungen, die von den Instituciones Prestadoras de Servicios de Salud (IPS) durchgeführt werden. IPS können sowohl private als auch öffentliche Einrichtungen sein. Die Reform von 1993 dezentralisierte den Gesundheitssektor und führte einen regulierten Wettbewerb zwischen den EPS ein. Neben der staatlichen Krankenkasse Nueva EPS gibt es zahlreiche private Akteure auf dem Markt, darunter Coomeva, Medimás, Sura, Salud Total, Sanitas, Famisanar, Audifarma, Coopidrogas und Coosalud. Die privaten Kassen bieten eine umfassendere und deutlich bessere Versorgung an als die staatliche Krankenkasse.
Im Juli 2019 verabschiedete die Regierung den Beschluss "Acuerdo de Punto Final", der die Begleichung ausstehender Schulden der Zentralregierung und der Bundesstaaten an die IPS in Höhe von umgerechnet 1,8 Milliarden US$ vorsieht. Nach Auskunft des Krankenhausverbandes ACHC (Asociación Colombiana de Hospitales y Clínicas) kommt die Rückzahlung der Schulden jedoch nur langsam voran.
In Kolumbien werden – ähnlich wie in vielen Schwellenländern – Infektionskrankheiten seltener, während nichtübertragbare Krankheiten zunehmen. Grund dafür sind steigende Einkommen und ein damit einhergehender höherer Konsum von Kalorien, Zucker und Tabak. Nichtübertragbare, chronische Krankheiten machen inzwischen rund 83 Prozent aller Erkrankungen aus. Die häufigsten chronischen Krankheiten sind Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Atemwegserkrankungen, Alzheimer und Depressionen. Übertragbare Krankheiten wie HIV und Tuberkulose spielen jedoch weiterhin eine bedeutende Rolle.
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