Junge Talente entwickeln Kosovo zum Technologie-Hub

"Wir wollen den Standort weiter ausbauen, vor allem unser Engineering-Team", sagt Bardh Lohaj. Er leitet den Standort Kosovo für Deutschlands wertvollstes Start-up, Celonis. Das Münchner Unternehmen hat einen Marktwert von 11 Milliarden US-Dollar. Celonis ist Weltmarktführer und steuert Geschäftsprozesse mithilfe künstlicher Intelligenz. Auch große Konzerne gehören zu den Kunden. Celonis hat 20 Standorte weltweit, auch in Pristina, der Hauptstadt Kosovos.

Bislang ist der Balkanstaat noch nicht für seine aufstrebende Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bekannt. Doch das ändert sich gerade. "Kosovo wird zu einem Technologie-Hub. Die Nachfrage wird immer größer", sagt Darsej Rizaj, Mitgründer des Softwareentwicklers Star Labs aus Pristina.

IKT-Branche befindet sich auf Wachstumskurs

Tatsächlich zieht es immer mehr Leute in den IT-Bereich: Die Zahl der Mitarbeiter hat zwischen 2019 und 2020 um 22 Prozent zugelegt, so der Fachverbands STIKK. Zudem rechnen die Unternehmen mit einem weiteren Anstieg der Mitarbeiterzahlen. Dabei steht die Branche noch an ihrem Anfang. Die meisten Unternehmen wurden erst nach den 2000er-Jahren gegründet.

IKT-Unternehmen setzen auf Exporte

Der Großteil der Unternehmen ist im Bereich der Software- und IT-Dienstleistungen tätig. Dabei arbeiten sie hauptsächlich für den ausländischen Markt. Laut STIKK exportieren über 91 Prozent der Unternehmen ihre Dienstleistungen. Das bestätigt auch Darsej Rizaj: "Wir bieten unsere Software-Dienstleistungen mittlerweile für Firmen weltweit an."

Deutschland liegt dabei an der Spitze der Zielmärkte. Auf den Plätzen dahinter folgen die USA und Kanada sowie die Schweiz. Und das Potenzial ist laut der Unternehmen noch nicht ausgeschöpft. Diese geben an, dass sich das Exportvolumen in die Bundesrepublik in den nächsten Jahren verdreifachen könnte.

Kosovo ist das jüngste Land Europas

Kosovo hat erst 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Rund 70 Prozent der Bevölkerung in Kosovo ist unter 35 Jahre alt. Damit ist Kosovo mit seinen rund 2 Millionen Einwohnern das jüngste Land Europas. Das ist zugleich die Grundlage für den zunehmenden IKT-Boom. "Wir sind seit unserer Gründung abhängig von den Talenten aus Kosovo. Die Möglichkeit von hier aus zu wachsen, war der Schlüssel zu unserem Erfolg. Die neue Generation von Fachleuten ist jung und digital aufgewachsen", sagt Arben Berisha, Geschäftsführer von MetDaan. MetDaan ist mit über 270 Millionen Followern in sozialen Medien einer der größten digitalen Videoverlage der Welt.

Tatsächlich weisen nur wenige Länder eine höhere Zugangsrate zum Internet auf. Rund 96 Prozent der Haushalte haben einen Internetanschluss. Das ist mehr als der Durchschnitt in der Europäischen Union (EU), der bei rund 92 Prozent liegt, so Eurostat.

Schon Kinder lernen programmieren

Neben staatlichen Anbietern gibt es auch private Schulen, die Kindern und Jugendlichen programmieren beibringen. Eine der erfolgreichsten ist die Digital School. Dort können 7- bis 18-Jährige Programmierstunden nehmen. "Wir bringen Schülern verschiedene Programmiersprachen bei und vermitteln die Logik dahinter. So können angehende Entwickler mit jeder Programmiersprache umgehen", sagt die Gründerin Hana Qerimi.

Deutsch-Kosovarische Zusammenarbeit wird weiter zunehmen

Celonis ist nicht das einzige deutsche Unternehmen, das den Standort für sich entdeckt hat. Zuletzt hat Borek Solutions eine Niederlassung im Land eröffnet. Die globale Nachfrage nach IKT-Dienstleistungen und -Lösungen steigt jeden Tag. So könnten weitere deutsche Unternehmen bald folgen. Für sie ist Kosovo ein Markt vor der Haustür. Zudem sprechen rund 15 Prozent der Bevölkerung Deutsch. Die Mehrsprachigkeit war auch für Borek Solutions einer der Hauptgründe.

"Deutsche Unternehmen werden verstärkt mit Unternehmen aus Kosovo und dem gesamten Balkan im IKT-Bereich zusammenarbeiten, um dem rasanten Fortschritt der Digitalisierung nachkommen zu können", sagt Tarek Annan, Geschäftsführer der Beratungsagentur DigiKompass und Experte für die Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen. Nearshoring leiste international agierenden Unternehmen Abhilfe und eröffne die Möglichkeit, kosovarische Entwickler in deutsche Projekten zu integrieren - ohne das Land verlassen zu müssen.

Starkes Ökosystem unterstützt die Entwicklung der Branche

Neben der jungen Bevölkerung punktet das Land mit einem starkem IKT-Ökosystem. In Kosovo seien die Fördermittel und Innovationszentren einer der Hauptgründe für den boomenden IKT-Bereich, so das Magazin Forbes. Und auch aus Deutschland kommt Unterstützung. In Prizren ist mit deutscher Förderung ein Innovations- und Trainingspark (ITP) entstanden. "Über das Digitalzentrum des ITP wird dabei kontinuierlich die Entwicklung eines attraktiven und umfassenden Leistungsangebots speziell für Start-ups und Unternehmen aus dem IKT-Bereich vorangetrieben“, sagt Benjamin Cornils, Digitalisierungsberater im ITP.

Noch einige Hindernisse auf dem Wachstumspfad

Für die jungen kosovarischen Unternehmen gibt es aber noch einige Hindernisse auf dem Weg zu mehr Wachstum. Als häufigstes wird die fehlende Visa-Liberalisierung genannt. Kosovaren können nicht ohne Visum in die EU reisen. Auch Darsej Rizaj von Star Labs nennt das als eines der größten Probleme für die Branche: "Es fehlt uns die Möglichkeit, auch kurzfristig mal beim Kunden sein zu können."

Unternehmen müssen in die Qualifizierung der Angestellten investieren

Trotz der jungen Bevölkerung müssen die Unternehmen in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren. Fast 90 Prozent der Unternehmen bemängeln, laut STIKK keine qualifizierten Arbeitskräfte zu finden. Es müsse in Trainings und Zertifizierungen investiert werden.