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Neue Märkte - Neue Chancen | Westbalkan | Tourismus

Tourismus bietet Investoren noch viele Möglichkeiten

Der Tourismus auf dem Westbalkan bietet Potenzial für weiteres Wachstum, insbesondere nach Abklingen der Coronapandemie.

Von Martin Gaber | Belgrad

Der Westbalkan ist eine Region in Südosteuropa. Er wird umgrenzt von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland. Im Westen bildet das Mittelmeer den natürlichen Abschluss. Von Nordwesten nach Südosten durchzieht das dinarische Gebirge die Region. Im Osten Serbiens beginnt das namensgebende Balkangebirge.

Zum westlichen Balkan gehören die sechs Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien, die auf eine Gesamtgröße von knapp 208.000 Quadratkilometer kommen.

Die sechs Länder sind Beitrittskandidaten oder potenzielle Beitrittskandidaten zur EU. Um den Ländern eine gemeinsame Perspektive zu geben und die Zusammenarbeit untereinander zu stärken, entstand auf einem EU-Gipfel der Terminus technicus "Westbalkan". Die Länder verbindet eine gemeinsame Geschichte. Sie gehörten bis in die 1990er Jahre zu Jugoslawien – mit Ausnahme Albaniens. Insgesamt leben knapp 18 Millionen Menschen auf dem Westbalkan. Das größte Land ist Serbien mit rund 7 Millionen, das kleinste Montenegro mit rund 600.000 Einwohnern.

Westbalkan wächst dynamisch

Heute stellen die sechs Länder in Südosteuropa einen der dynamischsten Wirtschaftsräume Europas dar. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst kräftig, hinkt aber den Ansprüchen eines EU-Beitritts noch hinterher. Wichtigster Handelspartner der Region ist die EU, allen voran Deutschland. Das Handelsvolumen zwischen den sechs Ländern und der Bundesrepublik hat von 2015 bis 2019 nominal um über 50 Prozent zugelegt. Die Erholung des Außenhandels von der Coronazäsur geht schneller vonstatten als erwartet. Das Vorkrisenniveau ist bereits übertroffen.

Werden die Lieferketten vereinfacht, könnte der Westbalkan profitieren. Die Region ist geografisch günstig gelegen, zeichnet sich durch eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur sowie zum Teil durch eine industrielle Basis aus. Daher ist die Region am Nearshoring und Sourcing in Europa beteiligt.

Urlaubsgäste entdecken die Region

Zu einer wichtigen Säule für die Region hat sich der Tourismus entwickelt. Allein von 2010 bis 2019 verdreifachte sich die Zahl der ankommenden Urlaubsgäste aus dem Ausland und stieg auf fast 13 Millionen pro Jahr, so Zahlen der Statistikbehörden. Allen voran sind Albanien und Montenegro Treiber dieser Entwicklung. Sie zeichnen sich mit beeindruckenden Berglandschaften und imposanten Stränden aus. Entsprechend groß ist dort die Abhängigkeit von der Branche.

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Tourismus stützt Albaniens Wirtschaft

Im Gegensatz zu den Ländern des ehemaligen Jugoslawien ist Albanien ein Neuling auf der Karte der Reiseziele. Bis zum Ende der kommunistischen Ära 1990/91 war das Land nahezu von der Außenwelt isoliert. Inbound-Tourismus fand kaum bis gar nicht statt. Erstaunlich war daher der schnelle Wandel hin zu einem beliebten Ziel. Mittlerweile gibt es fast 2.500 Unterkünfte in Albanien, davon 1.500 Hotels. Rund 300 sind 3- bis 5-Sterne-Häuser. Sowohl für nachhaltigen Tourismus in den Bergen und Kulturreisen als auch für Badetourismus bietet das Land zahlreiche Optionen. Vor der Coronakrise hat die Reise- und Tourismusbranche über 20 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgemacht, so Zahlen des Weltforums für Reise und Tourismus (World Travel and Tourism Council, WTTC). Jeder Fünfte war in der Branche beschäftigt.

Anteil Tourismus am Bruttoinlandsprodukt (in Prozent)

Jahr

Albanien

Bosnien-Herzegowina

Kosovo

Montenegro

Nordmazedonien

Serbien

2020

10,6

3,5

k.A.

8,8

3,3

2,8

2019

20,5

9,8

k.A.

30,9

6,6

5,9

Quelle: World Travel and Tourism Council (WTTC)

Montenegro ist auf den Badetourismus ausgerichtet

Noch bedeutender ist die Branche für Montenegro. Der kleine Adriastaat mit seinen rund 600.000 Einwohnern zählte 2019 rund 2,5 Millionen Gäste aus dem Ausland. Knapp ein Drittel des BIPs wurde in dem Jahr von der Branche erwirtschaftet. Ebenso steht die Branche für ein Drittel der Gesamtbeschäftigung im Land, so das WTTC. Die Coronapandemie und damit einhergehende Reisebeschränkungen haben das Land hart getroffen. Die Wirtschaft ist 2020 um rund 15 Prozent eingebrochen und der Sektor leidet nach wie vor. Die Einnahmen durch ausländische Gäste sind von 1,3 Milliarden US-Dollar auf 241 Millionen zurückgegangen.

Montenegros Küste präsentiert sich als Premiumdestination. Luxushotels und Jachthäfen sind entstanden. Der letzte Feinschliff muss aber noch erfolgen.

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Politische Diskussionen schwächen Bosnien und Herzegowina

Nordwestlich von Montenegro liegt Bosnien und Herzegowina. Das Land wird vor allem mit den Balkankriegen der 1990er Jahre assoziiert. Noch heute ist der Balkanstaat in zwei Entitäten geteilt, die Republik Srpska und die Föderation Bosnien und Herzegowina. Hinzu kommt der Sonderdistrikt Brčko. Spannungen zwischen den beiden Entitäten und Abspaltungsdrohungen gibt es immer wieder. Das spiegelt sich auch im Tourismus wider – eine einheitliche Strategie gibt es derzeit nicht. So wird es dem Land auch weiterhin schwerfallen, seinen Platz auf der Tourismuslandkarte zu finden.

Dabei bietet das Land am Treffpunkt von Orient und Okzident eine Vielzahl an Kultur- und Naturhighlights. Die rund 10 Kilometer lange Mittelmeerküste bei Neum ist vor allem Anziehungspunkt für inländische Touristen.

Wirtschaftsfaktor nachhaltiger Tourismus

Nachhaltiger Tourismus in Entwicklungs- und Schwellenländern trägt vielfältig zur Entwicklung vor Ort bei: Er schafft unterschiedlichste Arbeitsplätze und bietet dem Staat durch Steuern neue Einnahmequellen. Diese wiederum können in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden. Auch unter Schutz gestellte Natur- und Kulturstätten profitieren von nachhaltig gestaltetem Tourismus. So zielt dieser direkt auf verschiedene Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) ab. Im Branchendialog "Tourismus für nachhaltige Entwicklung“ kommen Politik, Tourismuswirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen.

Auf Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Bundesverbands der deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) erarbeitet die Gruppe Lösungen für touristische Zielregionen, um so die Potenziale des Tourismus für eine nachhaltige Entwicklung auszuschöpfen.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Gäste in Serbien besuchen vor allem Belgrad

Im Nachbarland Serbien sind vor allem die Hauptstadt Belgrad und das direkte Umland ein Magnet für den Tourismus. Rund 1 Million und damit knapp 60 Prozent der ankommenden ausländischen Gäste zog es 2019 in die Metropole, so die serbische Statistikbehörde. Im Jahr 2022 wird aber auch die Stadt Novi Sad Akzente setzen. Die Hauptstadt der autonomen Provinz Vojvodina ist dann europäische Kulturhauptstadt und bietet ein attraktives Rahmenprogramm.

Entlang der Donau sowie in den Bereichen Wellness und Outdoor hat das größte Land auf dem Westbalkan noch jede Menge Potenzial. Auch im Bereich Kultur gibt es viel zu entdecken: So stammten 18 römische Kaiser aus Serbien.

Nordmazedonien bietet neue Angebote

Nordmazedonien und seine rund 2 Millionen Einwohner schafften es 2020 unter die Top 3-Urlaubsländer des Fachverlags Lonely Planet. Ob die Hauptstadt Skopje dazu beigetragen hat, ist fraglich. Im Zuge des Plans "Skopje 2014" wurde die Stadt architektonisch umgekrempelt. Überdimensionierte Heldenstatuen, Denkmäler und Gebäude haben das Bild der Stadt am Fluss Vardar verändert. Dabei steht Nordmazedonien, wie die gesamte Region, für kulturelle Vielfalt, beeindruckende Natur und historische Städte. Mit dem High Scardus Trail führt ein neuer Fernwanderweg in das Land. Mit lediglich 760.000 ausländischen Gästen im Jahr 2019 hat das Land sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Kosovo ist größtenteils unentdeckt

Bislang zieht es kaum Gäste aus dem Ausland in Europas jüngsten Staat Kosovo. Das Land erklärte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien. Noch heute ist der Konflikt mit dem Nachbarn aber ungelöst. Auch in der EU erkennen nicht alle Mitgliedsstaaten Kosovo an. Für die Entwicklung des Tourismus ist das nicht die beste Ausgangslage. So haben 2019 nur knapp 180.000 ausländische Urlaubsgäste Kosovo besucht. Abseits der Hauptstadt Pristina bieten sich allerdings viele Möglichkeiten für Outdoor-Begeisterte. Neben dem neuen High Scardus Trail führt auch der bekannte Peaks of the Balkans durch das Land.

Gemeinsame Strategie fehlt noch

Die sechs Westbalkanländer haben noch keine gemeinsame Tourismusstrategie. Idealerweise gibt es nationale Pläne. Wie in Bosnien und Herzegowina ist aber selbst das nicht immer der Fall. Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH unterstützt bei grenzüberschreitenden Projekten. Zudem fördert der Regional Cooperation Council (RCC) einen Westbalkanansatz. Mit EU-Förderung setzt der RCC ein Projekt zur Entwicklung des Tourismus in allen sechs Ländern um. Ziel ist die Entstehung von gemeinsamen und international wettbewerbsfähigen Angeboten im Bereich Kultur- und Abenteuer-/Outdoortourismus. Diese sollen mehr Urlaubsgäste in die Region locken, ihren Aufenthalt verlängern und so mehr Einnahmen und Beschäftigung schaffen.

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