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Special Kuba Coronavirus
In gesundheitlicher Hinsicht meistert das Land die Krise vorbildhaft. Wirtschaftlich ist der Weg zur Erholung jedoch weit. (Stand: 17. Juli 2020)
Von Florian Steinmeyer | Mexiko-Stadt
Kuba hat die gesundheitlichen Herausforderungen der Coronakrise weltweit mit am besten bewältigt. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen konnte auf ein Minimum reduziert werden: In der ersten Junihälfte kamen nur rund 100 Ansteckungen hinzu. Auch die Zahl der Todesopfer liegt mit knapp 0,8 pro 100.000 Einwohner weit unter den Werten in anderen Ländern der Region. Im Kampf gegen Corona kam dem Land zu Gute, dass es früh auf das Virus reagierte. Bereits im Februar wurde medizinisches Personal geschult. Im März erfolgte dann ein weitgehender Lockdown, der auch die Schließung des wichtigen Tourismusindustrie umfasste.
Seit dem 24. Juni fährt die Regierung den Sektor wieder hoch. Am 1. Juli öffneten zahlreiche Hotels ihre Pforten und Fluglinien nahmen Verbindungen nach Havanna wieder auf. Prognosen zufolge werden 2020 aber nur 1,3 Millionen ausländische Touristen das Land besuchen - ein Minus von rund 70 Prozent gegenüber 2019. Auch 2021 werden die Besucherzahlen voraussichtlich nicht an das Niveau von 2019 anknüpfen können. Der voraussichtlich starke Einbruch ist zum einen darauf zurückzuführen, dass der Sektor nur mit beschränkten Kapazitäten operieren darf und weiterhin zahlreiche Hygienemaßnahmen beachtet werden müssen.
Zum anderen werden viele potenzielle Gäste auch über die akute Coronaphase hinaus Vorbehalte gegenüber Auslandsreisen haben beziehungsweise sich angesichts von Einnahmeausfällen keine längere Reise leisten können. Unter den niedrigen Gästezahlen leidet auch Kubas Industrie, da viele im Land hergestellte Produkte für den Fremdenverkehr bestimmt sind.
Bereits 2019 beschränkte die US-Regierung in mehreren Schritten die Reisemöglichkeiten von US-Amerikanern auf die Karibikinsel. Dadurch war der Tourismussektor schon vor der Coronapandemie unter Druck geraten. Ursprünglich ging die kubanische Regierung davon aus, dass die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr 2019 erstmals die Marke von 3 Milliarden US-Dollar (US$) übersteigen. Auch wenn noch keine abschließenden Daten vorliegen, dürfte dieses Ziel angesichts der um rund 9 Prozent geringeren Besucherzahlen im Vergleich zu 2018 verfehlt worden sein.
Das Analyseunternehmen Economist Intelligence Unit geht aufgrund des Einbruchs davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 um 8,3 Prozent schrumpfen wird. Dies führt dazu, dass sich Kubas Zahlungsmoral voraussichtlich weiter verschlechtert. Bereits seit 2018 blieben die staatlich kontrollierten Unternehmen vielfach Zahlungen an ausländische Lieferanten schuldig. Das führte unter anderem dazu, dass keine Hermes-Bürgschaften für Exporte an den Inselstaat mehr vergeben werden. Die Reserven in Fremdwährung schmelzen weiter zusammen und liegen 2020 Prognosen zufolge mit rund 8,3 Milliarden US$ um 15 Prozent niedriger als im Vorjahr.
Im Mai fragte die Regierung bei den Gläubigern des Pariser Clubs ein Moratorium für die von 2019 bis 2021 fälligen Rückzahlungen von Krediten an. Ende Juni wurde dem Land ein einjähriger Aufschub gewährt. 2021 soll der künftige Schuldendienst erneut verhandelt werden. Im kommenden Jahr wird sich die Wirtschaft voraussichtlich zwar wieder erholen, für das BIP prognostiziert die EIU jedoch unter anderem aufgrund des weiterhin schwachen Fremdenverkehrs nur ein Plus von 2,3 Prozent. Die Verluste aus dem laufenden Jahr können also voraussichtlich bei Weitem nicht ausgeglichen werden. Aufgrund der weiterhin negativen Handelsbilanz werden die Währungsreserven den Voraussagen zufolge auf 7,3 Milliarden US$ abschmelzen.
Zusätzlich zur Coronakrise hatten weite Teile Kubas im Frühjahr mit einer Dürre zu kämpfen. Der Monat März gilt als der trockenste seit dem Jahr 1961. Dadurch verringert sich zum einen die landwirtschaftliche Produktion und der Importbedarf an Nahrungsmitteln steigt. Zum anderen nahm der Stromverbrauch infolge des heißen Wetters zu.
Angesichts der schwierigen Situation muss die Regierung Ausgaben kürzen. Wirtschaftsminister Alejandro Gil kündigte Anfang Mai an, dass Investitionen in derzeit laufende sowie geplante Projekte vorerst ausgesetzt werden. Vielmehr sei es wichtig, die Ressourcen in die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln, Energie und Wasser umzuleiten. Auch von der aufkommenden Privatwirtschaft gehen derzeit kaum Impulse aus, da viele Selbstständige im Tourismus tätig sind.
So düster die Aussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind: Langfristig kann die Coronakrise auch Chancen bieten. „Die Entsendung von medizinischem Fachpersonal ins Ausland könnte angesichts der derzeitigen Situation neuen Schwung bekommen“, sagt Gunther Neubert, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Kuba. Ende Mai gab das kubanische Außenministerium bekannt, dass 2.300 Fachkräfte in 24 Ländern weltweit in der Behandlung von Coronapatienten tätig sind.
Die Regierung versuchte bereits vor Ausbruch des Coronavirus das Programm auf mehr Länder auszudehnen, nachdem die Entsendung nach Venezuela und Brasilien – und damit die Deviseneinnahmen – in den letzten Jahren zurückgegangen waren. „Auch Deutschland steht angesichts des hiesigen Fachkräftemangels im Pflegebereich auf der Liste potenzieller Zielländer“, berichtet Gunther Neubert.
2018 brachten die Entsendungen dem kubanischen Staat Devisen in Höhe von 6,4 Milliarden US$ ein. Kritiker geben zu bedenken, dass die entsandten Fachkräfte nur rund 25 Prozent des Gehalts behalten dürfen – der Rest geht an den kubanischen Staat. Die Regierung hält dem entgegen, dass die Ausbildung im Land kostenlos sei und die Löhne der Entsandtkräfte wesentlich höher liegen, als wenn sie in Kuba tätig wären. Zudem werde das Programm in einigen armen Ländern komplett von kubanischer Seite bezahlt.