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Wirtschaftsumfeld | Lateinamerika | Lieferketten

Chinas Fußabdruck in Lateinamerika wird noch größer

Die Volksrepublik weitet ihre Präsenz in der Region aus. Dabei geht es nicht nur um Handel und Investitionen, sondern immer mehr auch um geostrategische Interessen.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Der Handel zwischen China und den Staaten in Lateinamerika wächst rasant. Von 2020 bis 2030 soll er sich verdoppeln, prognostiziert das Weltwirtschaftsforum. Schon zwischen 2000 und 2020 war der Austausch um das 26-fache gestiegen, wenn auch von sehr niedrigem Niveau kommend.

Für fünf Länder in der Region ist China bereits zum bedeutendsten Außenhandelspartner avanciert: Brasilien, Chile, Uruguay, Peru und neuerdings auch Panama. In vielen weiteren Ländern hat die Volksrepublik stark an Boden gut gemacht. Nach einer Prognose des Weltwirtschaftsforums könnte 2035 ein Viertel des Außenhandels der Region auf China entfallen. Im Jahr 2000 waren es weniger als 2 Prozent.

China kauft gezielt Nahrungsmittel und Rohstoffe und setzt Industrieprodukte ab

Kritiker bemängeln, dass China in Lateinamerika vor allem Rohstoffe und Lebensmittel einkauft, was wenig für die heimische Wertschöpfung einbringt.

  • in Brasilien beispielsweise stehen Soja, Eisenerz, Rohöl und Rindfleisch ganz oben auf der chinesischen Einkaufsliste;
  • in Peru sind es Kupfer, Fleisch und Fisch;
  • die chilenischen Exporte nach China bestehen zu rund 85 Prozent aus Bergbauprodukten (vor allem Kupfer) und
  • die Ausfuhren Uruguays zu fast zwei Dritteln aus Rindfleisch.

In umgekehrte Richtung differenziert sich die Exportpalette dagegen aus: Südamerikanische Verbraucherinnen und Verbraucher haben nicht nur immer mehr Kleidung oder Schuhe "Made in China" im Schrank, sondern freuen sich zudem über günstige PCs und Handys von Huawei oder Lenovo, während über die Straßen immer mehr Autos chinesischer Provenienz rollen.

China konkurriert mit den USA

Klar ist: China kann nicht nur billig. Deshalb wird es absehbar nicht nur zur Konkurrenz für die lokale Wirtschaft. Auch innerhalb des Wirtschaftsraums Mercosur, zu dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zählen, wächst der chinesische Fußabdruck.

So liegen in Argentinien die Importe aus China inzwischen über denen Brasiliens (Anteil Chinas 2021: 21,4 Prozent; Brasiliens: 19,6 Prozent). Noch vor zehn Jahren war das Verhältnis anders herum (China: 14,3 Prozent; Brasilien: 30 Prozent). Die wachsende Konkurrenz spüren auch deutsche Anbieter, die großen Verlierer sind jedoch die US-Firmen.

Waren die Vereinigten Staaten 2000 noch in 14 der 17 Länder Lateinamerikas (ohne Karibik) wichtigster Handelspartner, so ist diese Zahl zwanzig Jahre später auf acht geschrumpft. Nicht mehr dabei ist insbesondere Brasilien, die größte Volkswirtschaft der Region. Dass diese Entwicklung nicht nur eine kommerzielle, sondern auch eine geopolitische Dimension hat, liegt auf der Hand. Das mangelnde Interesse der USA habe ein Vakuum geschaffen, das China allmählich fülle, analysiert etwa der Kreditversicherer COFACE.

Chinas Seidenstraße reicht bis nach Lateinamerika

Dies zeigt sich im Kleinen wie im Großen. In Chile beispielsweise ist der Posten des amerikanischen Botschafters schon seit mehreren Jahren vakant, während sein chinesischer Kollege in den Medien des Landes regelmäßig Präsenz zeigt. Laut dem Think Tank Wilson Center haben inzwischen 19 lateinamerikanische Staaten eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) über den Beitritt zur chinesischen Neuen-Seidenstraßen-Initiative unterschrieben, zuletzt der argentinische Staatschef Fernández zu Beginn des Jahres 2022.

Pressemeldungen zufolge will China in den nächsten Jahren 23 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur des wirtschaftlich klammen Landes investieren; unter anderem soll mit chinesischer Hilfe das vierte Atomkraftwerk Argentiniens (Atucha III) gebaut werden. Von den größeren lateinamerikanischen Staaten haben allein Mexiko, Brasilien und Kolumbien noch kein Abkommen im Rahmen der Belt and Road-Initiative mit China geschlossen.

Tatsächlich verfolgt China in Lateinamerika verschiedene Interessen: Abgesehen von der steten Suche nach neuen Exportmärkten steht seit etwa zwanzig Jahren die Sicherung der Rohstoff- und Nahrungsmittelversorgung der wachsenden chinesischen Volkswirtschaft im Fokus. Darüber hinaus gewinnt Lateinamerika zunehmend an geostrategischer Bedeutung. Wie das Berliner Forschungsinstitut MERICS (Mercator Institute for China Studies) in einer Studie von März 2022 analysierte, sieht China Lateinamerika gemeinsam mit Südostasien und Afrika als Schauplatz für den Kampf um die weltweite Vorherrschaft zwischen dem Reich der Mitte und den USA.

Wirtschaftsversprechen gegen politische Konzessionen

Das chinesische Außenministerium verfasste unlängst einen Plan für gemeinsame Aktionen für 2022 bis 2024. Er umschließt neben Handel auch die Themen Verteidigung, Finanzen, öffentliches Gesundheitswesen und kulturellen Austausch – und dies nicht nur für Länder, mit denen China diplomatische Beziehungen unterhält.

Besonders umworben werden diejenigen, die nach wie vor Taiwan diplomatisch anerkennen – und dies mit Erfolg. Erst Ende 2021 verkündete der Präsident von El Salvador den Bruch mit Taiwan und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Volksrepublik China. Zuvor hatte China dem Land den Bau eines Fußballstadions für 50.000 Zuschauer versprochen. Laut Enrique Dussel Peters, Leiter des Centro de Estudios China-México (Cechimex), sind Details zur Finanzierung dieser "Freundschaftsgabe" jedoch bislang nicht publiziert. Ebenfalls Ende 2021 hatte Nicaragua die Seiten gewechselt. Gegenwärtig unterhalten nur noch 14, meist kleinere Länder, darunter der Vatikan, diplomatische Beziehungen mit Taiwan. In der Region Zentral- und Südamerika sind dies Guatemala, Honduras und Paraguay.

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