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Wirtschaftsumfeld | Lateinamerika | Nachhaltigkeit
Die Integration in globale Wertschöpfungsketten soll die Region nach der Corona-Pandemie auf den Wachstumspfad zurückbringen. Die Bank unterstützt dabei mit Krediten.
26.03.2021
Von Martin Walter | Bonn
Die Corona-Pandemie hat die soziale Krise der Region weiter verschärft. Lateinamerika und die Karibik erlebten 2020 mit -7,4 Prozent den größten wirtschaftlichen Einbruch der Neuzeit. Rund 26 Millionen Arbeitsplätze gingen verloren. Wie der Aufschwung nach Corona gelingen kann und welche Ansätze für die zukünftige nachhaltige Entwicklung der Region vonnöten sind, stand im Mittelpunkt der Jahrestagung der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank (IDB). Am Tagungsort Barranquilla in Kolumbien traf sich vom 17. bis 21. März 2021 ein kleiner Kreis des Managements der Bank mit den Vertretern der 48 Mitgliedsländer, die dem Treffen virtuell zugeschaltet waren.
Die IDB ist die größte Entwicklungsbank in Lateinamerika und der Karibik und hat in den letzten 15 Jahren 151 Milliarden US-Dollar (US$) in Entwicklungsvorhaben investiert. Im Corona-Jahr 2020 mobilisierte die IDB-Gruppe 24 Milliarden US$ zur Unterstützung der Region. Die IDB-Gruppe umfasst die Entwicklungsbank, die Ressourcen und Finanzierungen für den öffentlichen Sektor bereitstellt, sowie IDB Invest, die auf Operationen mit dem Privatsektor ausgerichtet ist. Ebenso dazu gehört IDB Lab zur Finanzierung von Start-ups und zur Entwicklung digitaler Lösungen.
In seiner Eröffnungsrede stellte der neue IDB-Präsident Mauricio Claver-Carone die Strategie der Bank, „Vision 2025, Reinvest in the Americas“, für die nächsten fünf Jahre vor. Elemente, die Claver-Carone besonders betonte, sind die bessere Integration der Region in globale Wertschöpfungsketten, digitale Transformation, der Schutz und die nachhaltige Nutzung des Amazonas-Regenwaldes sowie die berufliche Qualifizierung von Frauen.
Bei den Wertschöpfungsketten wies Claver-Carone auf das große Potential beim Ausbau der globalen Elektromobilität hin. Für die Batterien wird Lithium benötigt. Rund die Hälfte der weltweiten Reserven des gefragten Rohstoffes befindet sich in Chile, Argentinien und Bolivien. Diesen Ländern bietet sich die Möglichkeit, Batterievorprodukte oder Energiespeichertechnologie auch lokal zu entwickeln.
Um die stärkere Integration der Region in die Weltwirtschaft ging es auch bei der Diskussionsrunde „Build the Americas: Infrastructure Linkages for Economic Recovery“. Lateinamerika und die Karibik haben nur eine geringe Beteiligung an globalen Wertschöpfungsketten. Das Wirtschaftsmodell beruht immer noch stark auf dem Export von Rohstoffen. Andere Länder importieren mehr Rohstoffe sowie weitere Vorprodukte und verarbeiten diese mit einer höheren lokalen Wertschöpfung weiter. Der Anteil ausländischer Wertschöpfung an den Exporten Lateinamerikas und der Karibik lag in den letzten 30 Jahren zwischen 18 und 19 Prozent, verglichen mit 33 Prozent für Asien und 43 Prozent für die Länder der Europäischen Union.
Nach IDB-Schätzungen kann die Region allein durch die Stärkung der lokalen Wertschöpfungsketten ihre Exporte in die USA um rund 70 Milliarden US$ pro Jahr steigern. Besonderes Potenzial sieht die Bank in Sektoren wie Textilien, medizinische Produkte und Automobilbau. IDB-Präsident Claver-Carone sagte dazu: „Lateinamerika und die Karibik müssen eine stärkere regionale Integration anstreben, die es ihnen dann ermöglicht, sich effizienter in die Weltwirtschaft einzubringen". Die IDB-Gruppe wird gezielt in diesen Ausbau investieren und die Digitalisierung vorantreiben.
Der Start der Initiative erfolgte durch Claver-Carone während einer Veranstaltung über öffentliche und private Investitionsmöglichkeiten in den Ländern des Amazonasgebiets. Die Initiative, die von der IDB mit 20 Millionen US$ Startkapital ausgestattet wird, soll in enger Abstimmung mit den Amazonasländern umgesetzt werden. Ziel ist die Förderung inklusiver und nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten. Durch den Einsatz innovativer Finanzinstrumente sollen mehr nachhaltige Investitionen in die Amazonas-Region zum Schutz der Waldbestände und der Biodiversität gelenkt werden. Die IDB wird dazu mit Partnern aus dem Privatsektor, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Fonds wie dem Green Climate Fund (GCF) und der Global Environmental Facility (GEF) zusammenarbeiten.
Mit der Initiative unterstreicht die IDB ihre Bemühungen um eine grünere Ausrichtung. Bereits Ende 2020 hatte die Bank neue Umwelt- und Sozialstandards eingeführt. Die europäischen Anteilseigner betonten im weiteren Verlauf der Tagung die Notwendigkeit, die Aktivitäten der Bank bis spätestens Ende 2023 konsequent an den Pariser Klimazielen und den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen auszurichten.
Claver-Carone nutzte die Jahrestagung ebenfalls für die Vorstellung des Programms "Women Growing Together in the Americas". Die COVID-19-Pandemie hat die Herausforderungen, mit denen Unternehmerinnen bereits konfrontiert waren, noch vergrößert. Das Programm unterstützt sie bei der Nutzung und Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien, bei der Verbesserung des Finanzmanagements und bietet ihnen Zugang zu Finanzmitteln. Dazu kooperiert die Bank mit Unternehmen aus der Privatwirtschaft wie Accenture, Facebook, Mastercard, NEC, Visa und Walmart. Jessica Bedoya, Stabschefin und Executive Advisor des Präsidialbüros der IDB, sagte dazu: „Bei der IDB glauben wir, dass es von entscheidender Bedeutung ist, von Frauen geführte oder in ihrem Besitz befindliche KKMU in Lateinamerika und der Karibik zu stärken“.
Die Anteilseigner stimmten dem vorgestellten Fünfjahresprogramm der Bank zu und ebneten damit den Weg für die Prüfung einer möglichen Kapitalerhöhung. Ausgestattet mit mehr Finanzmitteln und dank ihrer technischen und regionalen Kenntnisse kann die Bank einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung von Lateinamerika und der Karibik leisten.