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Die Städte in Lateinamerika wachsen. Bis 2050 wird die Urbanisierungsrate auf 90 Prozent ansteigen. Große Geber investieren bisher nur unzureichend in die Abfallentsorgung.
30.03.2020
Von Martin Walter | Bonn
In Lateinamerika und der Karibik lebt aktuell 80 Prozent der Gesamtbevölkerung von 650 Millionen Menschen in Städten. Allein in den sieben größten Metropolregionen wohnen 100 Millionen Menschen auf engstem Raum zusammen. Metropolregionen wie Sao Paulo im Süden von Brasilien oder Mexiko-Stadt sind mit je 22 Millionen Einwohnern die größten Ballungszentren Lateinamerikas.
In den letzten 20 Jahren hat sich in Lateinamerika eine relativ große Mittelschicht entwickelt. Konsum- und Verhaltensmuster anderer westlicher Großstädte wurden dabei kopiert. Dies stellt die großen Ballungszentren und andere Großstädte vor erhebliche Herausforderungen: Riesige Abfallmengen, Luftverschmutzung, eine unzureichende Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie ineffiziente und klimaschädliche Mobilität sind die größten Probleme, welche zu lösen sind.
Für GreenTech „Made in Germany“ ergeben sich besondere Möglichkeiten, einen Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität in diesen Ballungszentren zu leisten. Durch das Pariser Klimaschutzabkommen, die Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) und den „Green Deal“ der EU-Kommission haben die „grünen Märkte“ weltweit ein enormes Wachstumspotential. Treibhausgase müssen gesenkt und Ressourcen effizienter genutzt werden. Die Unternehmensberatung Roland Berger geht weltweit von einem durchschnittlichen Wachstum der Umwelttechnologien von 6,9 Prozent pro Jahr bis 2025 aus.
Die Großstädte in Lateinamerika und der Karibik sind schnell gewachsen und der Ausbau von Infrastruktur für die Abfallentsorgung konnte mit dem Wachstum nicht mithalten. Hinzu kommt das wenig ausgeprägte Umweltbewusstsein vieler Menschen in Lateinamerika und der Karibik. Nur den wenigsten ist hier bewusst, dass Abfall zu wertvollen Recyclingrohstoffen verarbeitet werden kann und dass die großen Abfallmengen die Umwelt und Gesundheit massiv gefährden. Ein Gegensteuern der nationalen Regierungen hat nur langsam begonnen. Ein erstes Abfallgesetz wurde 2010 in Brasilien verabschiedet. Weitere Länder wie Chile, Peru und Kolumbien folgten. Die Umsetzung dieser Gesetze kommt aber nur schleppend voran.
Generell haben große Geber wie die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB), die Weltbank und die Europäische Union (EU) Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft als Themen entdeckt und auch entsprechende Konzept- und Strategiepapiere vorgelegt. Großvolumige Investitionen gehen aber eher in Sektoren wie Energie, Transport sowie Wasser und Abwasser. Das Thema Müll ist nicht attraktiv und Abfallmanagement und Recycling werden von den Gebern nicht priorisiert. Zahlen zu diesem Thema sind nicht direkt einsehbar. Der Bereich wird in weiter gefassten Sektoren wie Urban Development oder Umwelt verortet. Das liegt auch am fehlenden Willen der Kommunen. Aufgrund des geringen Umweltbewusstseins und der Nutzung illegaler Halden fehlt zum einen der politische Druck durch die Bevölkerung. Zum anderen leben in Lateinamerika und der Karibik viele Menschen buchstäblich vom Müll. Durch das Sammeln und den Weiterverkauf von wiederverwertbaren Stoffen wie Aludosen und Plastikflaschen finden ganze Bevölkerungsschichten ein Einkommen. Sollten die Kommunen hier zu viel automatisieren, würden die Müllsammler protestieren.
Bereits im Jahr 2011 wurde von der IDB die Emerging and Sustainable Cities Initiative (ESCI) ins Leben gerufen. Als Wissensplattform zum Austausch zwischen den Kommunen gibt es das IDB Cities Network, dem aktuell mehr als 160 Städte angehören. Ebenfalls wurde von der IDB eine Regionale Recycling Initiative (IRR) in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft gestartet. Laut Geschäftsbericht hat die IDB im Jahr 2018 insgesamt 6,2 Milliarden US-Dollar an Krediten für die Bereiche Infrastruktur und Umwelt zugesagt. Im Bereich Abfallmanagement erhielt die größte Zusage ein Projekt zur Verbesserung der Abfallentsorgung in Haiti mit 33,5 Millionen US-Dollar. Die Weltbank hat zum Beispiel in Argentinien zwischen 2007 und 2015 in die Verbesserung des Abfallmanagements 40 Million US-Dollar investiert.
Im Bereich des Abfallmanagements werden immer mehr Initiativen zur Schaffung von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) gefördert. Für Anreize sorgen die gesetzlichen Vorgaben. So schreibt das Abfallgesetz in Chile aus dem Jahr 2016 eine Verantwortung der Produzenten vor. Sie müssen Systeme für das Sammeln, die Wiederverwertung und die Entsorgung ihrer Abfälle aufbauen.
Auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit fördert weltweit Initiativen zur Müllreduktion. Im Mai 2019 wurde die Abfall Allianz PREVENT mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) lanciert. Sie dient als Plattform für Austausch und internationale Kooperation zur weltweiten Minimierung von Abfällen und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) setzt im Auftrag des BMZ und der Europäischen Union (EU) ein Sektorvorhaben zur Förderung nachhaltiger Abfall- und Kreislaufwirtschaft um. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) investiert in Partnerländern in die Modernisierung des Abfallmanagements und ist Mitglied in der Clean Oceans Initiative zusammen mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Französischen Entwicklungsbank (AFD).
Für deutsche Firmen im Bereich GreenTech bieten sich Absatzchancen. Dazu ist es wichtig, sich bei den wenigen von Gebern finanzierten Projekten zur Modernisierung des Abfallmanagements schon im Vorfeld mit den relevanten Gebern zu vernetzen und Kontakte zu den Projektträgern, zum Beispiel Stadtverwaltungen und Behörden, aufzubauen.