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Wirtschaftsumfeld | Litauen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Arbeitskräfte in Litauen zu finden, wird nicht einfacher. Es gibt jedoch regionale und branchenspezifische Unterschiede. Neue Investoren sollten zuvor sorgfältig recherchieren. 

Von Niklas Becker | Vilnius

"Industriemitarbeiter ("Blue Collar Workers") in Litauen zu finden, ist kein großes Problem", sagt Visvaldas Kasperavicius, Head Of Plant Quality beim deutschen Automobilzulieferer Hella im litauischen Kaunas. Seit 2018 betreibt das mittlerweile zum französischen Forvia Konzern gehörende Unternehmen seine Produktionsstätte in Litauen. Zum Jahresbeginn 2023 arbeiteten dort rund 350 Beschäftigte. Die Zahl der Mitarbeitenden soll in den kommenden Jahren schrittweise erhöht werden. Wie Kasperavicius berichtet, sollen jährlich rund 100 Arbeitskräfte dazukommen. 

In einigen Branchen fehlen Fachkräfte

Über den Fachkräftemangel im Land zeigt sich der Unternehmer nicht allzu sehr besorgt. Zwar sei es etwas schwieriger, Angestellte ("White Collar Workers") zu finden. Aber auch hier komme es stark auf die gewünschte Spezialisierung an. "Litauen verfügt über viele gute technische Universitäten, sodass die Suche nach Maschinenbauern beispielsweise nicht allzu schwer ist", ergänzt Kasperavicius. Auch Mitarbeitende für administrative Aufgaben wie beispielsweise Spezialisten im Bereich Logistik oder Personal lassen sich weiterhin finden.

Anders sieht es dem Experten zufolge bei Ingenieuren im Bereich Automotive aus. "Die litauische Automobilbranche ist klein, sodass es nur wenig Gelegenheit für die Ausbildung von Arbeitskräften auf diesem Gebiet gibt", sagen Analysten. Der litauische Fachkräftemangel sei also vielmehr ein branchenspezifisches als ein flächendeckendes Problem. 

Allgemeine Arbeitsmarktdaten

Bevölkerung (2022 in Mio.)

2,8

Erwerbspersonen (15 bis 64 Jahre, 2021 in Mio.)

1,4

Arbeitslosenquote, offizielle (November 2022 in %, nach Definition der Internationale Arbeitsorganisation)

5,9

Analphabetenquote (in %)

0

Universitätsabschluss (2021 in %) *

39,8

*) Anteil der 15 bis 64-jährigen Bevölkerung mit einem tertiären BildungsabschlussQuelle: Eurostat 2023; Weltbank 2023

Auch nach Einschätzung von Jurate Nedzinskiene, Chief Executive Officer des Personalmanagement-Dienstleisters Headex Group, weist der litauische Fachkräftemangel sektorale und regionale Unterschiede auf. "Es ist jedoch nicht so, dass wir nicht in der Lage sind, neue Arbeitskräfte zu rekrutieren", fügt die Expertin hinzu. 

Abzuwarten bleibt, wie sich die Situation in Zukunft entwickeln wird. "Der litauische Arbeitsmarkt ist im Umbruch und wir müssen abwarten, was innerhalb des nächsten Jahres passiert", berichtet Valentas Gailius, General Manager beim Personalvermittler HR factory in Litauen. Fest stehe allerdings, dass Beschäftigte einem Jobwechsel zum Jahresbeginn 2023 offener gegenüberstehen als in den vergangenen zwei bis drei Jahren.  

Ansiedlung in der Nähe von Fachhochschulen empfohlen

"Die Zahl der litauischen Arbeitskräfte ist begrenzt", gibt ein großer ausländischer Investor in Litauen zu bedenken. Aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung und der steigenden Zahl neuer Investoren im Land dürfte es dem Unternehmer zufolge schwieriger werden, neue Beschäftigte zu finden. Auch die Zahl der im Ausland lebenden Litauer, die nun zurückkommen, sei nur ein "Tropfen auf dem heißen Stein".

Die Frage, die sich neue Investoren seiner Meinung nach stellen sollten: "Wo sind noch White Spots in Litauen?" Sprich: Wo lassen sich im Land noch Arbeitskräfte finden und an welchen Standorten ist eine neue Investition aufgrund der bereits starken Konkurrenz eher weniger sinnvoll? Insbesondere Mittelständler stehen dem Unternehmer zufolge vor der Herausforderung, für potenzielle Arbeitnehmende interessant zu sein. Speziell in Vilnius konkurriere man mit vielen großen internationalen Playern. Aurelija Maldutyte, Präsidentin des Litauischen Verbands der Personalvermittlungsagenturen (LĮĮA,) empfiehlt, vor einer Ansiedlung zu prüfen, ob Fachhochschulen oder andere Fortbildungseinrichtungen in der Nähe sind. Diese würden die Nachwuchsgewinnung vereinfachen. 

Beschäftigung von Ausländern wird einfacher

Ausländische Fachkräfte spielen auf dem litauischen Arbeitsmarkt bisher nur eine kleine Rolle. "Wir rekrutieren hauptsächlich auf dem lokalen Arbeitsmarkt", erklärt Gailius. "Nur in Ausnahmefällen werben wir Mitarbeitende aus dem Ausland an." Nach Einschätzung des Experten wird die Rolle von ausländischen Fachkräften in Litauen in Zukunft aber an Bedeutung gewinnen. 

Auch die litauische Regierung möchte das Anwerben von Personen aus dem Ausland vereinfachen und hat dafür zum Jahresbeginn 2023 neue Gesetze erlassen. "Vor allem für hochqualifizierte Angestellte wurde der Prozess vereinfacht", sagt Nedzinskiene. Laut Maldutyte sei das jedoch nur der erste Schritt in die richtige Richtung: "Ich wünsche mir, dass es in Litauen einfacher wird, Arbeitnehmer aus dem Ausland zu beschäftigen."

Litauer können mit Sprachkenntnissen glänzen 

Litauen hat in den vergangenen Jahren einen deutlichen Zuwachs von sogenannten Shared Service Centers verzeichnet. Sie übernehmen verschiedene unternehmensinterne Dienstleistungen für Standorte in anderen Ländern oder auch den Kundenkontakt. Deshalb sind Fremdsprachenkenntnisse gefragt. 

"Wie schwer es ist, Mitarbeitende mit Fremdsprachenkenntnissen zu finden, hängt stark von den gewünschten Sprachen ab", berichtet Adomas Milašiūnas, Partner beim Personalvermittler Amston. Arbeitskräfte mit englischen oder polnischen Sprachkenntnissen zu finden, ist laut dem Experten kein Problem. Skandinavische Sprachen sind dagegen schwieriger. "Sie sind nicht so beliebt wie zum Beispiel Polnisch", fügt der Experte hinzu.

Milašiūnas berichtet von einer zunehmenden Nachfrage nach Angestellten mit deutschen oder französischen Sprachkenntnissen. Aufgrund einer steigenden Anzahl neuer Investoren im Land gebe es hier einen größeren Bedarf. Die Suche sei deshalb heutzutage etwas anspruchsvoller. "Es gibt aber immer noch ausreichend talentierte Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt und somit genug Möglichkeiten für neue Unternehmen", sagt Milašiūnas. Für die Suche von 15 deutschsprachigen Angestellten plant er beispielsweise rund zwei Monate ein. Hinzu komme die 20-tägige Kündigungsfrist. 

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