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Branchen | Marokko | E-Commerce

Coronakrise beschleunigt den E-Commerce

Marokkos Onlinehandel wächst zweistellig. Allerdings bremsen noch verschiedene Faktoren die digitalen Transaktionen.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Analog zur weltweiten Entwicklung legte während der Coronapandemie auch in Marokko der E-Commerce zu, bestätigt der Vertriebsverband Fédération Tijara 2020.

Marokkos E-Commerce erreichte laut Statista im Jahr 2020 ein Volumen von 1,12 Milliarden US-Dollar (US$). Im weltweiten Ranking liegt das Königreich auf Rang 57 und damit zwischen Kasachstan und Costa Rica. Im Business-to-Consumer E-Commerce Index 2020 der UNCTAD wird Marokko auf Platz 95 von 152 Ländern geführt.

Für den Fünfjahreszeitraum von 2020 bis 2024 sind im Statista Digital Market Outlook durchschnittliche jährliche Zuwachsraten von etwa 12 Prozent prognostiziert. Im Coronajahr 2020 übertraf das Wachstum mit 39 Prozent die Erwartungen allerdings deutlich.

Unternehmen entdecken Online-Plattformen

Vor allem nutzten zahlreiche Unternehmen die Durststrecke zum Neueinstieg: Von mehr als 1.000 Websites für den elektronischen Handel seien etwa 300 erst im Jahr 2020 an den Start gegangen. Im Jahr 2019, so der Verband, verfügten etwa 65 Prozent der Bevölkerung über einen Zugang zum Internet - die Mehrheit von ihnen über ein Smartphone.

Der größte Player im marokkanischen Onlinehandel war im Jahr 2020 Shein.com. Mit einem Umsatz von rund 22 Millionen US$ ließ das Unternehmen die Konkurrenz deutlich hinter sich. Electroplanet sowie Jumia kamen jeweils auf etwa 7 Millionen US$. Die Umsätze der Elektronikfachmarktkette Electroplanet verzeichneten gegenüber 2019 mehr als eine Verdoppelung.

Nach Kategorien entfielen 33 Prozent der Onlineumsätze auf das Segment Elektro/Media und 26 Prozent auf Mode. Möbel kamen auf 17, Spielwaren, Hobbies und Heimwerkererzeugnisse auf 13 sowie Nahrungsmittel und Körperpflege auf 10 Prozent.

Geht es hingegen nach der Häufigkeit der Einkäufe per Mausklick, so ergibt sich ein anderes Ranking. Einer Statista-Erhebung zufolge gaben 46 Prozent der Befragten an, im Jahr 2020 Bekleidung online erstanden zu haben. In der Kategorie Consumer Electronics war dies lediglich ein Anteil von knapp einem Fünftel. Nur 15 Prozent bejahten dies für Nahrungsmittel, während 20 Prozent bereits in Internetapotheken oder -drogerien zur Kasse gebeten wurden.

Vertrauen in den E-Commerce steigt

Einer Umfrage der Agence Nationale de Réglementation des Télécommunications (ANRT) zufolge ist das Vertrauen der marokkanischen Verbraucher in Onlineanbieter 2020 deutlich gestiegen. Die Telekombehörde befragt jährlich Haushalte und Unternehmen zu Themen der Informations- und Kommunikationstechnologie. Das wachsende Vertrauen hat auch die Zurückhaltung der Kunden gegenüber Onlinezahlungen verringert.

Bei Händlern, die dem Centre monétique interbancaire (CMI) angeschlossen sind, wurden im ersten Halbjahr 2020 rund 6 Millionen Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von knapp 300 Millionen US$ abgewickelt. Eine Studie der Kreditkartengesellschaft Visa bestätigt den Trend. Demnach stieg 2020 die Zahl der Onlinezahlungen mit marokkanischen Karten um 46,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Rund 13,8 Millionen Transaktionen im Gesamtwert von circa 570 Millionen US$ wurden registriert.

Immer mehr Händler haben sich, teilweise durch die Pandemie beeinflusst, erfolgreich im E-Commerce positioniert. Ein Beispiel ist die Supermarktkette Marjane, die innerhalb von vier Monaten nach der Einführung (im Herbst 2020) mehr als 600.000 Downloads ihrer App registrierte. 95 Prozent der Onlineverkäufe laufen Angaben der Marjane Holdings zufolge darüber. Lediglich 5 Prozent der Bestellungen erfolgen über den Besuch auf der Webpage.

M-Commerce überwiegt

Dies unterstreicht die große Bedeutung des M-Commerce - des Onlinehandels per Smartphone - in Marokko. Dies sollten Einsteiger in den Markt durch entsprechende Applikationen berücksichtigen. Der weibliche Anteil bei der Kundschaft liegt bei etwa 46 Prozent. Auch kennzeichnend für den Markt ist der weit verbreitete Einkauf für Dritte, darunter Verwandte und Nachbarn. Marjane wickelt bislang die Onlinebestellungen hauptsächlich über Casablanca ab. Die Aktivitäten in den anderen Städten steigen allerdings rapide. Eine landesweite Abdeckung ist geplant.

Auch beginnen Marokkos Onlineanbieter allmählich, andere Märkte des Kontinents ins Visier zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist Chari, ein junges Start-up-Unternehmen, das Anfang 2020 gegründet wurde. Die Spezialisierung liegt auf B2B-Abwicklungen (Business to business) von traditionellen Ladenbesitzern. Diese sollen über Chari innerhalb von 24 Stunden ihre Verkaufsregale befüllen können. Nach dem rasantem Erfolg der Chari.ma-App im Einführungsmarkt Casablanca will das Unternehmen international expandieren. Dabei steht das frankophone Afrika im Vordergrund. Den Start dafür macht Tunesien.

Informeller Sektor und Fragmentierung des Einzelhandels bremsen die Entwicklung

Trotz der Dynamik sollte der bislang überschaubare Anteil der E-Commerce-Transaktionen jedoch nicht außer Acht gelassen werden: Noch werden im Königreich weniger als 2 Prozent der gesamten Einzelhandelsumsätze über das Internet generiert. Auch im regionalen Vergleich bewerten Experten diese Quote als gering. In der Entwicklung seien beispielsweise Ägypten oder Nigeria weiter.

Verschiedene Faktoren hemmen die Entwicklung. Die Dominanz des informellen Sektors dürfte für die Entwicklung ein Hindernis darstellen. Der sehr fragmentierte und mit Ressourcenmangel belastete Einzelhandel bietet keine günstigen Rahmenbedingungen für den Aufbau von E-Commerce.

Auch größere lokale Unternehmen tun sich mit der Anpassung an den digitalen Handel weiterhin schwer. Allgemein wird der Absatzmarkt mit 36 Millionen Einwohnern und limitierter Kaufkraft als überschaubar bezeichnet. Internationale Investoren zögern daher beim Einstieg in den E-Commerce-Sektor bislang. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn andere afrikanische Länder in die Vertriebsnetze integriert werden.

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