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Branchen I Marokko I Medizintechnik

Der Zugang zum Chancenmarkt bleibt anspruchsvoll

Medizintechnik in Marokko abzusetzen, ist alles andere als ein Selbstläufer. Der wachsende Markt lockt allerdings und wird zusätzlich als Sprungbrett nach Süden gesehen. 

Von Michael Sauermost | Casablanca

Der marokkanische Markt für Medizintechnik soll laut Fitch Solutions (inklusive medizinischer Verbrauchsgüter) bis 2023 ein Volumen von rund 450 Millionen US-Dollar (US$) erreichen. Dieses bewerten ausländische Unternehmen bislang meist als zu gering, um vor Ort in eine Produktionsstätte zu investieren.

Bislang Importe lukrativer als Investitionen

Im Jahr 2020 erreichten die Importe (SITC 774/872) ein Volumen von rund 320 Millionen US$. Das waren 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Deutsche Lieferanten hielten dabei einen Marktanteil von etwa einem Achtel.

Zum Marktführer hat sich in den letzten Jahren China entwickelt. Vorher war dies lediglich bei medizinischen Verbrauchsgütern der Fall. Nun tragen auch technisch hochwertigere Geräte ein chinesisches Logo. Insgesamt kamen knapp 30 Prozent der Brancheneinfuhren 2020 aus dem Reich der Mitte. In Zukunft werden aus Europa vor allem Lieferchancen für Röntgengeräte, MRT- und Ultraschall-Ausrüstung, Überwachungs- und Elektrodiagnosegeräte, ICU-Ausrüstung (Intensive Care Unit) sowie Ausrüstungen inklusive Software für E-Health-Anwendungen erwartet.

Einfuhr wird digitaler und Logistikkapazität wächst

Durch das marokkanische Freihandelsabkommen mit der EU erfolgt die Einfuhr relativ leicht und transparent. Außerdem verfügt das Königreich über hervorragende Umschlagplätze. Als Vorzeigeprojekt in Sachen Logistik gilt der weiter wachsende Hafenkomplex Tanger Med. In Afrika und im Mittelmeerraum hat sich der Umschlagplatz an vorderster Stelle positioniert. Dort werden auch tendenziell weniger Störungen bei der Warenabwicklung registriert als bei anderen Umschlagplätzen in Marokko.

Nicht zuletzt sorgte die Coronapandemie dafür, dass auch bei der Verzollung die Digitalisierung angeschoben wurde. Ende 2020 richtete die Administration des Douanes et Impots Indirects (ADII) ein Online-Portal ein - für mehr Transparenz und eine schnellere Abwicklung. Mit gleichem Ziel kam es zu der Entwicklung der App "Diw@nati". Eine weitere Anwendung, "Bayyan Ly @", soll den Verbraucherschutz erhöhen.

Lokale Produktion wird ausgebaut

Eine weitere Folge der Coronapandemie ist, dass Marokko begonnen hat, eine vorher kaum existierende lokale Fertigung aufzubauen. Zunächst wurden Masken, Arztkittel, Schutzanzüge und Desinfektionsmittel gefertigt. Mit Beatmungsgeräten und Notfallbetten wurde dann ein technisch höheres Niveau erreicht. Zuletzt vereinbarten die ABA Technology Group und das Moroccan Medical & Biomedical Industrial Cluster (MMI) eine Partnerschaft unter der Schirmherrschaft des Industrieministeriums. Dabei geht es um den weiteren Ausbau der lokalen Fertigung, die gezielt gefördert werden soll.

Das MMI Custer arbeitet gemeinsam mit den zuständigen Behörden daran, die Zulassungen zu straffen. Durch eine Quote für lokal hergestellte Güter soll die Produktion in Marokko weiter ausgebaut werden. Ausländische Unternehmen könnten daran gegebenenfalls in Form von Partnerschaften und Know-how-Transfer partizipieren.

Privatsektor ist für Neueinsteiger zugänglicher

Lieferanten stoßen auf zwei Gesundheitsmärkte mit vollständig unterschiedlichen Spielregeln. Für Neueinsteiger ist der dynamische Privatsektor zugänglicher. Der öffentliche Sektor gilt hingegen als wenig transparent. Generell sind dort einige Platzhirsche schon gut positioniert und haben auch bei Ausschreibungen gute Karten.

Positiv wird von Lieferanten bewertet, dass die Genehmigungsverfahren dezentraler werden. Musste früher Lobbyarbeit in Rabat betrieben werden, so haben mittlerweile öffentliche Krankenhäuser mehr Befugnisse, Produkttests durchzuführen.

Partner mit technischem Know-how erforderlich

Ohne einen erfahrenen Partner haben ausländische Unternehmen vor allem zu Beginn schlechte Karten. Für die Registrierungsprozesse, aber auch später bei der Kundenakquirierung und -betreuung muss dieser über das nötige technische Verständnis verfügen. Diese Fachleute zu finden, ist gar nicht so einfach, wie von Newcomern bisweilen vermutet wird. Und auch deren Gehaltsvorstellungen werden von ausländischen Firmen oft unterschätzt.

Unzureichender Versicherungsschutz bremst

Die allgemeine Abdeckung mit Versicherungsschutz bleibt ein Engpassfaktor. Aufwendigere Produkte und Dienstleistungen sind darüber hinaus oft nicht erstattungsfähig. Dies beklagt beispielsweise Houda Toufelaz, Country Managerin von Ottobock. Sie nennt zudem den Registrierungsprozess von medizintechnischen Produkten durch die Direction du Médicament et de la Pharmacie (DMP) als Hürde: "Es kann durchaus sechs bis neun Monate dauern, bis ein Produkt registriert ist und importiert werden darf." Laut Advanced Medical Services (AMS) hindert ebenfalls die Mehrwertsteuer auf medizinische Ausrüstungen Kunden daran, qualitativ hochwertige Geräte anzuschaffen.

Importe von Gebrauchtware nur bedingte Option

Seit 2017 ist die davor florierende Einfuhr von gebrauchter Medizintechnik untersagt. Abgesehen von inoffiziellen Handelswegen, die vor allem für Teile und Komponenten genutzt werden, wurde dieser Handel eingedämmt. Allerdings besteht unter bestimmten Auflagen die Möglichkeit, runderneuerte (refurbished) Geräte zu importieren. Dies setzt jedoch beispielsweise voraus, dass die Aufbereitung durch den Originalhersteller erfolgt. Allerdings ist auch dann die Zulassung nicht garantiert.

Entwicklung für den Afrikahandel noch offen

Ein Blick in die Zukunft ist anspruchsvoll. Die Handelsausrichtung Marokkos in den afrikanischen Raum dürfte zunehmen. Bereits jetzt haben die lokalen Hersteller begonnen, die Lieferung von medizinischen Erzeugnissen Richtung Süden auszubauen. Von Europa aus bietet sich daher die Nutzung dieser, sich etablierender Handelswege an. Allerdings müssten dann die Handelshemmnisse unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen in den jeweiligen Drittländern geprüft werden.

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