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Das Königreich hat seine Pläne für die Importsubstitution ausgebaut. Ausländische Firmen hoffen längerfristig auf Kooperationschancen.
09.03.2021
Von Michael Sauermost | Casablanca
Marokkos Industrie hat während der Covid-19-Krise begonnen, verschiedene Produkte in Eigenregie zu fertigen. Daran waren sowohl der öffentliche als auch der private Sektor beteiligt. Das Industrieministerium steuerte diese Aktivitäten. Was mit Schutzmasken begann, wurde später auf sorgfältig identifizierte Produktgruppen ausgeweitet. Weitere Segmente, die zu 100 Prozent lokal gefertig werden und zugleich internationale Standards einhalten, sollen folgen.
Im Rahmen dieser eingeschlagenen Politik der Importsubstitution kündigte das Industrieministerium im Februar 2021 neue Projekte an. Im Verarbeitenden Gewerbe wurden für 52 Projekte, mit einem Gesamtvolumen von mehr als 400 Millionen Euro, Investitionen vereinbart. Dadurch könnten etwa 12.500 Arbeitsplätze entstehen. Langfristig könnten sie zusätzliche Umsätze von rund 1 Milliarde Euro generieren. Das Importsubstitutionspotential schätzt das Ministerium auf circa 700 Millionen Euro.
Die Investitionsprojekten sind Teil des Plan de Relance Industrielle für die Jahre 2021 bis 2023. Sie betreffen 9 Regionen und verschiedene Sektoren. Knapp ein Viertel der Vorhaben entfällt auf den Textilsektor. Unter anderem geht es dabei um die Herstellung von Matratzen und Schlafzubehör sowie die Herstellung von grob und fein gestrickten Artikeln. Im Chemiesektor wurden 11 Vereinbarungen unterzeichnet. Sie sehen Investitionen in den Bereichen Pharma (Generikaherstellung), organische Chemie (Kosmetika, ätherische Öle, Waschmittel) und Kunststoffe (Beschichtungen) vor.
In der mechanischen und metallurgischen Industrie sind sieben Vorhaben geplant. Dazu gehören der Bau eines metallurgischen Komplexes für Spezialstähle und Industrieanlagen (beispielsweise zur Herstellung von Feuerlöschern, zylindrisch-konischen Straßenlaternen für die öffentliche und städtische Beleuchtung) und einer Recyclinganlage für Kupferabfälle. Weitere sechs Industrieanlagen sind in der Kunststoffindustrie geplant. Dabei geht es unter anderem um die Herstellung sowie das Recycling von Haushaltsgegenständen aus Kunststoff sowie die Produktion von Verschlüssen für Gasflaschen oder Behälter für medizinische Abfälle.
Ebenfalls sechs neue Projekte fallen in den Agrar- und Nahrungsmittelsektor: eine Fabrik zur Fischverarbeitung, Fertigungsanlagen für Cashewnüsse und Mandeln, Couscous sowie Garnelen, Schokolade und Süßwaren. Teilweise soll es sich um integrierte, halbautomatische Einheiten handeln. Weitere fünf Vorhaben betreffen die Baustoffindustrie (beispielsweise die Herstellung von vorgefertigten Betonplatten oder Marmorteilen). Unter den verbleibenden Vereinbarungen entfiel eines auf den Schiffbau.
Im September 2020 startete das Projekt der Importsubstituierung. Die vom Industrieministerium eingerichtete Onlineprojektdatenbank läuft unter der Bezeichnung "War Room". Bislang "lagern" dort mehr als 350 Projekte aus zehn Sektoren mit einem Investitionsvolumen von mehr als 200 Millionen US-Dollar (US$). Das Ziel wurde ursprünglich im Rahmen des Plan de Relance Industrielle 2021-23 auf 500 Projekte im Gesamtvolumen von 34 Milliarden Dirham festgesetzt. Das entsprach zum Umrechnungskurs von Mitte September einer Summe von 3,65 Milliarden US$.
Die ersten Pläne hatten ein Importvolumen von knapp 20 Milliarden US$ identifiziert, das durch Eigenfertigung substituiert werden könnte. Um die Produktion in den identifizierten Schlüsselsektoren hochzufahren, werden Unternehmen drei Jahre lang unterstützt. Auf der einen Seite wird die Importsubstituierung als ein gewisser Grad an Abschottungsstrategie gesehen. Auf der anderen Seite dürften sich durch die Förderung der lokalen Industrie Kooperationsmöglichkeiten für ausländische Unternehmen sowie Chancen für Lieferanten von technischen Ausrüstungen ergeben.
Der Unternehmensverband Confédération Générale des Entreprises du Maroc (CGEM) hofft auf eine wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2021. Fortschritte bei den Covid-19-Impfaktivitäten sollen allgemein für bessere Rahmenbedingungen sorgen. Allerdings weist die CGEM auch auf allgemeine, interne Störfaktoren hin. Die Liquiditätsprobleme der Firmen seien bislang noch nicht ausreichend durch die Unterstützungsprogramme der Regierung abgefedert worden.
Die CGEM hat den informellen Sektor, durch den die marokkanische Wirtschaft weiterhin zum Großteil gesteuert wird, zu einer ihrer Prioritäten für 2021 gemacht. Kleine beziehungsweise informelle Betriebe sollen stärker integriert werden. Dadurch sollen auch illegale Aktivitäten innerhalb des informellen Sektors reduziert werden.
In Bezug auf die versträrkte Produktion in Marokko weist der Unternehmensverband auf die erzielten Fortschritte hin, fordert allerdings zugleich mehr Unterstützung. Dabei geht es vor allem um das Zusammenspiel zwischen öffentlichen Unternehmen und der Industrie. Dort müssten nationale Präferenzen geschaffen werden. Außerdem solle ein "Made in Morocco"-Label das Bewusstsein für lokale Erzeugnisse schärfen.