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Deutsche Wettbewerbsposition | Marokko

Frankreich und Spanien sind Partner und Konkurrenz zugleich

Die Anzahl der Lieferketten zwischen Deutschland und Marokko könnte wachsen. Direkte Geschäfte werden gesucht. Der Umweg über die bisherigen Platzhirsche ist nicht immer notwendig.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Mit etwas mehr als 37 Millionen Einwohnern gilt Marokko zwar als vielversprechender Absatzmarkt. Investitionen mit Blick auf den Binnenmarkt lohnten sich in verschiedenen Sektoren jedoch bislang trotzdem nicht. Angeschoben durch das Freihandelsabkommen mit der EU wurden dagegen vor allem Exportindustrien aufgebaut. Dort, und auch bei größeren Infrastrukturprojekten waren meist französische und spanische Unternehmen aufgrund historischer, kultureller und nicht zuletzt sprachlicher Vorteile federführend.

Für deutsche Wettbewerber dürfte sich allerdings das Spielfeld im Königreich in den kommenden Jahren vergrößern. Durch den zu erwartenden steigenden Handel in Richtung Süden wird sich Marokko zunehmend als strategischer Hub für europäisch-afrikanische Geschäfte etablieren. Dadurch wäre ein Engagement für neue Investoren aus Deutschland attraktiver. Auf der Suche nach Alternativen für die Beschaffung und die Produktion könnte Marokko als attraktiver Nearshoring Standort noch bedeutender werden.

Einen starken Zuwachs deutscher Direktinvestitionen konnte Marokko bereits seit 2015 verzeichnen. Der Bestand der deutschen Direktinvestitionen erhöhte sich nach Angaben der Deutschen Bundesbank von 213 Millionen Euro (2015) auf 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2020. Die Anzahl der vor Ort investierten deutschen Unternehmen stieg auf 93. Die deutsche Wirtschaft investierte vor allem in den Bereichen Automobilbau, Elektronik und Logistik. Diese Branchen dürften auch in den kommenden Jahren wichtig bleiben. Darüber hinaus steht Marokko vor Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung, Energie und Klimawandel. Dort ist deutsches Know-how gefragt.

Marokko auf einen Blick

Marokko importierte im Jahr 2020 laut UN Comtrade Waren im Wert von 44,6 Milliarden US-Dollar (US$), davon stammten 5,3 Prozent aus Deutschland. Destatis zufolge lag das Land auf Rang 52 der wichtigsten deutschen Absatzmärkte.

Marokko exportierte 2020 Waren im Wert von 27,7 Milliarden US$. Davon gingen 3,3 Prozent nach Deutschland - Rang 56 der wichtigsten deutschen Bezugsmärkte.

Laut Angaben der Deutschen Bundesbank waren 2019 insgesamt 87 deutsche Unternehmen in Marokko investiert. Ein Großteil der Unternehmen ist gemäß der AHK Marokko in Casablanca sowie Tanger ansässig. Insgesamt stellen deutsche Firmen etwa 35.000 Arbeitsplätze im Land. Deutsche Unternehmen erwirtschafteten im Königreich einen Umsatz von circa 2,5 Milliarden Euro.

Handelsstatistik sagt nicht alles aus

Lieferungen von Deutschland nach Marokko blieben im Gesamtbild betrachtet in den letzten Jahren und auch Jahrzehnten relativ konstant. Der Anteil an den Gesamtimporten Marokkos war stets im Bereich der 5-Prozent-Marke angesiedelt. Die Konkurrenz aus Frankreich und Spanien hingegen erreichte regelmäßig zweistellige Anteile an den Gesamteinfuhren. Während sich jedoch der Anteil Frankreichs in den vergangenen zwei Jahrzehnten halbierte, konnte Spanien etwa 5 Prozentpunkte dazugewinnen und so zum wichtigsten Importmarkt werden.

Auffällig ist auf der einen Seite die verhältnismäßig schwache asiatische Präsenz in der Importstatistik. Auf der anderen Seite ist jedoch ein kontinuierlicher Anstieg der chinesischen Einfuhren in den Jahren bis 2020 zu beobachten. Bei den Einfuhren "Made in Germany" ist zu berücksichtigen, dass diese teilweise über Partner oder Tochterunternehmen in Frankreich oder Spanien abgewickelt und diesen Ländern daher in der Statistik gutgeschrieben werden. Im Jahr 2022 importierte Marokko aus Deutschland Waren im Wert von 2,2 Milliarden Euro.

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Zulieferungen für die Exportbranchen auch in Zukunft lukrativ

Für deutsche Zulieferer ist der anhaltende Aufbau von Marokkos Exportindustrie wichtig. Denn vor Ort sind Kapitalgüter aus lokaler Fertigung oft nicht erhältlich. Vor allem im Automobilsektor dürfte die Nachfrage in den kommenden Jahren nicht nachlassen. Spannend wird es bei Maschinenimporten bleiben. Hier wird der Großteil über Frankreich und Spanien abgewickelt. Auch Elektrotechnik steht in der Importstatistik oben. Wenn die Einfuhren in den kommenden Jahren in dieser Sparte zurückgehen, könnte dies mit dem Ausbau der lokalen Fertigung zusammenhängen.

Abzuwarten bleibt, ob der bis zur Coronapandemie steigende Anteil Chinas, in den kommenden Jahren weiter wachsen wird. Die Regierung will im Rahmen ihrer Politik der Importsubstitution die lokale Fertigung unterstützen. Dafür werden auch Kapitalgüter benötigt. Der zu erwartende Ausbau der Infrastruktur dürfte ebenfalls weiter Potenzial für deutsche Maschinenlieferungen garantieren.

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Hauptlieferanten wichtiger Produkte (Anteil in Prozent) 1)

Rang

Produkt

2000

2010

2020

Chemische Erzeugnisse 2)

1

Spanien

13,8

12,9

14,5

2

Frankreich

28,1

16,1

12,0

3

China

1,1

2,6

8,4

Maschinen 3)

1

Spanien

10,3

14,4

19,3

2

Frankreich

27,4

22,2

19,2

3

China

1,7

10,6

16,4

Kfz und Kfz-Teile 4)

1

Frankreich

35,2

24,4

21.8

2

Deutschland

10,3

13,7

12,1

3

Spanien

17,8

9,7

12,0

1) Anteile der größten Liefernationen bei den für Deutschland bedeutenden Exportprodukten nach Marokko 2) SITC-Position 5; 3) SITC-Positionen 71 bis 74; 4) SITC-Position 78Quelle: UN Comtrade

In Konkurrenz mit anderen Nearshoring-Standorten

Marokko wird mittlerweile als Beschaffungsmarkt auch für Kapitalgüter stärker wahrgenommen. Hersteller, beispielsweise von Kfz-Teilen oder von Elektrotechnik, die bislang in erster Linie im Königreich die für den Export herstellende Industrie, insbesondere Autos, unterstützten, beliefern mittlerweile zunehmend auch Auslandsmärkte. Das Industrieministerium setzt auf einen weiteren Ausbau der lokalen Fertigung. In Zeiten der Coronapandemie ergaben sich beispielsweise entsprechende Fortschritte im Bereich der Medizintechnik.

Als Nearshoring-Standort für Deutschland konkurriert das Königreich teilweise mit Ländern aus Osteuropa. Besonders attraktiv ist der Hafen- und Industriekomplex Tanger-Med, der nur 15 Kilometer entfernt von Spanien ist. Ein großes Beschaffungsinteresse hat Deutschland bei grünem Wasserstoff. Ein entsprechendes Abkommen zwischen beiden Ländern wurde abgeschlossen.

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