Wirtschaftsumfeld I Marokko I Investitionsklima
Standort Marokko soll besser positioniert werden
Marokko geht offensiv auf Investorensuche. Besonders im Blick sind Märkte außerhalb Europas. Ein neuer Schwerpunkt ist die Digitalisierung
15.02.2022
Von Michael Sauermost | Casablanca
Marokko rührt die Werbetrommel. Denn auch zukünftig ist das Königreich auf ausländische Investitionen angewiesen. Das Ziel lautet: Die beeindruckende Ansiedlung von Exportindustrien soll sich fortsetzen. Mit zwei international ausgerichteten Kampagnen - Morocco Now für die Investorenanwerbung sowie Morocco Tech für die Digitalisierung - unterstreicht die Regierung ihre Ambitionen für die Zukunft. Ein konkretes Konzept wird allerdings bei beiden Initiativen bislang vermisst.
Regierung will mit Morocco Now in die Offensive gehen
Bereits im Herbst 2021 stellte das Königreich auf der Dubai Expo seine Kampagne Morocco Now vor. Dabei handelt es sich um eine aufwendige, globale Marketingkampagne, die das Image Marokkos als Produktionszentrum und als Hub für afrikanische Märkte stärken soll. Nachdem Marokkos industrielle Fertigung inzwischen ein internationales Spitzenniveau erreicht hat, soll dieses noch offensiver vermarktet werden. "Invest in Morocco and export to the world" lautet der Slogan.
Partnersuche nicht nur in der EU
Dabei wird bei der Strategie der Investitionsbehörde Agence Marocaine de Développement des Investissements et des Exportations (AMDIE) eines deutlich: Die internationale Kampagne richtet sich an eine Zielgruppe außerhalb der EU, dem wichtigsten Handelspartner.
Werbung wurde auf dem Burj Khalifa in Dubai und dem Times Square in New York City platziert. Auch in Japan wurde eine größere Kampagne gestartet. Gegenwärtig sind rund 75 Unternehmen Nippons in dem Königreich registriert. Zusammen kommen sie auf rund 49.000 Beschäftigte. Das ist nach Ansicht von AMDIE ausbaufähig. Die Industrie- und Exportfördergesellschaft organisierte ebenfalls zum Jahresende 2021 eine Roadshow mit Treffen potenzieller Investoren in Indien.
Die Kampagne Morocco Now richtet den Fokus auf die Stärken und Wachstumssektoren des Königreichs. Das sind die sechs Exportindustrien Kfz, Luftfahrttechnik, Textilien, Nahrungsmittelverarbeitung, Pharma sowie Informationstechnologie. Ob es noch zu einem konkreten Maßnahmenkatalog kommt, der spezielle Anreize für einzelne Industrien schafft, bleibt abzuwarten.
Gute Rahmenbedingungen haben Investoren angelockt
Unabhängig von neuen Anreizen für Investoren verfügt Marokko jedoch bereits jetzt über günstige Rahmenbedingungen und ein positives Investitionsklima. Das Land hat mit dem industriellen Aufbau in den vergangenen Jahren regional und international Aufmerksamkeit gewonnen. Vor allem der Plan d´Acceleration Industrielle 2014-2020 war von Erfolg gekrönt. Der industrielle Beschleunigungsplan sorgte unter anderem für den Aufbau der Automobilindustrie. Auch Hersteller für Luftfahrttechnik siedelten sich vor Ort an. Allein der Bestand der deutschen Direktinvestitionen versechsfachten sich nach Angaben der Deutschen Bundesbank zwischen 2015 und 2018 von 213 Millionen Euro auf 1,2 Milliarden Euro. Zuletzt hat Marokko von der Weltbank Anerkennung für den Umgang mit der Coronapandemie erhalten. Die lokale Industrie zeigte sich flexibel und die Produktion im Gesundheitswesen wurde aus- und teilweise aufgebaut. Auch eine lokale Impfstofffertigung ist in der Entstehungsphase.
Morocco Tech soll ein digitales Ökosystem schaffen
Eine weitere Kampagne wurde von den wichtigsten Akteuren der marokkanischen Digitalwirtschaft ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um einen öffentlich-privaten Partnerschaftsansatz. Der Name Morocco Tech soll sich als nationale Marke für den marokkanischen Digitalsektor durchsetzen. Es soll sich ausdrücklich nicht nur um eine PR-Kampagne handeln. Des Weiteren wird betont, dass die Initiative international ausgerichtet ist und nicht auf lokale Akteure beschränkt ist.
Nicht zuletzt durch Interaktion mit ausländischen Ökosystemen soll die Position Marokkos als regionaler digitaler Knotenpunkt gestärkt werden. Eine große Herausforderung dabei wird in der notwendigen Partnerschaft zwischen öffentlichem und privatem Sektor gesehen. Allgemein besteht die Notwendigkeit, Humankapital in Bezug auf Technologie und Innovation aufzubauen.
Außerdem soll das Königreich zukünftig in der Lage sein, innovative Technologien vor Ort herzustellen. In Anlehnung an die französische Start-up-Plattform La French Tech soll Morocco Tech auch ein Umfeld für die Entwicklung von Start-ups mit hohem Innovations- und Wachstumspotenzial schaffen. Die Initiative baut auf den vorangegangenen Programmen Maroc Numeric 2013, Maroc Digital 2020 sowie Pacte Maroc Digital 2021 auf.
Am Morocco-Tech-Konzept sind unter anderem das Ministère de la Transition Numérique et de la Réforme de l´Administration, der Branchenverband für Informationstechnologien, Telekommunikation und Offshoring APEBI sowie Agence de Développement du Digital (ADD) beteiligt. Offen bleibt bislang, mit welchen Finanzierungsmechanismen die angestrebte Innovation von Technologieunternehmen und Start-ups bewerkstelligt werden kann. Allgemein werden von Kritikern konkretere Handlungspläne vermisst.
Kritik an bisherigen Digitalisierungsfortschritten
Mit Blick auf die bisherige Entwicklung der marokkanischen Digitalwirtschaft äußerte sich kürzlich der Conseil économique, social et environnemental (CESE) in seiner Veröffentlichung "Vers une transformation digitale responsable et inclusive" außerordentlich kritisch. Der öffentliche Sektor habe bislang die notwendigen Verwaltungsschritte nur zögerlich umgesetzt. Bisweilen handele es sich um eine Einbahnstraße. Der digitale Unterricht an Schulen sei dafür ein Beispiel. Dort werde zaghaft am Angebot gearbeitet, das die Schüler jedoch ohne Förderung nicht wahrnehmen könnten.
In der Industrie seien unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten, die je nach Branche stark variieren. Im Tourismussektor bestünde etwa ein erhebliches Potenzial, die Zusammenarbeit zu verbessern. Eine besondere Herausforderung sei es zudem, dass der informelle Sektor nur schwer einzubinden sei. Im Bereich der Telemedizin erweise sich das Fehlen digitaler Krankenakten als Bremsfaktor.