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Firmen aus dem Ausland verschieben oder kündigen Investitionsvorhaben und Aufträge. Die deutschen Exporte in das Land dürften weiter schrumpfen.
24.03.2021
Von Thomas Hundt | Bangkok
Insgesamt 55 internationale Firmen, die in Myanmar Geschäfte betreiben, haben Anfang März 2021 in einer Erklärung ihre Sorge über die aktuellen Entwicklungen ausgedrückt. Viele haben ihre Aktivitäten vorläufig eingestellt oder ziehen sich ganz zurück. Bekleidungshändler wie H&M und Benetton bestellen keine Waren mehr. Ein japanischer Bierkonzern kündigt sein Gemeinschaftsunternehmen mit einer Firma des Militärs.
Die meisten ausländischen Investitionen flossen allerdings in den Telekommunikationssektor und in die Erdgasförderung. Die Engagements der US-amerikanischen Chevron, der französischen Total oder der PTTEP (PTT Exploration and Production) aus Thailand stehen wegen der Menschrechtsverletzungen und der Vertreibung der Rohingya im Jahr 2017 schon länger unter genauer Beobachtung.
Die Unternehmen betreiben Gemeinschaftsprojekte mit der staatlichen Firma Myanmar Oil and Gas Enterprise (MOGE), die dem Energieministerium untersteht. Gewinne der MOGE werden nicht veröffentlicht, tragen aber erheblich zu den Einnahmen des Staatsapparates bei. Ein Verband ziviler Gesellschaftsgruppen, die Myanmar Alliance for Transparency and Accountability, ruft alle Öl- und Gas-Unternehmen nun auf, ihre Zahlungen an den Staat einzustellen.
Das Militär selbst ist über seine beiden Mischkonzerne Myanmar Economic Holdings und Myanmar Economic Corporation geschäftlich in der Industrie, im Bergbau, in der Finanzwirtschaft und in mehreren Dienstleistungsbereichen sehr aktiv. Die USA belegen einige Firmen dieser Konglomerate nun mit gezielten Sanktionen. Infolgedessen sind Geschäfte mit bestimmten Tochtergesellschaften verboten. Die Sanktionen richten sich ebenfalls gegen einzelne Personen des Militärs.
Die meisten ausländischen Investitionen stammen aus Singapur. In dem Stadtstaat sind viele regionale Firmenzentralen niedergelassen, die auch in Myanmar investiert haben. An zweiter Stelle unter den internationalen Investoren liegt China. Das Reich der Mitte hat seine Engagements in Myanmar in den letzten Jahren stark ausgebaut. Die aktuellen Proteste richten sich nun auch gegen den Einfluss Chinas. Demonstranten haben Mitte März mehrere chinesische Fabriken im Land zerstört und in Brand gesetzt.
Die instabile Lage schreckt zudem Firmen aus Thailand ab. Der Industrieparkbetreiber Amata stoppt sein Immobilienvorhaben Amata Smart and Eco City bei Yangon. Im Dezember 2020 hatte Amata noch den ersten Spatenstich gefeiert. Auch der Konzern TOA Venture Holding aus Bangkok verschiebt den Bau einer neuen Farbenfabrik.
Die myanmarischen Behörden genehmigten von 2016 bis 2020 drei deutsche Investitionen mit einem Gesamtwert von knapp 14 Millionen US-Dollar (US$). Zu den größeren deutschen Engagements zählt das 2019 eröffnete, circa 20 Millionen US$ teure Warenlager der Metro AG, das in der Sonderwirtschaftszone Thilawa bei Yangon liegt. Auch in diesem wichtigen Industriegebiet, das ein myanmarisch-japanisches Joint Venture betreibt, sind die Lieferungen unterbrochen.
Ungefähr 50 deutsche Unternehmen sind in Myanmar registriert. Bei den meisten Niederlassungen handelt es sich um Vertriebsbüros oder Servicegesellschaften. Firmen aus der Bekleidungs- und Sportartikelbranche haben zudem Sourcingfirmen vor Ort gegründet.
Die deutschen Exporte nach Myanmar sind überschaubar und beliefen sich 2020 auf 133 Millionen Euro. Wegen der Covid-19-Krise gingen sie um 12 Prozent gegenüber 2019 zurück.
Wichtigste deutsche Ausfuhrgüter sind Maschinen und chemische Erzeugnisse. Die große Unsicherheit nach dem Militärputsch wird die Nachfrage nach Investitionsgütern allerdings lange abkühlen. Die aktuelle Krise, unterbrochene Lieferketten und Sanktionen dürften auch die Beschaffung von Arzneimitteln oder Agrarchemikalien aus Europa reduzieren.
Die Einfuhren aus Myanmar in die Europäische Union (EU) stiegen von 2015 bis 2020 um das Vierfache von 0,6 Milliarden auf 2,6 Milliarden Euro. Die deutschen Einfuhren aus Myanmar legten in dem Zeitraum ebenfalls kräftig von 0,2 Milliarden auf 1,1 Milliarden Euro zu. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Lieferungen von Textilien, Bekleidung und Schuhen.
Gemäß dem präferenziellen Handelssystem (Everything But Arms), das die EU den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt wie Myanmar seit 2001 gewährt, können die Waren zoll- und quotenfrei in die Mitgliedsländer eingeführt werden. Die Außenminister der EU haben am 22. Februar 2021 den Militärcoup allerdings scharf verurteilt. Am 22. März 2021 verhängten sie Sanktionen gegen elf Personen, von denen zehn Angehörige der Streitkräfte sind. Die EU verbietet Bürgern sowie Unternehmen ihrer Mitgliedsländer, gelisteten Individuen und Organisationen finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.
Mit einem Anteil an den Ausfuhren von 16 Prozent ist die EU für Myanmar aber nur der drittwichtigste Exportmarkt. China nimmt 31 Prozent und Thailand 18 Prozent aller Waren ab. Beide Nachbarländer bezeichnen den Putsch aus unterschiedlichen Gründen als innere Angelegenheit.