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Branchen | Niederlande | Medizintechnik

Marktentwicklungen und -trends

Der niederländische Absatz von Medizintechnik ist 2021 um 10,1 Prozent gewachsen und soll auch 2023 um 10,4 Prozent zulegen. Es gibt einige große Klinikprojekte.

Von Torsten Pauly | Berlin

Medizintechnikkäufe nehmen auf hohem Niveau weiter zu

Der niederländische Markt für Medizintechnik hat sich seit Ausbruch der Coronapandemie stark ausgeweitet und wird 2022 laut der Analyseagentur Fitch Solutions ein Volumen von 6,6 Milliarden US-Dollar (US$) erreichen. Das sind 36 Prozent mehr als 2019. Wegen Covid-19 sind besonders Investitionen in die Intensivbehandlung und auch Diagnostik gestiegen. Zu den wichtigsten Marktsegmenten zählten 2021 Masken, Spritzen, Katheter und andere Verbrauchsgegenstände (2 Milliarden US$), Computertomographie, Röntgentechnik und andere (Elektro)Diagnostik (1,6 Milliarden US$). Dazu gehörten ebenso Hilfsmittel wie Hörgeräte und Herzschrittmacher (1 Milliarde US$), Prothesen und Orthopädietechnik (1 Milliarde US$) sowie Zahntechnik (0,5 Milliarden US$).

Auch zukünftig ist mit einer guten Entwicklung zu rechnen. Die Analysten von Fitch Solutions erwarten, dass der niederländische Medizintechnikmarkt 2023 um 10,4 Prozent und 2024 um 8,8 Prozent wächst. Die Niederlande müssen Medizintechnik überwiegend importieren, da das Niveau der lokalen Produktion mit zuletzt 1,8 Milliarden Euro im Jahr den Bedarf bei weitem nicht deckt.

Transithandel erbringt hohe Margen

Der niederländische Außenhandel mit Medizintechnik geht allerdings weit über die inländische Nachfrage und die eigene Erzeugung hinaus. Dies liegt am lukrativen Transitgeschäft. Die Niederlande sind mit Europas größtem Hafen in Rotterdam ein Logistikdrehkreuz in Nordwesteuropa. Die Hälfte des niederländischen Warenimports ging 2020 als Reexport direkt in andere Länder. Dagegen wurden nur 16 Prozent aller Einfuhren sofort auf dem Binnenmarkt verwendet. Der Rest wurde weiterverarbeitet und dann in den Niederlanden selbst abgesetzt (13 Prozent) oder ins Ausland verkauft (21 Prozent). Dies berichtet das dortige Statistikamt CBS. Für Deutschland gibt es besonders viel Transit. Im ersten Halbjahr 2022 kamen laut Destatis 11 Prozent der gesamten deutschen Importmenge über die Niederlande ins Land.

Im Jahr 2021 haben die Niederlande Medizintechnik in wichtigen Sparten im Wert von 19,6 Milliarden Euro ein- und im Umfang von 28 Milliarden Euro ausgeführt. Der weltweite Exportüberschuss betrug 8,4 Milliarden Euro. Im Medizintechnikhandel mit Deutschland haben die Niederlande dabei einen positiven Saldo von 2,3 Milliarden Euro erwirtschaftet. Im niederländischen Außenhandel dominieren einige Medizintechniksegmente. So hat der Warenverkehr von Orthopädietechnik der SITC-Position 899.6 im Jahr 2021 insgesamt 16,3 Milliarden Euro ausgemacht. Besonders bedeutend waren auch Spritzen, Kanülen und dergleichen (SITC 872.21) mit 9,1 Milliarden Euro, Elektrodiagnostik (SITC 774.1) mit 4,9 Milliarden Euro, Röntgenapparate (SITC 774.2) mit 3,1 Milliarden Euro sowie Atmungs- und Therapiegeräte (SITC 872.3) mit 2,5 Milliarden Euro. Auf diese Produktgruppen entfielen 2021 zusammen 75 Prozent des gesamten niederländischen Außenhandels mit Medizintechnik.

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Coronaeinbruch ist fast vorüber

Auch die niederländischen Ausgaben für Gesundheit und Pflege sind in der Coronakrise stark um 8 Prozent (2020) beziehungsweise 7,6 Prozent gestiegen. Damit haben sie 2021 etwa 124,8 Milliarden Euro erreicht. Dies entspricht 7.116 Euro pro Kopf beziehungsweise 14,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) - ein international sehr hoher Wert. Die reinen Ausgaben für Gesundheit haben sich 2021 auf 5.222 Euro summiert.

Dennoch hat sich der Umfang der erbrachten Gesundheitsleistungen 2020 um 1,8 Prozent verringert. Viele Einrichtungen mussten Kapazitäten für mögliche Coronapatienten freihalten und dafür andere Maßnahmen wie nicht akut nötige Operationen verschieben. Bereits 2021 haben sich die niederländischen Gesundheitsleistungen jedoch wieder um 9,8 Prozent erhöht. Trotzdem warten 2022 noch bis zu 120.000 Patienten auf eine wegen der Coronapandemie verschobene Operation. Dies schätzt die Bank ING, die auch für 2022 und 2023 mit einem Anstieg der Gesundheitsleistungen um 3,5 Prozent beziehungsweise 2,5 Prozent rechnet.

Hohe Ansprüche an die Qualität

Der Medizintechnikstandard ist dank kontinuierlich hoher Investitionen in den vergangenen Jahren hoch und niederländische Gesundheitsanbieter kaufen in der Regel modernste und auch teure Technik. Dies kommt vielen deutschen Herstellern entgegen. Eine wichtige Zielgruppe sind die Hausärzte (auf Niederländisch: huisarts) mit ihren privaten Praxen, von denen es in den Niederlanden über 8.400 gibt.

Eine weitere bedeutende Zielgruppe sind die 120 Krankenhäuser. Darunter sind acht Unikliniken, wo sich fachmedizinische Spezialleistungen konzentrieren. Davon befinden sich zwei in Amsterdam und jeweils eine Rotterdam, Leiden, Utrecht, Nimwegen, Maastricht und Groningen. Auch Altersheime und andere Pflegeinrichtungen sind wichtige Abnehmer von Medizintechnik.

Während die Unikliniken staatlich sind, werden andere Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen in der Regel privat betrieben. Dabei kann es einen kirchlichen Hintergrund geben. Die bevorzugte Rechtsform für die Träger ist die Stiftung (Niederländisch: Stichting).

Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in den Niederlanden (Auswahl; Investitionssummen in Millionen Euro)

Projekt

Investitionssumme

Anmerkung

Stichting s’Heeren Loo Zorggroe (Behinderteneinrichtungen)

660

landesweit; Neubauten und Modernisierungen; Realisierung bis 2025

Stichting Tergooi (Krankenhäuser)

330

in Hilversum; Neu- und Umbauten; Realisierung bis 2023

Stichting Ipse de Bruggen (Behinderteneinrichtungen)

250

Provinz Süd-Holland; Neubau und Modernisierungen; Realisierung bis 2028

Stichting Viecuri Medisch Centrum voor Noord-Limburg (Krankenhäuser)

180

in Venlo und Venray; Ausbau, Modernisierung; Realisierung bis 2027

Stichting Sint Franciscus Vlietland Groep (Krankenhaus)

170

in Rotterdam; Neubau; Realisierung bis 2024

SJG Weert (Krankenhaus)

140

in Weert; Neubau; Realisierung bis 2030

Stichting Alrijne Zorggroep (Krankenhaus)

140

in Leythendorp; Neubau; Realisierung bis 2023

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Gesundheitssystem ist im internationalen Vergleich sehr gut

In Rankings schneidet das niederländische Gesundheitswesen sehr gut ab. So belegt das Land im weltweiten GHS Index unter 195 Ländern den 11. Rang. Insbesondere in den Kategorien „Zugang zu Gesundheitsleistungen“, „Infektionseindämmung“ und „Testkapazitäten“ sind die Bewertungen hervorragend. Nur leicht über dem internationalen Schnitt liegt dagegen die Einschätzung zu den Aufnahmekapazitäten der Gesundheitseinrichtungen. Die ING Bank weist zudem darauf hin, dass sich der Personalmangel 2022 nochmals deutlich verschärft.

Im niederländischen Gesundheitswesen dominiert der öffentliche Sektor stark. Dieser hatte 2021 einen Anteil von 85 Prozent an allen Ausgaben. Alle niederländischen Beschäftigten zahlen in die gesetzlichen Versicherungen ein und alle Einwohner erhalten eine sehr breite Basisversorgung. Darüber hinaus ist es möglich, bestimmte Zusatzleistungen gegen höhere Beiträge zu integrieren.

Die Regierung stärkt die Finanzlage des öffentlichen Gesundheitswesens weiter. Der Haushaltsentwurf für 2023 sieht vor, dass sich die Ein- und Ausgaben der gesetzlichen Versicherungen um 9,5 Prozent auf 95 Milliarden Euro erhöhen. Bereits 2022 hatte es einen Anstieg um 6,9 Prozent gegeben.

Alterung der Gesellschaft verändert Bedarf

Stark erhöhen wird sich der Gesundheits- und Pflegebedarf für Ältere. Im Jahr 2035 sollen 1 Million mehr Menschen im Alter von mindestens 65 Jahren in den Niederlanden leben als 2022, so das europäische Statistikamt Eurostat. Dies entspricht einer Zunahme um 30,1 Prozent. EU-weit erwartet Eurostat nur einen Anstieg um 23,6 Prozent.

Dies eröffnet Anbietern von entsprechender Medizintechnik umso mehr Geschäftschancen, da die Kaufkraft der älteren Bevölkerung in den Niederlanden hoch ist. Niederländische Ruheständler erhalten durchschnittlich 80 Prozent ihres letzten Arbeitslohns als Rente. Diese Rate ist weit höher als im OECD-Mittel (63 Prozent). Die Niederlande fördern auch die Entwicklung von Gesundheitsleistungen für Ältere. So unterhält die Uniklinik Groningen ein Zentrum für gesundes Altern.


Rahmendaten zum Gesundheitssystem in den Niederlanden

Indikator

Wert

Einwohnerzahl (2022 in Mio.)

17,6

Bevölkerungswachstum (2022 in % p.a.)

0,3

Altersstruktur der Bevölkerung (2022)

  Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

15,4

  Anteil der über 65-Jährigen (in %)

20,3

Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2021 in Jahren)

81,5

Durchschnittsmonatsbruttolohn (in Euro)

3.103

Gesundheitsausgaben pro Kopf (2021 in Euro)

5.222

Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2021 in %)

11,2

Ärzte/100.000 Einwohner (2020)

353

Zahnärzte/100.000 Einwohner (2020)

57

Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2020)

291

Quelle: Eurostat 2022; OECD 2022

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