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Portal 21 Niederlande

Zuständige Gerichte


Wer seine Forderungen vor Gericht durchsetzen möchte, muss sich zunächst klar darüber werden, wo er dies machen kann. Er muss also seine Gegenpartei vor dem zuständigen Gericht verklagen. 

Bei Gerichtsprozessen zwischen Parteien aus verschiedenen Staaten muss hierzu geklärt werden, ob die Gerichte des einen oder des anderen Staates den Streit entscheiden dürfen. Das Gericht, vor dem man klagt (oder verklagt wird), muss also international zuständig sein. Anschließend muss man sich bewusst machen, an welchem Ort in diesem Staat geklagt werden muss. Gleichzeitig muss man wissen, ob es (zum Beispiel wegen der Höhe der Forderung oder des besonderen Gegenstandes des Streits) speziellen Gerichten vorbehalten ist, in dem Fall zu entscheiden. Dies bezeichnet man als sachliche Zuständigkeit. Zudem muss das jeweilige Gericht noch innerhalb seines Staates örtlich zuständig sein.

Internationale Zuständigkeit

Bei Streitigkeiten zwischen niederländischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern richtet sich im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Frage der internationalen und örtlichen Zuständigkeit zunächst nach der Verordnung (EU--Europäische Union) Nr.--Nummer 1215/2012 vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-Verordnung oder EuGVVO). 

Gerichtsstandsvereinbarungen sind dabei grundsätzlich zulässig. Unter einer Gerichtsstandsvereinbarung versteht man eine Vertragsklausel, die bestimmt, an welchem Ort oder vor welchem Gericht bei Streitigkeiten geklagt werden darf. Es ist also möglich, mit einer Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts vertraglich zu regeln. Auch wenn gemäß Artikel 25 der Brüssel-Ia-Verordnung andere als schriftliche Gerichtsstandsvereinbarungen ermöglicht, ist eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien ratsam. Allerdings kann sich bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung bei bestimmten Angelegenheiten, zum Beispiel Versicherungs- und Verbraucherverträgen, deren Unwirksamkeit ergeben. 

In Folge der Umsetzung der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG) durch das niederländische Dienstleistungsgesetz (Dienstenwet) müssen Dienstleister in den Niederlanden bestimmte Informationspflichten gegenüber Dienstleistungsempfängern erfüllen. Hierzu gehört auch, dass sie die Dienstleistungsempfänger über die von ihnen verwendeten Gerichtsstandsklauseln informieren müssen. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist Buch 6 Artikel 230b Nr. 7 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijk Wetboek). Weiterführende Erläuterungen zu den Informationspflichten enthält insbesondere die Rubrik Informationen zur Qualifikation des Dienstleisters dieses "Portal 21"-Niederlande-Beitrages.

Fehlt eine Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag, sind nach Artikel 2 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 4 Brüssel-Ia-Verordnung grundsätzlich die Gerichte des Wohnsitzstaates des Beklagten international zuständig. Für juristische Personen wie zum Beispiel eine GmbH wird (mangels Wohnsitzes) auf den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung abgestellt.

Beim grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr ist allerdings die besondere Zuständigkeit nach Artikel 5 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 7 Brüssel-Ia-Verordnung zu beachten. Danach kann trotz Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (beispielsweise Deutschland) der Dienstleistungsempfänger an dem Ort verklagt werden, an dem die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen (beispielsweise in den Niederlanden).

Denkbar sind im Ergebnis folgende Fälle, in denen in Streitigkeiten deutscher gewerblicher Dienstleistungsempfänger mit niederländischen Dienstleistern vor einem niederländischen Gericht zu klagen wäre:

  1. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung sieht dies ausdrücklich vor.
  2. Bei Fehlen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung: Der Beklagte (Dienstleistungsempfänger oder auch Dienstleistungserbringer) hat seinen Wohnsitz beziehungsweise Geschäftssitz in den Niederlanden.
  3. Besonderheit: Wurde die Dienstleistung in den Niederlanden erbracht oder hätte sie nach dem Vertrag in den Niederlanden erbracht werden müssen, so kann auch vor einem niederländischen Gericht geklagt werden.

Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des niederländischen Gerichts bestimmt sich im Anschluss an die Feststellung der internationalen Zuständigkeit nach den nationalen Vorschriften des niederländischen Rechts.

Örtliche und sachliche Zuständigkeit

Die Organisation der niederländischen Gerichte sind insbesondere im Gerichtsorganisationsgesetz (Wet op de rechterlijke organisatie) niedergeschrieben. Der Gerichtsaufbau der ordentlichen Gerichte, die für den deutschen Dienstleistungsempfänger als relevanteste Gerichte anzusehen sind, stellt sich nach dessen Artikel 2 wie folgt dar:

  • 11 Bezirksgerichte (rechtbank) jeweils bestehend aus den Sektionen Amtsgericht (kanton), Zivilrecht (civiel recht), Strafrecht (strafrecht) und Verwaltungsrecht (bestuursrecht)
  • 4 Berufungsgerichte (Gerechtshof)
  • Oberstes Gericht der Niederlande (Hoge Raad der Nederlanden).

Die Zuständigkeiten der niederländischen Gerichte sowie die vor ihnen geltenden Verfahren sind dagegen hauptsächlich in der Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering - im folgenden: WBR) niedergeschrieben. Ergänzt werden diese durch die jeweiligen Prozessregelungen (procesreglement) für die verschiedenen Verfahrensarten vor den einzelnen Gerichte, die auf der Internetseite des niederländischen Gerichtsportals de Rechtsspraak abrufbar sind.

In zivilrechtlichen Streitigkeiten sind, sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, in erster Instanz in den Niederlanden die Bezirksgerichte sachlich zuständig (Artikel 42 Wet op de rechterlijke organisatie). Mit zivilrechtlichen Streitigkeiten befassen sich die Sektionen Amtsgericht und Zivilrecht. Welche der beiden Sektionen des Bezirksgerichts zuständig ist, hängt grundsätzlich von der Höhe der streitigen Forderung ab. Amtsrichter (kantonrechter), d.h.--das heißt die Richter des Bezirksgerichts, die in der Sektion Amtsgericht arbeiten, sind für Rechtsstreitigkeiten mit Streitwerten bis zu 25.000 Euro zuständig (Artikel 93 lit. a und b WBR). In einigen Fällen sind die Amtsrichter auch streitwertunabhängig zuständig, so beispielsweise in Miet- und Leasingsachen, Arbeitsrechtsstreitigkeiten und Angelegenheiten des Handelsvertreterrechts (Artikel 93 lit. c WBR). Mehr Informationen zum Verfahren vor dem Amtsrichter bietet der Abschnitt Bagatellsachen.

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich grundsätzlich nach den Artikeln 99 ff WBR. Im Regelfall ist das Gericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig (Artikel 99 Absatz 1 WBR). In einigen Fällen kann der Kläger wählen, ob er stattdessen woanders Klage einreichen möchte, so beispielsweise bei:

  • Streitigkeiten im Zusammenhang mit unrechtmäßigen Handlungen am Gericht an dem Ort, wo die schädigende Handlung stattgefunden hat (Artikel 102 WBR);
  • Streitigkeiten im Zusammenhang mit Immobilien am Gericht an dem Ort, wo die Sache oder der größte Teil der Sache belegen ist (Artikel 103 WBR);
  • Streitigkeiten im Zusammenhang mit juristischen Personen am Gericht an dem Ort, wo sich der Wohnsitz oder Sitz der juristischen Person befindet (Artikel 105 WBR).

Im Antragsverfahren (verzoekschriftprocedere) sehen die Artikel 262 ff WBR separate Vorschriften vor. Dort ist grundsätzlich das Gericht am Wohnort des Antragsstellers zuständig (Artikel 262 lit. a WBR).

Rechtsmittel

Erstinstanzliche Entscheidungen des Bezirksgerichts (Rechtbank) können vor dem zuständigen Berufungsgericht (Gerechtshof) mit der Berufung (hoger beroep) angegriffen werden (Artikel 60 Absatz 1 Wet op de rechterlijke organisatie; Artikel 358 Absatz 1 WBR). Bei der Berufung gegen ein Urteil (vonnis) ist allerdings grundsätzlich Voraussetzung, dass der Streitwert 1.750 Euro übersteigt (Artikel 332 Absatz 1 WBR). Die Berufung gegen ein Urteil muss binnen drei Monaten ab Verkündung der Entscheidung eingelegt werden (Artikel 339 Absatz 1 und Artikel 358 Absatz 2 WBR). Im Falle des einstweiligen Verfügungsverfahrens beträgt die Frist dagegen vier Wochen (Artikel 339 Absatz 2 WBR).

Gegen Entscheidungen des Berufungsgerichts und des Bezirksgerichts ist die Revision (beroep in cassatie) zum Obersten Gerichtshof (Hoge Raad) möglich (Artikel 78 Absatz 1 Wet op de rechterlijke organisatie). Die Revision ist nicht zulässig, wenn noch Berufung vor dem Berufungsgericht eingelegt werden kann (Artikel 78 Absatz 5 Wet op de rechterlijke organisatie). Handelt es sich um eine Entscheidung des Amtsrichters am Bezirksgericht, gegen die die Berufung vor dem Berufungsgericht nicht zulässig ist, kann diese nur in einigen sehr eingeschränkten Fällen mit einer Revision vor dem Obersten Gerichtshof angegriffen werden (Artikel 80 Absatz 1 Wet op de rechterlijke organisatie). Revision gegen Urteile muss ebenfalls binnen drei Monaten ab Verkündung der Entscheidung eingelegt werden (Artikel 402 Absatz 1 WBR).

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