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Branchen | Nigeria | Abfallentsorgung, Recycling

Abfallwirtschaft steht in Nigeria noch am Anfang

Der meiste Abfall in Nigeria landet auf ungeordneten Deponien und illegalen Müllhalden. 

Von Corinna Päffgen | Accra

Noch findet in Nigeria wenig Mülltrennung und Wiederverwertung statt. Akteure des informellen Sektors übernehmen in der Praxis oft die Sammlung und Sortierung von Wertstoffen. Initiativen des Privatsektors nehmen allerdings langsam zu, zudem gibt es einige Pilotprojekte für Recycling und Kompostierung seitens der Umweltbehörden. In der Vergangenheit scheiterten Modernisierungsversuche nicht nur an den begrenzten finanziellen Mitteln, sondern oftmals auch an der Durchsetzung gesetzlicher Vorschriften. So werden beispielsweise Müllgebühren oder auch verhängte Bußgelder in der Praxis mangels Geltendmachung (enforcement) oft nicht bezahlt.

Weitere Informationen zum Thema Wertstoffe in Nigeria finden Sie hier.

Nachholbedarf im Abfallsektor ist groß

In Nigeria werden pro Jahr rund 38 Tonnen Abfall produziert. Die Art der Entsorgung ist unterschiedlich und insgesamt noch wenig organisiert. In einzelnen Städten findet in Gegenden, wo es sich die Bewohner leisten können, eine Abholung des Hausmülls statt.

Für die Abfuhr und Entsorgung des Abfalls sind die jeweiligen Kommunal- und Stadtverwaltungen in den einzelnen Bundesstaaten zuständig, wie das Abuja Environmental Protection Board (AEPB) in Abuja und die Lagos Waste Management Authority (LAWMA) in Lagos. Diese beauftragen wiederum private Unternehmen (Private Sector Partnership, PSP) mit der Abholung des Mülls. Derzeit gibt es mehr als 350 PSP in Lagos, die etwa 50 Prozent des anfallenden Abfalls einsammeln. Nicht abgeholter Müll kann in zentral aufgestellten Containern und Recyclingstationen entsorgt werden. Die PSP sind auch für die Erhebung der Müllgebühren zuständig, die allerdings in der Praxis oft nicht gezahlt werden.

Der von den PSP eingesammelte Müll wird in Lagos zunächst zu sogenannten transfer loading stations (TLS) gebracht. Diese fungieren im Wesentlichen als Umladestationen, bei denen der Abfall zwischengelagert, auf größere LKW umgeladen und anschließend zur Deponie gebracht wird. An den TLS findet zudem die Sortierung des Abfalls nach Wertstoffen, Biomüll und Restmüll statt. Im Jahr 2020 waren in Lagos insgesamt drei TLS in Betrieb, fünf weitere sollen bis Ende 2021 fertig gestellt sein.

Eine weitere Initiative für mehr Mülltrennung ist die im Jahr 2019 in Lagos ins Leben gerufene Blue Box Initiative. Diese möchte die Trennung von Wertstoffen und Restmüll in den Haushalten fördern und verteilt dafür an die Bevölkerung blaue Boxen, in denen Plastik, Papier etc. gesammelt werden kann. Die getrennt gesammelten Wertstoffe werden einmal pro Woche abgeholt und zu den kommunal betriebenen Community Recycling Centres gebracht, von denen in Lagos insgesamt über 50 geplant sind. Dort werden die Wertstoffe sortiert und an Abnehmer weiterverkauft.

Erste sanitäre Deponie soll mit deutscher Hilfe gebaut werden

Von dem jährlichen Abfallaufkommen von rund 38 Millionen Tonnen pro Jahr werden schätzungsweise 20 Prozent deponiert. Weitere Entsorgungswege sind wilde Müllkippen, der Straßenrand, Abwasserkanäle sowie die offene Verbrennung einschließlich toxischer Abfälle.

In der Regel befinden sich Deponien aufgrund kurzer Transportwege in unmittelbarer Nähe der Städte oder in den Städten selbst. So befindet sich die größte Deponie Nigerias, Olususon, in der Stadt Lagos. Die Halde ist rund 43 Hektar groß und nimmt pro Jahr etwa 2 Millionen Tonnen Müll auf. Rund 5 Millionen Menschen leben in einem Umkreis von 5 Kilometern. Zwei weitere der größten Halden Nigerias befinden sich ebenfalls in Lagos.

Detaillierte Angaben zu Anzahl und Kapazitäten der Halden sind nur schwer zu ermitteln. Basisinformationen zu Deponiestandorten sind auf dem staatlichen Datenportal GRID3 (Geo-Referenced Infrastructure and Demographic Data for Development) verfügbar. Betrieben werden die Deponien von den Kommunalverwaltungen beziehungsweise Stadtverwaltungen in den einzelnen Bundesstaaten.

Insgesamt findet noch wenig Mülltrennung statt

Abfallsortieranlagen gibt es bislang nur vereinzelt. In der Regel landen deshalb sämtliche Abfallarten einschließlich toxischer Abfälle, Bauschutt und teilweise Krankenhausabfällen auf Deponien, die über keine technische Ausrüstung verfügen.

Vorrichtungen zur Erfassung und Kontrolle von Sickerwasser- oder Gasfassungsanlagen sind ebenso wenig vorhanden wie Basisabdichtungen. Luft-, Boden- und Wasserkontaminationen sind die Folge. Organischer Abfall ist mangels einer Vorsortierung und getrennten Erfassung mit einem Anteil von über 40 Prozent der Hauptstoffstrom auf den Deponien. Je größer der Anteil organischen Abfalls desto mehr Kohlendioxid und Methangas kann entstehen, was wiederum zum Treibhauseffekt beiträgt und ein Sicherheitsrisiko wegen Explosionsgefahr darstellt. Eine Verwertung von Deponiegas zur Produktion von Strom und Wärme findet bislang nicht statt. Voraussetzung für eine Deponiegasgewinnung und –nutzung ist die Modernisierung des Deponiewesens, da sich nur geordnete Deponien für eine entsprechende Verwertung anbieten. Nigeria könnte damit das steigende Abfallaufkommen und die damit verbundenen Umweltprobleme reduzieren und die Probleme im unterversorgten Energiemarkt angehen. Für eine umfassende Modernisierung des Deponiewesens fehlen dem Staat allerdings derzeit ausreichende finanzielle Ressourcen.

Pläne, Deponien zu sanieren und professionelle Deponien (engineered landfill) zu errichten, hat es in der Vergangenheit schon öfters gegeben. So war die Sanierung und Errichtung einer engineered landfill in Badagry and Epe in Lagos mit Kompostieranlage und Biogasanlage vorgesehen. Ausschreibungen erfolgten bereits im Jahr 2016. Umgesetzt wurden diese Projekte bislang nicht, oftmals scheiterten entsprechende Pläne an der Finanzierung und aufgrund des Fehlens eines nachhaltigen politischen Willens. So ist es keine Seltenheit, dass Projekte einer vorangegangenen Regierung in einer neuen Legislaturperiode nicht fortgeführt werden.

In Abuja hat das Unternehmen CUTEC E&E Ltd. den Zuschlag erhalten, Pläne für die Errichtung der ersten engineered landfill in Nigeria zu konzipieren und zu bauen. Das Unternehmen arbeitet eng mit dem Umwelttechnik-Forschungszentrum der Technischen Universität Clausthal zusammen, das seit 15 Jahren Schulungen in den Bereichen Abfallmanagement und Abwasserbehandlung für Delegationen aus Nigeria durchführt. Einen Starttermin für den Bau der Deponie gibt es bislang nicht.

Thermische Behandlungsanlagen für Abfälle gibt es bislang nicht. Lediglich Lösungen für die Energieerzeugung aus Bioabfall existieren bislang vereinzelt. Vor ein paar Monaten wurden jedoch Pläne für den Bau der ersten Müllverbrennungsanlage in Lagos durch das britische Unternehmen WestAfricaENRG verkündet. Das Projekt sieht die Errichtung einer 25-Megawatt-Anlage vor, die täglich 2.000 bis 2.500 Tonnen Abfall verarbeiten kann. Die Kosten belaufen sich auf rund 125 bis 150 Millionen US-Dollar (US$).

Pläne der Regierung sorgen für neue Impulse

Die Dringlichkeit für Lösungen im Abfallbereich ist groß und wird weiter steigen. Die Regierung möchte schon seit Längerem den Abfallsektor umfangreich modernisieren und schafft nach und nach den erforderlichen regulatorischen Rahmen dafür.

Die neue Solid Waste Management Policy sowie die Plastic Waste Policy formulieren eine Vielzahl ambitionierter Ziele für den Abfallsektor, die auch zur Verbesserung der Geschäftsaussichten führen dürften. Eine drastische Reduzierung von Abfällen und die Erhöhung von Recyclingquoten ist ebenso vorgesehen wie eine stärkere Einbindung des Privatsektors. Übergeordnetes Ziel ist die Reduzierung des auf Deponien abzulagernder Abfalls auf 10 Prozent und die Sanierung von Deponien, um schädliche Auswirkungen für Umwelt, Mensch und Tier zu reduzieren.

Für die Erreichung der sehr ambitionierten Ziele sind eine Vielzahl von Maßnahmen vorgesehen. So sollen wilde Müllkippen (open dumpsites) bis 2025 verschwinden, sämtlicher Abfall ist auf kontrollierten Deponien und bestenfalls sanitären Deponien zu verbringen. Die Zuständigkeit für die Errichtung von sanitären Deponien liegt dabei bei den jeweiligen Bundesstaaten. Diese sind angehalten, entsprechende Deponien zu errichten und bereits existierende Halden gegebenenfalls zu sanieren oder zu schließen. Eine Einbindung des Privatsektors ist nach Vorstellung der Regierung auf vielen Ebenen gewünscht: beim Bau und Betrieb von Kläranlagen, Verwertungs- und Recyclinganlagen sowie bei Abfallbehandlungs- und Entsorgungsanlagen. Ebenfalls erwünscht sind mehr Investitionen und Innovationen im Abfallsektor durch private Akteure

Wie die Finanzierung aussehen soll, auch die die der laufenden Kosten für den Betrieb von Deponien, ist noch teilweise unklar. Ein Teil der Finanzierung soll über PPP-Projekte (Public-private partnership) sowie über Lizenz- und Konzessionsvergaben erfolgen. Des Weiteren setzt Nigeria auf Geberinstitutionen und Organisationen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Ohne die Einführung und Erhebung entsprechender Gebühren werden die Ziele jedoch größtenteils nicht umsetzbar sein.

Inwieweit und vor allem wie schnell die jeweiligen Pläne umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal ist der Gesetzgeber auf Bundesebene und Ebene der Bundesstaaten gefragt sowie die jeweiligen zuständigen Behörden. Verbesserungen bei der Durchsetzung bereits bestehender gesetzlicher Vorschriften sind jederzeit möglich, hier ist der politische Wille entscheidend.

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