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Branchen | Nordafrika | Nahrungsmittel-, Verpackungsmaschinen

Lebensmittelhersteller investieren trotz Unsicherheiten

In den Ländern Nordafrikas gerät die Lebensmittelsicherheit wieder verstärkt in den Fokus. Schuld ist auch die Abhängigkeit von russischem und ukrainischem Getreide.

Von Friedrich Henle, Sherif Rohayem, Michael Sauermost, Peter Schmitz | Berlin, Kairo, Casablanca, Tunis

Unternehmen und Haushalte haben zudem mit steigenden Preisen auf breiter Front zu kämpfen. Lebensmittelhersteller investieren trotzdem, insbesondere in Ägypten und Marokko. Die wachsende Bevölkerung sorgt auch zukünftig für eine stetig wachsende Nachfrage.

Inflation und höhere Zinsen belasten Unternehmen in Ägypten

Die Inflation ist im März 2022 auf 10,5 Prozent gestiegen. Maßgebliche Ursache für die Teuerung sind die hohen Lebensmittelpreise, die 30 bis 40 Prozent des ägyptischen Warenkorbs ausmachen. Diese Schwächung der Kaufkraft werden auch ägyptische Hersteller von Nahrungsmitteln spüren. Mit einem jährlichen Bevölkerungswachstum von 2 Millionen entwickelt sich der ägyptische Verbrauchermarkt zwar schnell, dennoch reicht das Geld für die meisten Ägypter nur noch für das Allernötigste. So dürfte vor allem die Mittelschicht in verstärktem Maße ihren Verbrauch von hoch verarbeiteten Lebensmitteln, Süßigkeiten, Fleisch und Geflügel erheblich senken.

Obere Mittelschicht verkraftet gestiegene Preise ohne Weiteres

Nicht dagegen die obere Mittelschicht, die in Ägypten zwar anteilig gering, in absoluten Zahlen aber stark vertreten ist. Diese Bevölkerungsschicht wird gestiegene Lebensmittelpreise ohne Weiteres verkraften.

An diese Konsumentengruppe richtet sich auch das Angebot der Super- und Hypermarktkette Carrefour. Der französische Einzelhandelsriese will den vorhandenen 59 ägyptischen Filialen zehn weitere hinzufügen. So zitiert die Nachrichtenseite Masrawy den Geschäftsführer Phillipe Peguilhan, zuständig für den Standort Ägypten. Die dafür erforderlichen Investitionen belaufen sich auf 250 Millionen ägyptische Pfund (EGP). Zu beachten ist, dass dieser Betrag vor der Abwertung der ägyptischen Landeswährung (siehe unten) genannt wurde. Der Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der Zeitungsmeldung belief sich auf etwa 16 Millionen US-Dollar (US$), während der Wechselkurs Ende April bei rund 13,5 Millionen US$ liegt.

Der Newsletter Middle East News Agency berichtet in seiner Ausgabe vom 19. April 2022 über Expansionspläne der Alpha Group. Die Einzelhandelskette, die sich preislich in einem ähnlichen Segment wie Carrefour bewegt, will einen Betrag von 130 Millionen EGP (umgerechnet rund 7 Millionen US$) in fünf neue Filialen im Großraum Kairo investieren.

Nicht alle Exporteure profitieren von der Abwertung der Landeswährung

Als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist und den Anstieg der Preise für Weizen und Energie verstärkt hat, haben sich ausländische Investoren um die Zahlungsfähigkeit der Regierung gesorgt. Es kam zu einer Flucht aus dem ägyptischen Markt für Staatsanleihen in Milliardenhöhe. Um diesen Trend umzukehren, wertete die Zentralbank Ende März 2022 die Landeswährung um 16 Prozent ab. Der daraus resultierende Wettbewerbsvorteil ägyptischer Nahrungsmittelexporteure wird vielfach durch die gestiegenen Kosten für importierte Vorprodukte und Rohmaterialien zunichtegemacht. Hersteller, die für den lokalen Markt produzieren, werden entweder ihre Margen stutzen oder die gestiegenen Importpreise an die Verbraucher weitergeben. Beide Maßnahmen werden die Investitionsfreudigkeit von Nahrungsmittelherstellern negativ beeinflussen, ebenso die Leitzinserhöhung der ägyptischen Zentralbank. Diese wurde ebenfalls Ende März 2022 beschlossen und wird angesichts der steigenden Inflation nicht die letzte in diesem Jahr bleiben.

Diesen unerfreulichen Rahmenbedingungen zum Trotz verkündet Edita Investitionspläne. In einer Pressemitteilung vom 9. April 2022, also nach der Abwertung der Landeswährung und der Leitzinserhöhung, kündigt der Hersteller von Knabbergebäck und Süßwaren an, in den nächsten drei Jahren den Betrag von 1 Milliarde EGP (53,8 Millionen US$) in den Ausbau seiner Produktion zu investieren. Mit den neu geschaffenen Kapazitäten will das ägyptische Unternehmen sowohl den lokalen Markt als auch ausländische Ziele bedienen.

Ähnlich optimistisch blicken die Manager von TBS in die Zukunft. Die Einzelhandelskette, die ihre Backwaren selber herstellt, befindet sich laut einer Meldung der Nachrichtenseite Enterprise Egypt in Gesprächen mit lokalen Banken über einen Kredit. Dabei geht es um einen Betrag in Höhe von 500 Millionen EGP. Mit der Summe beabsichtigt das ägyptische Unternehmen, seine Produktionskapazitäten auszubauen und damit seine Umsätze auf jährlich 1 Milliarde EGP zu verdoppeln.

Ägyptische Regierung investiert in die Lagerung von Weizen

Vor großen Herausforderungen steht auch die ägyptische Regierung in ihrer Rolle als Versorger mit Grundnahrungsmitteln - genauer mit subventioniertem Brot. Bereits seit der Coronakrise sind die Preise für Weizen gestiegen. Weil Ägypten Brot in großem Umfang subventioniert, ist damit auch die Belastung des ägyptischen Staatshaushalts gestiegen. Schon damals stand das Thema Nahrungsmittelsicherheit auf der Agenda der Regierung. Diese hat in der Folge begonnen, Projekte zur Lagerung strategischer Mengen einiger Grundnahrungsmittel umzusetzen.

In diesem Sinne plant gemäß Angaben von MEED Projects das ägyptische Ministerium für Versorgung und internen Handel (Ministry of Supply & Internal Trade) den Bau der ersten Phase eines Komplexes zur Lagerung von Fleisch, Geflügel und Weizen. Der Nachrichtendienstleister gibt die Investitionskosten mit etwa 2,2 Milliarden US$ an.

In eine ähnliche Richtung weisen die Pläne der Suezcanal Authority. Diese hat mit der emiratischen Firma Rosa Grains und der ägyptischen Roots Commodities laut Angaben der lokalen Zeitung AL Mal vom 5. April 2022 einen Vertrag über den Bau von acht Anlagen zur Verpackung von Weizen unterzeichnet. Die Anlagen sollen mit Kosten von 100 Millionen EGP (umgerechnet knapp 5,4 Millionen US$) in Port Said entstehen. Sie bilden einen Teil des ebenfalls in der Suezcanal Economic Zone geplanten Hafenterminals zur Lagerung von Weizenreserven mit einer Kapazität von 7,3 Millionen Tonnen.

Algerien verbietet den Export bestimmter Nahrungsmittel

Um die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sicherzustellen hat die algerische Regierung die Ausfuhr von Weizenmehl, Sojaöl, Zucker, Teigwaren, Kartoffeln, Knoblauch, Weizen- und Gerstengrieß, Hülsenfrüchten, Eiern sowie Tomatenmark verboten. Bereits zuvor war die Ausfuhr von einigen Lebensmitteln durch den Zoll blockiert worden. Das stellte die Exporteure kurzfristig vor Herausforderungen. Die Groupe Cevital, das größte Privatunternehmen Algeriens, gab beispielsweise bekannt, dass die Zuckerraffinerie im Hafen von Bejaia ihre Produktion einstellen musste.

Auch Getreide ist knapp. Jährlich importiert Algerien zwischen 7 und 8 Millionen Tonnen Weizen. Positiv hat sich zuletzt der Anbau von Oliven entwickelt. Auf einer Fläche von 440.000 Hektar wurden 2021 insgesamt 430.000 Tonnen Öloliven und 270.000 Tonnen Speiseoliven geerntet. Die Anbaufläche soll bis 2024 auf 900.000 Hektar anwachsen.

Die staatliche Groupe Agrodiv baut ihr Engagement im Süden weiter aus

In Bechar sind zwei Anlagen geplant. Eine Produktionsstätte von Tiernahrung soll im Herbst 2022 eröffnen und pro Tag etwa 700 Doppelzentner produzieren. Eine Anlage für Teigwaren mit einer Kapazität von 240 Doppelzentnern ist nach Unternehmensangaben kurz vor der Ausschreibung. In Adrar sind zwei Mühlenbetriebe geplant. Derzeit sollen Studien durchgeführt werden.

Pepsi und Presto Eat kooperieren in Libyen

Der Marktführer bei Erfrischungsgetränken in Libyen, Pepsi, ist im März 2022 eine Partnerschaft mit Presto Eat eingegangen. Das Start-up aus Tripolis ist seit 2020 als Lieferservice für Restaurants und Lebensmittel in der libyschen Hauptstadt unterwegs. 2,5 Millionen US$ aus einer weiteren Finanzierungsrunde sollen für die Expansion in mehrere Städte im Westen Libyens eingesetzt werden. Im Rahmen der nun geschlossenen Vereinbarung wird das Unternehmen Pepsi-Getränke zum Verkauf anbieten und das Pepsi-Logo auf allen Lieferfahrzeugen von Presto Eat anbringen.

Pepsi füllt in Libyen mit der Tochterfirma African Bottling Company unter anderem seine Marken Aquafina (Wasser) und Tropicana (Fruchtsaft) ab. Das Unternehmen hat in der gemeinsamen Erklärung mit Presto Eat angekündigt, in Libyen weiter expandieren zu wollen, ohne jedoch Details zu nennen.

Marokkanische Regierung will mehr Lebensmittelsicherheit

Lebensmittelsicherheit und Gesundheit sind zwei Themen, die auf der Prioritätenliste der marokkanischen Regierung ganz oben stehen. Vor diesem Hintergrund unterzeichnete das Industrieministerium im März 2022 insgesamt 13 Investitionsabkommen mit Unternehmen aus der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Das Gesamtvolumen beträgt circa 175 Millionen US$. Obst und Gemüse, Süßwaren sowie Molkereierzeugnisse stehen bei Nahrungsmitteln im Vordergrund. In der Pharmaindustrie sollen die Kapazitäten für die Herstellung von Generika erhöht werden. Die fünf Regionen Casablanca-Settat, Rabat-Salé-Kénitra, l'Oriental, Fès-Meknes und Tanger-Tétouan-El Hoceima sind betroffen.

Der marokkanische Lebensmittelverarbeiter Copag baut seine Aktivitäten im Königreich aus. Im südöstlich gelegenen Taroudant investierte das Unternehmen knapp 21 Millionen US$ in zwei neue Fertigungsanlagen. Dort sollen zukünftig - im Einklang mit den landwirtschaftlichen Gegebenheiten vor Ort - hauptsächlich Schmelzkäse und Zitrussaft produziert werden. Längerfristig zielt das Unternehmen darauf ab, die hochwertigen, lokal produzierten Nahrungsmittelprodukte auf internationalen Märkten zu vermarkten.

Ägyptische Snacks "Made in Morocco"

Edita Food Industry (EFI) und die Dislog Group wollen zusammen den marokkanischen Snackmarkt aufmischen. EFI ist die erste ausländische Niederlassung von Edita Food, dem ägyptischen Anbieter von Knabberzeug. Dislog betreibt eines der größten FMCG-Vertriebsnetzwerke ("Fast-Moving-Consumer-Goods") Marokkos mit einer landesweiten Abdeckung über alle Kanäle. In Phase I der Kooperation wurden zunächst mit einer Investition von rund 20 Millionen US$ etwa 300 Arbeitsplätze geschaffen. Die Pläne für den Ausbau liegen bereits in der Schublade.

Pepsi expandiert auch im Königreich

Der Getränkehersteller Pepsi-Varun Beverages will Marokko zu seiner Plattform für den Export nach Afrika machen. Seit 2011 ist er im Königreich präsent. Der lokale Markt für Erfrischungsgetränke wird in Marokko auf 600 Millionen Liter pro Jahr geschätzt und verzeichnet einen Umsatz von rund 400 Millionen US$. Der Pro-Kopf-Verbrauch von 18 Litern pro Jahr ist jedoch einer der niedrigsten in der Region. Der Grund dafür ist nachvollziehbar: Tee und Fruchtsäfte sind die Liebslingsgetränke. Pepsi-Varun verfolgt daher Diversifizierungsstrategien: Die Marke IceTea wurde eingeführt. Mit einer Investition von 20 Millionen US drängt zudem die Marke Aquafina in den Wassermarkt. Und dann ist da noch der Blick von Marokko aus auf andere afrikanische Märkte…

Investition in mauretanische Milch- und Geflügelproduktion

Die Afreximbank investiert über ihre entwicklungspolitisch ausgerichtete Tochtergesellschaft, den Fund for Export Development in Africa (FEDA), in den mauretanischen Nahrungsmittelimporteur und -distributor TND SA. Mit den finanziellen Mitteln will sich das Unternehmen vom reinen Großhändler auch zu einem regionalen Hersteller von Milch- und Geflügelprodukten weiterentwickeln. Die entsprechende Pressemeldung der Afreximbank vom 7. Februar 2022 nennt allerdings weder Details zur Investitionssumme noch zu konkreten Produktionsprojekten.

Mehr Mehl für den Sudan

Der italienische Maschinenbauer Ocrim hat im März 2022 bekannt gegeben, vom sudanesischen Unternehmen Morouj Commodities einen Auftrag zum Aufbau einer Getreidemühle erhalten zu haben. Diese soll pro Tag 600 Tonnen Mehl produzieren. Das Projekt umfasst auch Mehlspeicher mit einer Kapazität von 1.200 Tonnen und eine Mischanlage zur Herstellung von Spezialmehl mit einem Ausstoß von täglich maximal 960 Tonnen. Mit dem Vorhaben stößt Morouj Commodities, das sich selber zu einem der größten Lebensmittelkonzerne im Sudan zählt, in einen neuen Bereich vor. Die bisherige Produktpalette umfasst vor allem Reis, Bohnen und Tomatensoße.

Preissteigerungen setzen tunesische Nahrungsmittelbranche unter Druck

Die Versorgung mit Lebensmitteln in Tunesien wird zu einer immer größeren Herausforderung. Gerade zu Beginn des Fastenmonats Ramadan war in tunesischen Supermärkten das Mehl knapp geworden. Die hohe Abhängigkeit unter anderem von Getreideimporten rächte sich angesichts der internationalen Lage. Das Defizit in der Nahrungsmittelbilanz lag im 1. Quartal 2022 bei 1,3 Milliarden Euro, während es im Vergleichszeitraum des Vorjahres noch bei etwa 930 Millionen Euro gelegen hatte.

Die Inflation stieg im März auf 7,2 Prozent, 2021 lag sie im Durchschnitt bei 5,7 Prozent. Der Einzelhandel dürfte das zu spüren bekommen. Die Kaufkraft der Bevölkerung sinkt seit Jahren, dieser Trend beschleunigt sich nun. Im Vergleich zu anderen Industriezweigen hält sich die Nahrungsmittelindustrie aber relativ gut. Während die Industrieinvestitionen 2021 insgesamt von etwa 1 Milliarde Euro auf etwa 770 Millionen Euro zurückgingen, legten die Investitionen der Nahrungsmittelindustrie von 234 Millionen Euro auf 287 Millionen Euro zu. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 gab es jedoch Rückgänge, im Vergleich zum Vorjahr um etwa 40 Prozent. Die tunesische Industrie bemängelt seit Langem, an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Hohe Kreditkosten, eine Abwertungstendenz des tunesischen Dinar und die Abhängigkeit von Energieimporten sind kritische Punkte.

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