Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Rechtsbericht | Norwegen | Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Die norwegische Gesetzgebung bietet den Arbeitnehmern einen umfangreichen Schutz. Die allgemeingeltenden Regeln werden oft durch tarifliche Vereinbarungen ergänzt oder gar ersetzt.

Von Sören Gussner (AHK Norwegen) | Oslo

Gesetzliche Regelungen auf einen Blick

Vergütung: Freie Vereinbarung möglich (unter Beachtung von Tarifverträgen)

Mindestlohn: Nicht gesetzlich festgelegt, je nach Tarifvertrag

Arbeitsstunden pro Woche: Maximal 40 Stunden innerhalb von 7 Tagen und maximal 9 Stunden innerhalb von 24 Stunden (38 oder 36 Stunden bei Schichtarbeit/regelmäßiger Arbeit an Sonn- und Feiertagen, Arbeit unter Tage), laut Tarifvertrag in der Regel 37,5 Stunden. Nach der sogenannten Durchschnittsberechnung, welche schriftlich vereinbart werden muss, können in gewissen Zeiträumen die genannten Obergrenzen ausgeweitet werden (bis zu 48 Stunden innerhalb von 7 Tagen und 10 Stunden innerhalb von 24 Stunden), ohne dabei Überstunden und deren Folgen auszulösen. In solchen Fällen muss in anderen Zeiträumen aber die Arbeitszeit reduziert werden.

Regelarbeitstage pro Woche: s.o.

Zulässige Überstunden: 10 Stunden innerhalb von sieben Tagen, 25 Stunden in vier zusammenhängenden Wochen und 200 Stunden innerhalb von 52 Wochen; mit Zustimmung des Betriebsratsvorsitzenden können in tarifgebundenen Unternehmen für einen Zeitraum von 52 Wochen mehr Überstunden vereinbart werden (entsprechend 20, 50 und 300 Stunden), eine weitere Ausweitung der Überstunden ist in Ausnahmefällen unter Einholung einer Genehmigung durch die Arbeitsaufsicht möglich (25 Stunden innerhalb von 7 Tagen und 200 Stunden innerhalb von 26 Wochen), generell darf die Arbeitszeit nicht mehr als 13 Stunden innerhalb von 24 Stunden oder 48 Stunden innerhalb von 7 Tagen im Durchschnitt von 8 Wochen betragen

Bezahlte Feiertage: 12

Bezahlte Urlaubstage: Angestellte in Norwegen haben Anspruch auf einen jährlichen Urlaub von 25 Werktagen beziehungsweise 4 Wochen und ein Tag (Werktage sind alle Wochentage außer Sonn- und Feiertage), für Beschäftigte ab 60 Jahre zusätzlich 6 Werktage (eine Woche); grundsätzlich muss der Beschäftigte seinen Urlaub im vorhergehenden Kalenderjahr verdient haben; die Arbeitnehmer sind in der Regel berechtigt, ihren Urlaubsanspruch in einem Umfang von bis zu 18 Werktagen (drei Wochen) in der Haupturlaubszeit (1. Juni bis 30. September) geltend zu machen. Formell werden die Urlaubstage allerdings nicht entlohnt. Stattdessen wird ein Urlaubsgeld ausgezahlt (siehe unten).

Urlaubsgeld: Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer ein Urlaubsgeld in Höhe von 10,2 Prozent (12,3 Prozent für über 60-jährige Arbeitnehmer) des für das vorherige Kalenderjahr ermittelten Jahresentgelts gewähren.

Tage mit bezahltem Arbeitsausfall: Freistellung bei Schwangerschaftsuntersuchungen, sofern diese nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich sind; 12 Wochen Schwangerschaftsurlaub; 2 Wochen Betreuungsurlaub im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes für Väter oder gegebenenfalls eine andere Person; 6 Wochen Urlaub nach der Geburt des Kindes (Mutterschutz); die Elternzeit bei 100 Prozen Elterngeld beträgt 49 Wochen und bei 80 Prozent Elterngeld 59 Wochen; davon sind jeweils 15 Wochen der Mutter und dem Vater alleine vorbehalten; die verbleibenden Wochen können die Eltern untereinander aufteilen; jeder Elternteil hat zusätzlich ein Recht auf weitere 12 Monate pro Geburt, die auf bis zu 3 Jahre verteilt werden können.

Der Anspruch auf Freistellung für die Betreuung erkrankter Kinder bis zum 12. Lebensjahr beträgt jährlich 10 (bei bis zu zwei Kindern) oder 15 Tagen (bei drei oder mehr Kindern); für chronisch oder langwierig kranke Kinder (bis 18 Jahre) stehen bis zu 20 Tage zu; für alleinstehende Arbeitnehmer verdoppeln sich die Tage der Freistellung.

Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: bis zum 16. Kalendertag nach der Krankschreibung voller Lohnausgleich durch den Arbeitgeber, danach Zahlung des Krankengeldes durch den Staat (Folketrygden) bis maximal ein Jahr und einer jährlich festgelegten Höchstgrenze von 6G; in vielen Tarifverträgen ist vereinbart, dass Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum die Differenz zwischen Krankengeld und bisherigem Lohn auszahlen

Probezeit: Maximal sechs Monate

Quelle: Arbeidsmiljøloven, Ferieloven 2022

Rechtsgrundlagen

Die arbeitsrechtlichen Regelungen sind in Norwegen im Wesentlichen in sechs Gesetzen sowie in den zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Kollektiv- beziehungsweise Tarifabkommen (Vereinbarungen über branchenspezifische Lohn- und Arbeitsverhältnisse) verankert. Unter den gesetzlichen Bestimmungen ragt das Gesetz über den Arbeitsschutz, die Arbeitszeit und den Stellungsschutz (Arbeidsmiljøloven; AML) hervor, in dem Bestimmungen für den Schutz der Arbeitskraft und die Schaffung eines günstigen Arbeitsklimas einen besonders großen Raum einnehmen. Die übrigen Gesetze betreffen Regelungen zum Urlaub, zur Sozialversicherung, zur Gleichstellung der Geschlechter, zu Arbeitsstreitigkeiten, zu Arbeitsunfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung sowie zur allgemeinen Anwendung von Tarifvereinbarungen.

Das aktuelle, seit 1. Januar 2006 gültige AML setzt auf Aspekte wie die Gesundheitsförderung, die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und die bessere Anpassung des konkreten Arbeitsverhältnisses an die Voraussetzungen und die Lebenssituation des Arbeitnehmers. Darin verankert ist ferner das Anrecht auf flexible Arbeitszeiten, sofern sich dieses ohne einen wesentlichen Nachteil für das Unternehmen realisieren lässt.

Dem Betriebsleiter wurde eine persönliche Unterrichtungspflicht über die Bereiche Gesundheit, Umwelt und Sicherheit im Unternehmen auferlegt. Ein dauerhafter Arbeitskräftebedarf darf nicht durch befristete Anstellungen gedeckt werden (ausgenommen Zeit- und zeitbegrenzte Saisonarbeit).

Vertragsabschluss 

Sowohl befristete als auch unbefristetes Arbeitsverträge bedürfen der Schriftform. Der Vertrag sollte spätestens einen Monat nach Arbeitsaufnahme des Beschäftigten vorliegen. Ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses kürzer als einen Monat, muss der Vertrag sofort aufgesetzt werden. Er muss alle Informationen beinhalten, die für das Arbeitsverhältnis von wesentlicher Bedeutung sind. Dazu zählen: die Identität der Parteien, den Arbeitsplatz, eine Beschreibung der Arbeit, den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, erwartete Dauer bei befristetem Arbeitsverhältnis sowie Grundlage für die Beschäftigung und etwaige Bestimmungen zur Probezeit.

In der Regel reichen diese vom Gesetz her zwingend vorgeschriebenen Angaben für die Erfüllung der Informationspflicht des Arbeitgebers noch nicht aus. So ist unter anderem zu empfehlen, den Arbeitnehmer über mögliche jährliche Lohnanpassungen (laut Tarif oder Vereinbarung), Ansprüche oder Forderungen bezüglich der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen oder die Verpflichtung zur Schweigsamkeit über betriebliche Belange zu informieren. Auch die Aufnahme einer Konkurrenzklausel in den Vertrag ist in vielen Fällen anzuraten.

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Ein erheblicher Teil des AML beschreibt die Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Bereich der Einhaltung der Bestimmungen hinsichtlich der Gesundheit, des Arbeitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz. So hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten in seinem Unternehmen und auch Selbstständige, die Arbeitsaufgaben für ihn ausführen, die entsprechenden Regelungen des AML mit verlässlicher Sorgfalt hinsichtlich des Arbeitsschutzes einhalten.

Arbeitgeber, die in ihrem Unternehmen mindestens 50 Mitarbeiter beschäftigen, müssen ferner über die aktuelle und erwartete Entwicklung sowie die derzeitige und künftige Situation im Mitarbeiterstamm informieren, sofern diese Informationen für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer von Bedeutung sind.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter einschließlich der befristet eingestellten Beschäftigten über freie Stellen zu informieren. Ihnen muss das Vorzugsrecht bei der Besetzung neuer Stellen eingeräumt werden, sofern sie über die geforderten Qualifikationen verfügen.

Änderungen im Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Punkte, die in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden sind, sind so schnell wie möglich (spätestens einen Monat nach Inkrafttreten der Änderung) in den Vertrag aufzunehmen. Dieses Erfordernis gilt nicht bei Änderungen des Gesetzes, der amtlichen Vorschriften und Tarifvereinbarungen. Der Lohn ist, sofern nicht anders vereinbart, mindestens zweimal monatlich auszubezahlen. Üblicher ist es allerdings, eine einmalige Lohnauszahlung zu vereinbaren.

Vertragsbeendigung 

Während der Probezeit kann der Arbeitsvertrag sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden, wobei in der Regel ein Monat vereinbart wird. Ansonsten unterscheidet das norwegische Arbeitsrecht bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zwischen einer ordentlichen Kündigung (oppsigelse) und einer außerordentlichen Kündigung (avskjedigelse). Kündigungen müssen immer schriftlich in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erfolgen und bedürfen eines sachlichen Grundes. Die Übernahme eines Unternehmens oder eines Teils des Betriebes durch einen neuen Besitzer stellt keinen Kündigungsgrund dar. Die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer gehen in solchen Fällen auf den neuen Arbeitgeber über.

Je nach Länge der Betriebszugehörigkeit beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist ein bis drei Monate, wobei in der Regel immer drei Monate vereinbart werden. Mitunter greifen auch Tarifabkommen diesen Punkt auf. Sonderregelungen bestehen ferner für ältere Mitarbeiter mit ununterbrochener, mindestens zehnjähriger Betriebszugehörigkeit: In diesem Fall beträgt die Kündigungsfrist ab dem 50. Lebensjahr vier, ab den 55. Lebensjahr fünf und ab dem 60. Lebensjahr sechs Monate. Das Erreichen des Rentenalters von aktuell 72 Jahren beendet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch, stellt aber einen besonderen Kündigungsgrund dar.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.