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Branchen | Österreich | Strukturwandel

In Österreich gibt es immer weniger Einzelhandelsgeschäfte

Während auf dem Land und in den Bergen immer mehr Einzelhändler fehlen und die Lücke in der Nahversorgung größer wird, können die großen Ketten weiter expandieren.

Von Barbara Kussel | Bonn

Der Strukturwandel im österreichischen Einzelhandel geht zulasten der Nahversorgung auf dem Land. Vor allem die Konzentration im Einzelhandel und das Onlinegeschäft – das weiter an Gewicht gewinnt, aber in abnehmendem Tempo – sind die Gründe dafür. Zu diesem Ergebnis kommt die Branchenstudie „Einzelhandel“ der UniCredit Bank Austria, die im Juni 2022 veröffentlicht wurde.

Alpenrepublik ist Supermarkt-Europameister

Parallel zur Schließung kleiner, inhabergeführter Läden habe der Konzentrationsgrad in einzelnen Sparten des Einzelhandels sogar Rekordwerte erreicht, heißt es in der Studie weiter. Der Marktanteil der großen drei Player im Lebensmittelhandel liegt im Jahr 2021 gemessen am Umsatz bei 84 Prozent. Bei Drogerien- und Parfümerien sind es 82 Prozent, bei Sportartikeln 80 Prozent, im Elektrohandel 70 Prozent und im Möbelhandel 66 Prozent. „Österreich ist Supermarkt-Europameister“, titelte Ö3, das dritte Hörfunkprogramm des Österreichischen Rundfunks bereits im vergangenen Herbst, mit Blick auf die Ketten Spar, Billa und Hofer. Hofer gehört zur deutschen Unternehmensgruppe Aldi Süd, Billa zur Rewe Gruppe.

Insgesamt erzielten die rund 41.000 Einzelhandelsunternehmen in der Alpenrepublik 2021 einen Umsatz von etwa 72,5 Milliarden Euro. Damit ist die österreichische Handelslandschaft mit durchschnittlich 4,6 im Vergleich zu 7,2 Händlern pro 1.000 Einwohner im europäischen Durchschnitt relativ dünn besiedelt. Geringer ist die Dichte zum Beispiel in der Schweiz (1,6), in Großbritannien (3,2) und in Deutschland (3,8), deutlich größer ist sie in Portugal (12,3), Tschechien (10,7), Italien und Spanien (jeweils 9,4).

Onlinehandel beschleunigt Strukturwandel

Die Onlineanbieter werden zulasten der Ladengeschäfte weiter an Bedeutung gewinnen, das beschleunigt den Strukturwandel im Einzelhandel, schreibt der Autor der Studie, Günter Wolf. Der UniCredit Bank Austria Ökonom konstatiert jedoch, dass das Wachstum des Onlinevertriebs im Konsumgütermarkt in Österreich an Tempo verliert. In welchem Ausmaß und wie rasch ließe sich aufgrund von Erhebungs- und Abgrenzungsproblemen des Segments aber kaum darstellen. Je nach Abgrenzung summiert sich das Onlinegeschäft mit einzelhandelsrelevanten Waren auf 9 bis 9,6 Milliarden Euro, so die Studie.

Zu schaffen mache der Branche, dass Österreichs Online-Konsument:innen auch künftig überwiegend bei ausländischen Anbietern bestellen werden – derzeit fließen etwa 60 Prozent der entsprechenden Ausgaben an ausländische Shops und Plattformen. Seit Jahren verbucht dabei Amazon die höchsten Onlineumsätze (2020 in Österreich etwa 1,1 Milliarden Euro), gefolgt von Zalando (330 Millionen Euro). Künftig würden vor allem die Einzelhändler erfolgreich sein, die ihre digitalen und physischen Geschäfte als eine Einheit betrachten, schlussfolgert Wolf.

Bei Lebensmitteln gewinnt der Fachhandel Marktanteile zurück

Im Lebensmitteleinzelhandel, der 2021 auf einen Umsatz von gut 28 Milliarden Euro kam, gewinnt der Fachhandel in den letzten Jahren Marktanteile von den Handelsketten zurück. Die Erfolge des Fachhandels könnten teilweise mit der Expansion des Bäckerhandwerks, vor allem in Ballungsräumen, erklärt werden. Eine Trendwende in Richtung kleinere Läden kündigt sich aber nicht an, heißt es in der Studie des größten österreichischen Bankinstituts. Auch Lebensmittel werden immer häufiger online bestellt, aktuell ist der Onlineanteil von etwa 2 Prozent am Umsatz der Händler aber sehr gering. Zum Vergleich, in Deutschland sind es 2,5 Prozent. Die Zustellung von Lebensmitteln und Getränken sei überdurchschnittlich zeit- und kostenaufwändig, erklärt das Institut die kleinen Zahlen. Nur 10 Prozent der 15 bis 64-jährigen Menschen in Österreich hätten 2021 Lebensmittel oder Getränke online gekauft.

Ganz anders sieht es bei Bekleidung, Möbeln und Büchern aus, die zu den beliebtesten Produkten der Onlineshopper gehören. Im Jahr 2021 bestellten 37 Prozent der 15 bis 64-jährigen Bekleidung und Schuhe beziehungsweise jeweils rund 20 Prozent Möbel und Bücher im Netz. Konkret ist zum Beispiel Bekleidung im Wert von 2,1 Milliarden Euro im Netz gekauft worden, das ist fast die Hälfte von dem, was in Österreich überhaupt für Mode ausgegeben wird. Dieser hohe Onlineanteil beschleunigt den Strukturwandel.

Unter dem Strich verliert der stationäre Handel nicht nur außerhalb der großen Städte Marktanteile an die Online-Konkurrenz, der Strukturwandel ist nicht aufzuhalten, ist das Fazit der Studie. Für die Einzelhändler eröffnen sich mit immer durchlässigeren Grenzen zwischen Online- und Offline-Shopping neue Chancen. Der Fachhandel könnte von der zunehmenden Zahl „hybrider Konsumenten“, die qualitativ hochwertige, teure Produkte und Billigmarken nachfragen, profitieren.

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