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Kfz-Wirtschaft im Umbruch

Autohändler und Werkstätten in Österreich stehen unter Druck. Sie müssen den Strukturwandel meistern und die schwache Konjunktur verkraften.

Von Barbara Kussel | Bonn

Der traditionelle Kraftfahrzeughandel in Österreich steckt in der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Die Verkäufe von Neuwagen sinken kräftig, auf dem Gebrauchtwagenmarkt kommt es beim Angebot zu Engpässen. Zudem macht das Onlinegeschäft den Händlern zunehmend Konkurrenz. Schwieriger wird es vor allem für kleine Händler mit Reparaturwerkstätten: Bislang wurde in den Werkstätten oft viel Geld verdient und der weniger lukrative Autohandel quersubventioniert. Doch das Geschäftsmodell wankt, der Konkurrenzdruck im Servicebereich steigt. Dieses Bild zeichnet die Branchenstudie "Kfz-Wirtschaft" der UniCredit Bank Austria, die im Juli 2022 veröffentlicht wurde.

Zur Kfz-Wirtschaft in Österreich gehören rund 13.400 Unternehmen mit etwa 772.000 Mitarbeitern. Im Jahr 2021 hat die Branche einen Umsatz von circa 44 Milliarden Euro erzielt. Gemessen an den Verkaufserlösen sind die 4.200 Neu- und Gebrauchtwagenhändler mit 28,5 Milliarden Euro die größte Sparte. Es folgen 5.900 Werkstätten mit 5,4 Milliarden Euro, außerdem 1.700 Teile- und Zubehör- sowie 500 Motorradhändler mit 4,4 Milliarden beziehungsweise 0,8 Milliarden Euro Umsatz. Hinzu kommen 1.200 Tankstellen im Land, die 2021 etwa 4,9 Milliarden Euro erlöst haben.

Lieferengpässe belasten Neuwagengeschäft stark

Auch in Österreich ist das Geschäft mit Neuwagen schwierig. Derzeit kann selbst die schwächer gewordene Nachfrage nicht mehr bedient werden. Lieferengpässe, stillstehende Bänder sowie fehlende Halbleiter und Vorprodukte sind die Gründe dafür. "Durch die nachhaltig mangelnde Belieferung von Neuwagen drohen wir auf eine existenzbedrohende Situation vieler Betriebe zuzusteuern", warnt Klaus Edelsbrunner, Obmann des Bundesgremiums Fahrzeughandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Insolvenzen und massive Arbeitslosigkeit wären die Folgen, heißt es vonseiten der Kammer.

 "Falls es 2022 nicht zu einer nachhaltigen Trendwende kommt, werden erstmals seit 2022 weniger als 200.000 Autos neu registriert werden", prognostiziert der Autor der Bank-Austria-Studie Günter Wolf. Seit dem Rekord an Neuzulassungen im Jahr 2017 von 353.000 Pkw gehen die Zahlen zurück, im Jahr 2021 auf knapp 240.000. Im 1. Halbjahr 2022 mussten die Händler ein weiteres Minus von mehr als 19 Prozent verkraften. Dabei hat es den deutschen Marktführer Volkswagen mit dem Rückgang von gut 30 Prozent überdurchschnittlich kräftig getroffen.

Top-Automarken in Österreich (Neuzulassungen in Einheiten; Marktanteile und Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Prozent) 

Automarke

Pkw-Neuzulassungen 2021

Marktanteil 2021

Veränderung Pkw-Neuzulassungen 1. Hj. 2022

Gesamt

239.803

100,0

-19,2

Volkswagen

35.966

15,0

-30,2

Skoda

21.808

9,1

-24,5

BMW/Mini

18.204

7,6

-8,3

Renault/Dacia

17.893

7,5

-17,2

Seat/Cupra

17.121

7,1

-21,0

Mercedes/Smart

12.733

5,3

-16,9

Audi

12.424

5,2

-3,7

Ford 

12.109

5,0

-19,2

Hyundai

12.109

5,0

1,4

Fiat

9.831

4,1

-61,0

Quelle: Statistik Austria 2022; UniCredit Research 2022

Gebrauchte Autos werden knapper und teurer

Weil neue Autos ein knappes Gut sind, suchen Käufer auf dem Markt für Gebrauchtwagen, mit der Folge, dass auch dort das Angebot knapper geworden ist. So wurden im Juni 2022 etwa 14 Prozent weniger zwei bis vier Jahre alte Gebrauchte angeboten als noch im entsprechenden Vorjahresmonat. Diese kosteten im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr, geht aus Zahlen des Marktanalysten für die Automobilbranche Eurotax Österreich hervor.

Auf der Umsatzseite aber treffen diese Entwicklungen die Händler weniger stark, denn die Preise für Autos sind deutlich gestiegen, egal ob gebraucht oder neu. Seit dem Jahr 2020 betrug die Steigerung im Durchschnitt 7,8 Prozent per annum. "Der Preisanstieg ist vor dem Hintergrund der rückläufigen Absatzzahlen bemerkenswert. Das ist Hinweis darauf, dass kaum Preisnachlässe gewährt werden und die Listenpreise für Neuwagen gestiegen sind, angetrieben von der hohen Inflation, den strengeren Abgasnormen und einer besseren Ausstattung der Fahrzeuge", schreibt der Ökonom Wolf der UniCredit Bank Austria. Die Zeiten, in denen sich Kunden beim Händler über satte Rabatte freuen konnten, sind vorbei.

Strukturwandel – nicht nur bei den Werkstätten

Der Wandel im After-Sales-Markt ist immens. Die sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung, die zum Wettbewerbsrecht der Europäischen Union gehört, hat auch das Geschäft der Werkstätten aufgemischt. Die Reform der Verordnung aus dem Jahr 2013 gewährt den Nicht-Vertragswerkstätten unter anderem einen erweiterten Zugang zu technischen Informationen der Hersteller. Das wiederum habe einen veritablen Gründungsboom im Servicebereich ausgelöst, so die Studie. Der Wettbewerb unter den Werkstätten ist groß, immer weniger Händler können die schwache Entwicklung ihrer Handelsumsätze mit Einnahmen aus der Werkstatt alimentieren, heißt es weiter. Immerhin konnte die Servicesparte ihre Umsätze in den ersten vier Monaten 2022 um 5,7 Prozent erhöhen, was das Umsatzminus im Handel aber nicht ausgeglichen hat.

Stationärer Autohandel verliert an Bedeutung

Gegenwind erfahren die traditionellen Autohändler zudem dadurch, dass nicht nur gebrauchte Pkw, sondern auch Neuwagen zunehmend im Internet gekauft werden. Darüber hinaus gerate das Neuwagengeschäft durch Shared-Mobility-Angebote stärker unter Druck. Schließlich würden immer mehr Hersteller das ertragreiche Flottengeschäft mit Firmenkunden nicht mehr ihren Händlern überlassen, sondern es selber übernehmen, fasst die Studie die Situation zusammen. 

Um die Klimaneutralität Österreichs zu erreichen, sollen bis 2035 alle Neuzulassungen und bis 2040 der Großteil des Pkw-Bestandes emissionsfrei fahren. Deshalb wird sich die Nachfrage in Zukunft auf Elektro- und Hybridantriebe fokussieren. Im Jahr 2021 ist der Anteil dieser Fahrzeuge an den Neuzulassungen bereits auf 20 Prozent gestiegen. Ihr Anteil am Gesamtbestand erreichte 2,1 Prozent, zur Jahresmitte 2022 waren es 2,4 Prozent. Einkommensschwache Haushalte bleiben aber außen vor. Hohe Anschaffungspreise und der winzige Gebrauchtmarkt behindern ihren Zugang zur Elektromobilität.

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