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In Ostafrika sinkt der finanzielle Spielraum der Regierungen. Für die Investitionen heißt das nichts Gutes. Äthiopien wurde jüngst im Kreditrating herabgestuft.
04.03.2021
Von Ulrich Binkert | Bonn
Die Meldung vom Februar 2021 schreckte auf: Ugandas Regierung muss im kommenden Budget 2021/22 praktisch die gesamten Einnahmen für die Bedienung bestehender Staatschulden ausgeben. Beamtengehälter, neue Schulen oder das Militär sind damit komplett auf Pump zu finanzieren. Im benachbarten Kenia soll im laufenden Haushaltsjahr 2020/21 über die Hälfte der ordentlichen Staatseinnahmen in den Schuldendienst fließen, in Tansania sind es 44 Prozent.
Mitten in der Corona-Pandemie können die Menschen damit noch weniger als bisher auf staatliche Unterstützung hoffen. Leiden werden auch die gesamtwirtschaftlichen Investitionen. Angesichts des teils widrigen Investitionsumfelds für Private, tätigt der Staat regelmäßig ein Drittel der Ausgaben, in Ruanda ist es sogar die Hälfte. Das ist deutlich mehr als in anderen Weltregionen.
Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung allerdings sind die öffentlichen Schulden nicht übermäßig gestiegen, so jedenfalls die offiziellen Zahlen. Einen Anstieg verzeichneten zuletzt Kenia, Uganda und vor allem Ruanda, während die Schuldenquote in Äthiopien und Tansania gleichblieb. Die 40 bis 70 Prozent liegen deutlich unter den Werten wie etwa in Griechenland, Italien oder Japan, auch wenn ein Vergleich mit diesen Ländern schwierig ist.
Ein relativ großer Anteil der öffentlichen Schulden der Region entfällt auf Kreditgeber im Ausland. In Ruanda, Tansania und Uganda bewegt sich deren Anteil bei drei Vierteln. In absoluten Zahlen hat sich die Höhe der Auslandsverschuldung nach Angaben der Weltbank zwischen 2009 und 2019 nahezu vervierfacht: Kenia, Tansania, Uganda und Ruanda steigerten die Verbindlichkeiten demnach von knapp 20 Milliarden auf rund 74 Milliarden US-Dollar (US$).
Schon vor Ausbruch der Coronakrise stand die Region damit nach Ansicht von Beobachtern schlechter da als zu Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007. Mehr Finanzbedarf bei geringeren Einnahmen sowie rückläufige Wachstumsraten wegen des Virus kommen zur Unzeit. „Ohne Wirtschaftswachstum steigt offenkundig das Risiko der Zahlungsunfähigkeit“, heißt es dazu bei UNECA, der UN-Wirtschaftskommission für Afrika. Denkbar ist auch, dass ausländische Geber künftig zurückhaltender sind, Rückzahlungen zu stunden oder neue Kredite und Zuschüsse zu vergeben, angesichts der wegen Corona tiefroten Budgets weltweit.
China, einer der der wichtigsten Kreditgeber der Region, trat schon vor der Pandemie beim finanziellen Engagement in Ostafrika auf die Bremse. Zu den laufenden, oft milliardenschweren Darlehen gibt es zudem kaum Informationen zu Laufzeiten oder anderen Konditionen. Äthiopien erhielt von 2010 bis 2018 alleine für größere Projekte Kredite von insgesamt 8,3 Milliarden US$, so eine Aufstellung der Boston University. Kenia erhielt demnach 8,8 Milliarden US$. Im August 2020 lehnte die China Eximbank eine Bitte Ugandas ab, die Rückzahlung eines Kredits für den Bau des 1,7-Milliarden-US$ teuren Karuma-Staudamms zu verschieben.
Mitte Februar 2021 einigte sich Kenia mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf eine weitere Finanzierung über 2,4 Milliarden US$, die sich über gut drei Jahre erstreckt. Mit dem Geld will der Fonds, über eine Stabilisierung der Wirtschaft, ausdrücklich auch die Verschuldung des Landes drücken. Die drei führenden internationalen Kreditratingagenturen hatten Kenia bereits Mitte 2020 leicht schlechter bewertet (Moodys: B2 negativ).
Das Minus in Kenias Staatshaushalt erreicht derzeit um die 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und dürfte nach Schätzung der Economist Intelligence Unit (EIU) vorerst auch in diesem Bereich verharren. Im Budget 2020/21 ist der geplante Schuldendienst mit umgerechnet 8,2 Milliarden US$ deutlich höher als es die „Entwicklungsausgaben“ (5,3 Milliarden US$) sind - zu denen übrigens auch ausländisch finanzierte Projekte zählen.
Im Falle von Äthiopien ist die „weitere Verschlechterung“ der chronisch stark defizitären Leistungsbilanz ein Grund dafür, warum die Ratingagenturen Standard & Poor´s und Fitch das Land Mitte Februar 2021 herabstuften. Bei niedrigen Warenausfuhren floss in den letzten Jahren rechnerisch mehr als die Hälfte der Exporteinnahmen allein für die Bedienung der Auslandsschulden wieder ab, so Zahlen der EIU. Mit den Währungsreserven lassen sich demnach Warenimporte von gerade einmal gut zwei Monaten bezahlen.
Fitch nennt als Grund für seine Herabstufung auch die Schuldenumstrukturierung unter dem „G20-Rahmen“. Äthiopien hatte Ende Januar 2021 als eines der ersten Länder angekündigt, dieses Angebot nutzen zu wollen. Die führenden Industrie- und Schwellenländer der G20-Gruppe wollen damit nach einem Beschluss vom November 2020 die ärmsten Staaten vor Zahlungsunfähigkeit schützen. Zudem, so Fitch, unterstreiche der bewaffnete Konflikt in Nordäthiopiens Region Tigray die politischen Konflikte im Land.
Fragen gibt es auch zu den veröffentlichten Budgetzahlen. Cepheus Capital in Addis Abeba nannte in einer Aufstellung vom Juli 2020 für das Finanzjahr 2020/21 einen „Schuldendienst“ von umgerechnet rund 1 Milliarde US$. Bereits nach dem 1. Quartal des Finanzjahrs war die Hälfte dieser Summe erreicht. Und von den 483 Millionen US$ entfielen lediglich 41 Millionen US$ auf die Zentralregierung, der große Rest auf Staatsunternehmen.
Ugandas Regierung muss in ihrem 12,4-Mililiarden US$-Budget für 2021/22 mit 5,7 Milliarden US$ fast die Hälfte für den Schuldendienst ausgeben. Bei Einnahmen in ähnlicher Höhe sind über die Hälfte der Ausgaben durch neue Kredite zu finanzieren.
Tansania sieht in seinem Budgetplan 2020/21 einen Schuldendienst von 4,5 Milliarden US$ vor. Das sind 30 Prozent der gesamten Ausgaben, nachdem es im Jahr zuvor noch 18 Prozent waren. Für Zins und Tilgung muss damit auch nahezu jeder zweite Schilling verwendet werden, den die Regierung einnimmt (10,4 Milliarden US$, ohne Kredite).