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Wirtschaftsumfeld
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Wirtschaftsumfeld | Asien | Coronavirus
Asien - Ursprungsort der Pandemie - dürfte die Krise als erste Weltregion überwinden. Die Aussichten für Branchen sind aber durchwachsen.
22.05.2020
Von Lisa Flatten, Achim Haug, Anna Westenberger | Bonn
Die von hohen Wachstumsraten verwöhnte Region Asien-Pazifik bleibt zwar nicht verschont, dennoch prognostiziert der Internationale Währungsfonds unter den Regionen weltweit nur für Emerging and Developing Asia für 2020 ein positives Wirtschaftswachstum von 1 Prozent. Im Jahr 2021 soll mit 8,5 Prozent eine kräftige Erholung einsetzen (weltweit 2020: -3 Prozent). Treiber bleiben 2020 die großen Volkswirtschaften China (+1,2 Prozent) und Indien (+1,9 Prozent).
Die Länder Asiens haben nach der Asienkrise 1997 ihre Finanzstabilität erhöht, es droht kein hohes Risiko durch Staatsverschuldung. Die Verschuldung der Haushalte kann dagegen in Einzelfällen den Konsum hemmen, relativ hoch im Verhältnis zum Einkommen ist diese in Südkorea und Thailand. Besonders verletzlich durch die Krise sind informell Beschäftigte in Indien, Indonesien und den Philippinen.
„In Indien drohen eine Pleitewelle bei kleinen Unternehmen und damit extreme Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt."
berichtet Boris Alex, GTAI-Korrespondent in Neu Delhi. "Rund 80 Prozent der Erwerbstätigen sind im nicht-organisierten Sektor beschäftigt“.
Die staatliche Krisenreaktion ist unterschiedlich erfolgreich: Während China mit scharfen Einschränkungen die Ansteckungen rasch in den Griff bekommen hat, haben Südkorea und Taiwan ohne große Beschränkungen der Bewegungsfreiheit die medizinische Krise im weltweiten Vergleich sehr gut gemeistert. Sie schalten jetzt auf Wachstum um. Am schärfsten sind die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit in Indien, Malaysia und den Philippinen.
Öffentliche Gelder flossen bislang vor allem in kurzfristige Maßnahmen zur Krisenabfederung, insbesondere in Liquiditätssicherung und Sozialprogramme. Mit großen Chancen durch Konjunkturpakete ist nicht zu rechnen. „In China wird es vermutlich kein großes Konjunkturprogramm wie zu Zeiten der Finanzkrise geben“, so die Einschätzung von Stefanie Schmitt, GTAI-Korrespondentin in Beijing. Die Verschuldung soll unter Kontrolle gehalten werden. Japan hat eines der weltweit größten Maßnahmenpakete angekündigt, das zum großen Teil aus direkten Krisenhilfen für Firmen besteht.
Infrastrukturprogramme sind in Ländern wie Vietnam, Malaysia, Singapur und Hongkong im weiteren Jahresverlauf zu erwarten. Beteiligungschancen für deutsche Firmen dürften jedoch eher gering ausfallen. Sie könnten allerdings von Kaufprämien für Produkte profitieren, zum Beispiel für Kfz in Südkorea. Das Image von made in Germany bleibt sehr gut; die deutsche Krisenreaktion wird allerdings von wenigen Asiaten differenziert von anderen westlichen Ländern betrachtet und mitunter skeptisch gesehen.
Die Krise beschleunigt zwei strukturelle Trends in Asien: die Neuorientierung von Lieferketten und die Präsenz Chinas im Ausland, inklusive der Gegenreaktion darauf. Durch den Handelskonflikt und aus Kostengründen waren Einkäufer schon vor der Coronakrise auf der Suche nach Alternativen zu China (China+1-Strategie). Die Abhängigkeit von einem einzelnen Land bei Vorprodukten und kritischen Gütern wird zunehmend als Verletzlichkeit wahrgenommen. Der Trend geht zur Diversifizierung von Lieferketten, Gewinner sind Staaten Südostasiens. Vor allem Vietnam gerät in den Fokus: Dieses Jahr tritt das Freihandelsabkommen mit der EU in Kraft. Auch Indien hat sein Werben um ausländische Investoren noch einmal verstärkt.
Taiwan verzeichnete mit einem Rückholprogramme für Firmen schon 2019 große Erfolge, und Japan hat eine ähnliche Strategie als Teil des Anti-Corona-Pakets angekündigt. Australien will wieder mehr verarbeitendes Gewerbe anziehen, fährt aber gleichzeitig Schranken für chinesische Investitionen hoch. Deutsche Firmen bleiben dem Standort China treu, schon allein aufgrund der großen Bedeutung als Absatzmarkt. Das Land will sich aktuell stärker auf den Binnenmarkt und weniger auf den Export konzentrieren. „Bei Seidenstraßenprojekten könnte die Coronakrise kurz- und mittelfristig zu Stopps und Verspätungen führen. Beijing wird aber an der Initiative festhalten und könnte für Staaten in Finanzierungsschwierigkeiten mit seinen Paketlösungen ein willkommener Partner sein“, so Lisa Flatten, Koordinatorin für die Neue Seidenstraße bei der GTAI.
Klare Chancen für deutsche Firmen in einzelnen Branchen lassen sich aktuell nicht ablesen. In vielen Ländern ist der Nachholbedarf im Gesundheitswesen deutlich geworden, und die Nachfrage nach Medizintechnik dürfte steigen. Auch gegenteilige Entwicklungen sind jedoch zu verzeichnen, zum Beispiel durch den vollständigen Einbruch des Medizintourismus in Thailand. Krisengewinner ist über Branchengrenzen hinweg die Digitalisierung. Die Plattformökonomie erlebt einen Boom, der zum Teil auch nachhaltig sein dürfte. Auch im Gesundheitsbereich erhalten digitale Lösungen durch die Krise einen Schub.
Die Aussichten der Kfz-Industrie sind aktuell düster, dürften sich aber rasch wieder aufhellen. Das Luxussegment läuft in China und Südkorea bereits heute gut. Einen Einbruch verzeichnet in China allerdings die Elektromobilität.
„Deutsche Autobauer, die auf den Elektroantriebstrend aufgesprungen waren, sind nun stärker betroffen als Autobauer, die weiter auf traditionelle Antriebe gesetzt haben.“
so Corinne Abele, GTAI-Korrespondentin in Shanghai.
Die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen dürfte zunächst in der ganzen Region schwach bleiben. Die Bauwirtschaft kann zum Teil von Infrastruktur- und Wohnungsbauprogrammen profitieren, allerdings kommt es auch zu Verzögerungen von zuvor geplanten staatlichen Projekten. Einige südostasiatische Länder kämpfen zudem stark mit dem Ausbleiben internationaler Touristen. „In Thailand macht der Fremdenverkehr 20 Prozent des BIP aus. Seit März gab es viele Entlassungen, auch der informelle Sektor bekommt die Auswirkungen zu spüren“, berichtet Thomas Hundt, GTAI-Korrespondent in Bangkok.