Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Palästinensische Gebiete | Arbeitsmarkt

Israels Abriegelungspläne bedrohen palästinensische Wirtschaft

Nach Anschlägen will Israel seine Sperranlage zur Westbank weiter ausbauen. Die Folgen für den palästinensischen Arbeitsmarkt könnten gravierend sein.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Im April 2022 hat Israels Regierung angekündigt, die heute nur zum Teil bestehende Sperranlage zum Westjordanland auszubauen, um den behördlich nicht genehmigten Übertritt von Palästinensern in das israelische Kernland einzudämmen. Ministerpräsident Naftali Bennett kündigte an, das Problem „gründlich anzugehen“. Als erster Schritt wurde ein Ausbau der Sperranlage um 40 Kilometer beschlossen.

Sicherheitseffekt der Sperranlage bisher begrenzt

Diese Entscheidung folgte nach Anschlägen von Palästinensern aus der Westbank in Tel Aviv und in dessen Anrainerstadt Bnei Brak. Die Anschläge lenkten den Blick auf die Sperranlage, die größtenteils innerhalb der Westbank und zum kleineren Teil entlang der international anerkannten Staatsgrenze verläuft. Der palästinensischen Bevölkerung des Westjordanlandes erschwert sie das Leben und bringt Israel internationale Kritik ein, für die Sicherheit des Landes ist sie aber nur von begrenztem Nutzen.

Bisher wurden nur 62 Prozent der geplanten Strecke gebaut. Zudem wurden in Zäune, die einen großen Teil der Anlage ausmachen, zahlreiche Breschen geschlagen. So ist der Zugang nach Israel recht frei, was vor allem von palästinensischen Arbeitnehmern genutzt wird, die dort ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt sind.

Gefahr massiver Einkommensverluste

Die neuen Abriegelungspläne stellen eine Gefahr für die Wirtschaft und die Stabilität des Westjordanlandes dar. Nach Angaben des Palestinian Central Bureau of Statistics (PCBS) gingen 2021 insgesamt 145.000 Palästinenser ihrer Berufstätigkeit bei israelischen Arbeitgebern nach - in Israel oder in israelischen Siedlungen im Westjordanland. Hiervon hatten circa 36.000 keine Arbeitserlaubnis. Bei den allermeisten dieser Beschäftigten handelt es sich um Bewohner der Westbank.

Von kritischer Bedeutung ist die Tatsache, dass die bei israelischen Arbeitgebern beschäftigten Palästinenser besser bezahlt werden. Daher ist ihr Beitrag zum Gesamtarbeitseinkommen der palästinensischen Gebiete viel höher, als es ihrem Anteil an der Gesamtzahl aller beschäftigten Arbeitskräfte entspricht.

Höhere Löhne bei israelischen Arbeitgebern

Nach den jüngsten vorliegenden Zahlen des PCBS lag der von palästinensischen Arbeitgebern gezahlte durchschnittliche Tagesverdienst 2020 bei knapp über 100 Neue Schekel (NIS) - die israelische Währung ist in den palästinensischen Gebieten das vorherrschende Zahlungsmittel. Das entsprach nach dem jahresdurchschnittlichen Wechselkurs rund 31 US-Dollar. 

Dagegen wird der Tageslohn von Palästinensern bei israelischen Arbeitgebern auf mehr als 200 Neue Schekel geschätzt. Nach Angaben des PCBS verdiente ein palästinensischer Bauarbeiter bei israelischen Arbeitgebern 2021 im Durchschnitt 266 NIS pro Tag.

Da 63 Prozent aller für Israelis tätigen Palästinenser im Bauwesen beschäftigt sind, lässt sich grob annehmen, dass der palästinensische Arbeitnehmer in Israel und den Siedlungen im Durchschnitt rund das Zweieinhalbfache des palästinensischen Arbeitsentgelts verdient. Unter dieser Prämisse kommt diese Gruppe für rund 28 Prozent des gesamten Arbeitseinkommens palästinensischer Arbeitnehmer auf.

Israel muss Risiken abwägen

Daher wäre ein Arbeitsstopp für die „Illegalen“ ein besonders schwerer Schlag für die palästinensische Wirtschaft. Das gilt nicht nur für die Betroffenen und ihre Familien. Vielmehr würde auch die Konsumnachfrage erheblich sinken und die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit steigen. Das hätte unausweichlich schwerwiegende Folgen für die Stabilität der Palästinensischen Nationalbehörde und würde die israelisch-palästinensischen Spannungen auf der militärischen Ebene steigern.

Dass eine Vermeidung dieses Szenarios auch in israelischem Interesse liegt, ist naheliegend. Eine mögliche Lösung bestünde in einer parallelen Erhöhung der Arbeitsgenehmigungen, deren Inhaber über offizielle Grenzübertrittsstellen zu ihrem Arbeitsplatz gelangen. Vorerst aber bleibt abzuwarten, welchen Weg die israelische Regierung einschlagen wird.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.