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Das starke Bevölkerungswachstum und eine hohe wirtschaftliche Dynamik treiben die Nachfrage nach Arzneimitteln in den kommenden Jahren an.
07.01.2021
Von Alexander Hirschle | Taipei
Anfang 2020 waren die Prognosen für den lokalen Pharmasektor in den Philippinen recht optimistisch. Eine Studie der Beratungsgesellschaft KPMG prognostizierte 2019 jährliche Wachstumsraten von 4,5 Prozent bis 2024. Andere Branchenstudien, wie etwa vom Marktforschungsinstitut IHS, gehen im Durchschnitt sogar von mehr als 7 Prozent pro Jahr zwischen 2022 und 2028 aus. Damit läge das Wachstum über dem regionalen Mittelwert von 6,4 Prozent für ganz Asien-Pazifik.
Bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie waren die Philippinen eine der dynamischsten Ökonomien in der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) mit Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von regelmäßig mehr als 6 Prozent. Allerdings hat die Coronakrise das asiatische Land im Jahresverlauf in die tiefste Rezession seiner Geschichte gerissen, die auch am Pharmasektor nicht spurlos vorbeigegangen sein dürfte. Der Inselstaat gilt als eines der am schwersten betroffenen Länder in Südostasien und die Gegenmaßnahmen als die härtesten und längsten in der Region.
Doch schon bald soll das Wirtschaftswachstum wieder deutlich anziehen. So schätzt die Economist Intelligence Unit, dass spätestens ab 2022 wieder BIP-Zuwächse von 6 Prozent und mehr in den Philippinen realisiert werden können, was sich auch positiv auf die Nachfrage nach Arzneimitteln auswirken würde.
Der Archipel ist mit fast 110 Millionen Einwohnern bereits heute ein großer potenzieller Markt für die Branche und wird weiter wachsen. Die Bevölkerung ist mit einer Fertilitätsrate von 2,6 (Stand 2019) eine der am schnellsten zunehmenden in Südostasien. Knapp die Hälfte der Einwohner ist unter 24 Jahre alt. Die Kaufkraft im Land steigt sukzessive an, unter anderem dank des florierenden Business Process Outsourcing (BPO)-Sektors und der hohen Geldtransfers von im Ausland arbeitenden Philippinern. Die Mittelschicht wächst in Jahren, die nicht von einer weltweiten Pandemie gekennzeichnet sind, um bis zu 300.000 Menschen an.
Der Eigenanteil der Haushalte an den medizinischen Kosten steigt stetig. Lag er Mitte der 90er Jahre noch bei 47 Prozent, erreichte der Anteil 2017 nach den letzten verfügbaren Zahlen der lokalen Wettbewerbskommission Philippine Competition Commission 54 Prozent und damit einen der höchsten Werte in Asien. Als ein großes Problem gilt, dass viele Haushalte sich die für ihre Behandlung notwendigen Medikamente bislang kaum leisten können. Das Durchschnittseinkommen auf dem Archipel liegt bei knapp 300 US-Dollar (US$) pro Monat.
Das ausbaufähige Gesundheitssystem stellt eine große Herausforderung für die Philippinen dar. Die Hälfte der Einwohner stirbt, ohne jemals in ihrem Leben einen Arzt konsultiert zu haben. Der Staat hat in den vergangenen Jahren seine Ausgaben für die Modernisierung und den Neubau von Krankenhäusern reduziert und sich mehr auf die Finanzierung der Krankenversicherung fokussiert.
In Bezug auf die Attraktivität als Markt für Arzneimittel stehen die Philippinen nach Angaben von KPMG an elfter Stelle in der Region Asien-Pazifik und sind nach Indonesien und Thailand der drittgrößte Markt unter den ASEAN-Staaten. Der jährliche Umsatz des lokalen Pharmamarkts soll sich Schätzungen zufolge auf etwa 4,5 Milliarden US$ belaufen. Der Anteil von Generika an den gesamten Arzneimittelverkäufen stieg in den vergangenen Jahren und erreichte 2016 (letzte verfügbare Zahlen) 76 Prozent. Allerdings ist es sehr schwer, in den Philippinen umfassende und verlässliche Analysen und Prognosen zu dieser Branche zu erhalten, da die Datenbasis begrenzt und in Teilen inkonsistent ist.
Der Wert der lokalen Produktion wurde vom Fachverband Pharmaceutical and Healthcare Association of the Philippines (PHAP) 2018 inklusive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf 3,4 Milliarden US$ geschätzt. Mehrere internationale Branchenunternehmen betreiben eigene Produktionsstätten vor Ort und zeichnen für knapp 60 Prozent des Branchenoutputs verantwortlich. Zu den größten ausländischen Herstellern zählen gemäß Einschätzung von KPMG Sanofi, Pfizer und GlaxoSmithKline. Insgesamt gibt es verschiedenen Schätzungen zufolge bis zu 110 Hersteller von Medikamenten auf dem Archipel. Der größte inländische Produzent ist Unilab (United Laboratories Inc). Der Anteil der lokalen Hersteller ist in den vergangenen Jahren gewachsen.
Punkte, die nach Einschätzung der Regierung für die Philippinen als Produktionsstandort sprechen, sind die hohe Verfügbarkeit von Vorerzeugnissen für pharmazeutische Produkte sowie die Mitgliedschaft in der ASEAN und der damit verbundene erleichterte Zugang zu den anderen Märkten in Südostasien. Als Hemmnisse sehen Branchenexperten hingegen die mangelnde Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften sowie langsame Zulassungsprozesse für pharmazeutische Produkte.
Insgesamt sind rund 4.800 Distributoren und 650 Importeure von Arzneimitteln im Land tätig. Der Wert der gesamten Einfuhren von Arzneimitteln betrug 2019 rund 1,7 Milliarden US$ und konnte damit um 10,2 Prozent zulegen. Aus Deutschland wurden dabei Pharmazeutika im Wert von 190 Millionen US$ bezogen. Bis September 2020 blieben die Branchenimporte im Vergleich zur Vorjahresperiode nahezu konstant.
Im Gegenzug beliefen sich die Exporte 2019 auf lediglich 47,9 Millionen US$, was jedoch einem Anstieg von 20,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach. In den ersten drei Quartalen 2020 hingegen waren die Arzneimittelausfuhren nur 1,9 Prozent höher als im entsprechenden Zeitraum ein Jahr zuvor.