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5G-Ausbau in Polen stockt
Bislang hat Polen noch keine 5G-Pionierfrequenzen versteigert. Die Regierung will die Rolle staatlicher Telekommunikationsanbieter stärken. Private Unternehmen protestieren.
29.11.2021
Von Christopher Fuß | Warschau
In Ballungsräumen gingen erste 5G-Netze bereits 2018 testweise in Betrieb. Auf den aktuell genutzten Funkfrequenzen bleibt die Technik aber hinter ihren Möglichkeiten. Um Mobilfunk der fünften Generation flächendeckend anzubieten, benötigt die Branche weitere Frequenzbänder.
Schon 2020 sollten deshalb Auktionen stattfinden. Die Versteigerung der Frequenzen gilt als wichtige Voraussetzung für den Netzausbau. Bedingt durch die Pandemie annullierte die Regulierungsbehörde (Urząd Komunikacji Elektronicznej; UKE) den Auktionstermin. Ein neues Datum steht nicht fest. Zunächst will die Regierung das Cybersicherheitsgesetz (Krajowy System Cyberbezpieczeństwa; KSC) anpassen. Im Oktober 2021 stellte der Staatssekretär für Digitalisierung, Janusz Cieszyński, einen Neuentwurf vor - und stieß prompt auf Widerspruch.
Name | Herkunftsland | Anteil1 |
---|---|---|
Orange | Frankreich | 34 |
P4 (Play) | Polen | 18 |
T-Mobile | Deutschland | 17,1 |
Polkomtel (Plus) | Polen | 14,5 |
Sonstige | - | 16,4 |
Nicht alle Frequenzen sollen versteigert werden
Für den 5G-Ausbau ist aus technischen Gründen der Frequenzbereich von 700 Megahertz (MHz) besonders wichtig. Ausgerechnet dieses Band soll laut Gesetz nicht versteigert werden. Stattdessen geht die 700-MHz-Frequenz an ein neues Unternehmen namens Polskie 5G.
Insgesamt 52 Prozent an dieser Gesellschaft halten der Polnische Entwicklungsfonds (Polski Fundusz Rozwoju; PFR) und ein noch unbekannter staatlicher Betreiber von sicherheitsrelevanten Netzen (Operator System Sieci Bezpieczeństwa; OSSB). Die übrigen 48 Prozent können private Dienstleister über Ausschreibungen erwerben. Reicht eine Firma kein Angebot ein, hat sie immer noch die Möglichkeit, Mobilfunkkapazitäten von Polskie 5G einzukaufen.
Das KSC verpflichtet die teilstaatliche Projektgruppe, eine flächendeckende 5G-Versorgung sicherzustellen, insbesondere in abgelegenen Gebieten. Die Regierung argumentiert, dass mit einem zentralen Betreiber Kosten gespart werden können. Es müssten nicht Funkmasten verschiedener Anbieter aufgestellt werden.
Die Idee eines staatlich kontrollierten Hauptbetreibers (Wholesale Operator) ist nicht neu. Bereits 2019 unterzeichneten Mobilfunkanbieter und Regierungsvertreter eine Absichtserklärung. Darin hieß es, das 700-MHz-Frequenzband könne "potenziell von einer Projektgesellschaft namens #POLSKIE5G unter Führung eines Staatsunternehmens" verwaltet werden. Vorsichtige Kritik äußerten Branchenvertreter schon damals.
Unternehmen fühlen sich übergangen
Nach Präsentation des KSC-Neuentwurfs haben sich die meisten Wirtschaftsverbände entschieden gegen das geplante Betreibermodell ausgesprochen. Man befürchtet, der private Gesellschafter von Polskie 5G werde einen Großteil der Kosten des Netzausbaus mittragen müssen, aber bei unternehmerischen Fragen außen vor bleiben. Deutlich formuliert es die Arbeitgebervertretung Konfederacja Lewiathan: "Wir halten nichts von der Gründung einer Gesellschaft, deren Minderheitseigner keinen Einfluss auf wichtige Entscheidungen hätte."
Die unternehmensnahe Stiftung Digital Poland gibt zu bedenken, dass kaum ein Industrieland auf staatlich kontrollierte Hauptbetreiber setzt. Dieses Modell sei teuer und ineffektiv. Stattdessen würden andernorts private Betreiber untereinander die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur aushandeln. Beim Netzausbau in entlegenen Ortschaften hätten sich Subventionen und Ausschreibungen bewährt.
Staatssekretär Cieszyński sieht die Unternehmen in der Pflicht. Der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna sagte er: "Ich bin überzeugt, dass wir einen Konsens bei Polskie 5G erreichen. Andernfalls hätten die Mobilfunkbetreiber nicht ein Memorandum unterzeichnet. Wenn sie das Vorhaben für nicht machbar hielten, hätten sie sich nicht beteiligt."
Auf wenig Gegenliebe stoßen auch Pläne, Teile des 700 MHz-Bandes für sicherheitsrelevante öffentliche Stellen zu reservieren. Alleiniger Mobilfunkdienstleister auf diesen Frequenzen wäre der OSSB. Nach Meinung der Stiftung Digital Poland umfasst die Gesetzesnovelle hier zu viele Frequenzbereiche. Außerdem sei die Liste der sicherheitsrelevanten Stellen in Teilen nicht nachvollziehbar.
Huawei ist noch nicht ganz aus dem Rennen
Kaum Fortschritt gib es in der Frage, welche Technik beim 5G-Ausbau zum Einsatz kommen darf. Der aktuelle Entwurf des KSC erlaubt, ähnlich wie schon eine Version von Anfang 2021, bestimmte Lieferanten als sogenannte Hochrisikounternehmen (High Risk Vendor; HRV) auszuschließen. Branchenexperten vermuten, der HRV-Mechanismus ziele insbesondere auf das chinesische Unternehmen Huawei ab. Der Hersteller geriet in Polen nicht zuletzt wegen Spionagevorwürfen in Kritik.
Mitverantwortlich bei der Prüfung eines Lieferanten ist laut KSC das Kollegium für Cybersicherheit. Das neue Gremium untersucht beispielsweise, ob das Herkunftsland eines Unternehmens in die Geschäftstätigkeiten eingreifen könnte. Mitglieder des Kollegiums sind unter anderen verschiedene Minister. Wird ein Lieferant als HRV eingestuft, ist er nicht nur von künftigen Projekten ausgeschlossen. Mobilfunkanbieter müssen auch bereits verbaute Technik ersetzen. Mehrere Branchenvertreter fordern, in die Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden. Außerdem wünschen sich die Interessenverbände mehr Spielraum beim Austausch verbauter Technik.
Eine schnelle Lösung gilt als unwahrscheinlich
Ein klärendes Treffen zwischen Staatssekretär Cieszyński und Mobilfunkanbietern Anfang November 2021 verlief laut Angaben der Wirtschaftszeitung Puls Biznesu ergebnislos. Eine Verabschiedung des KSC im Parlament könnte frühestens im 1. Halbjahr 2022 erfolgen. Damit verzögert sich auch die Versteigerung der übrigen 5G-Frequenzbänder.
Nicht ohne Einfluss auf die Diskussion um 5G sind zwei Ereignisse vom Sommer 2021. Mit dem Ausscheiden der wirtschaftsliberalen Partei Verständigung (Porozumienie) aus der Regierungskoalition haben unternehmensfreundliche Stimmen politischen Einfluss verloren. Gleichzeitig rückt das Thema Cybersicherheit in den Fokus. Hacker hatten Zugriff auf die E-Mail-Konten verschiedener Regierungsmitglieder erlangt. Seit Juni 2021 werden alte E-Mails verschiedener Minister anonym im Internet veröffentlicht.