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Branche kompakt | Polen | Abfallwirtschaft

Die Abfallwirtschaft steht vor neuen Herausforderungen

Polen investiert auch künftig weiter in die Abfallbehandlung. Seit 2022 gelten neue Bestimmungen zu Kreislaufwirtschaft und Produzentenverantwortung.

Von Beatrice Repetzki | Berlin

  • Marktchancen

    Der Bedarf an Investitionen in Polens Abfallverwertung ist weiterhin hoch. Vorrang haben Mülltrennung und Wiedergewinnung. Es entstehen aber auch neue Müllverbrennungsanlagen .

    Die Entsorgung muss ökologischer werden

    Polen muss seine legalen und illegalen Deponien verringern und mehr kommunale Abfälle recyclen beziehungsweise verbrennen. Die Europäische Union (EU) mit ihren immer strengeren Umweltauflagen kofinanziert einen Teil der Projekte. Am 1. Januar 2022 traten neue Vorschriften zur Abfallwirtschaft in Kraft (siehe Gesetzesnovelle vom 17. November 2021). Damit setzt Polen das Paket der EU-Vorgaben vom 30. Mai 2018 um.

    Angestrebt wird eine Abfallwirtschaft mit einem geschlossenen Materialkreislauf. Dazu ist eine erweiterte Produzentenverantwortung für die spätere Entsorgung von Produkten und Verpackungen nötig. Zur Produzentenverantwortung und zum Pfand-System sind in Polen weitere Gesetzesprojekte in Arbeit. Ein Pfand soll 2022 für Plastikflaschen mit bis zu 3 Litern und Glasbehälter mit bis zu 1,5 Litern Inhalt eingeführt werden. Bis 2025 müssen laut EU-Vorgaben 65 Prozent der Verpackungsabfälle recycelt werden. Bis 2030 sollen es 70 Prozent sein. Der polnische Einzelhandel soll zur Rücknahme von Verpackungen und Verpackungsabfällen verpflichtet werden.

    Seit 2022 darf getrennt eingesammelter Müll nicht mehr verbrannt werden. Bei seiner Weiterverarbeitung entstandene Abfälle dürfen nur dann verbrannt oder deponiert werden, wenn das ökologischer wäre als ihre Wiederverwertung. Für eine Deponierung führt Polen Höchstmengen ein. So dürfen von 2025 bis 2029 nur noch 30 Prozent der gewichtsmäßigen Siedlungsabfälle auf Müllhalden landen, von 2030 bis 2034 nur noch 20 Prozent und ab 2035 nur noch 10 Prozent.

    Abfallwirtschaft investiert stärker

    Die Investitionen (ohne Kleinbetriebe) in die Abfallwirtschaft einschließlich Wiedergewinnung von Rohstoffen stiegen laut dem Statistischen Hauptamt GUS in den ersten drei Quartalen 2021 auf 192,6 Millionen Euro (auf Złoty-Basis nominal +32,3 Prozent gegenüber den ersten drei Quartalen 2020). Diese Aufwendungen summierten sich 2020 auf 228,2 Millionen Euro (1 Euro = 4,4430 Złoty, Jahresdurchschnittskurs 2020). Einschließlich der Kleinbetriebe sank der investierte Betrag um 8,6 Prozent gegenüber 2019 auf 387,5 Millionen Euro.

    Die Anzahl der im Abfallsektor begonnenen Projekte ging jedoch in den ersten drei Quartalen 2021 leicht auf 254 zurück (Januar bis September 2020: 259). Im Jahr 2020 wurden 423 Vorhaben gestartet. Die Umsätze der Abfallwirtschaft einschließlich Wiedergewinnung von Rohstoffen betrugen 2021 laut GUS 6.615,9 Millionen Euro (ohne Kleinbetriebe). Das entsprach auf Zloty-Basis einem realen Zuwachs gegenüber 2020 um 15,3 Prozent (5.586 Millionen Euro). Die Umsätze sämtlicher Branchenfirmen summierten sich 2020 (2019) auf 7.234,5 (6.258,9) Millionen Euro.

    Die Stadtreinigungsbetriebe beliefern kostenpflichtig die zahlreichen kommunalen oder privaten regionalen Anlagen zur Verarbeitung kommunaler Abfälle (Regionalna Instalacja Przetwarzania Odpadów Komunalnych, RIPOK) ab. Diese müssen ausgebaut und modernisiert werden. Für die Bevölkerung bedeutet all das weiter steigende Preise für die Müllabfuhr.

    Mülltrennung für mehr Recycling

    Laut GUS betrug das gesamte inländische Abfallaufkommen 2020 (2019) fast 123 (127) Millionen Tonnen, darunter 110 (114) Millionen Tonnen andere als Gemeindemüll. Davon stammten 55,6 Prozent von Bergbau und Förderung, gefolgt von der Industrie (21,1 Prozent), dem Energiesektor (10,6 Prozent) und anderen. Fast die Hälfte der Abfälle (48 Prozent) wurde wieder gewonnen, 42 Prozent wurden deponiert, 6 Prozent auf andere Weise unschädlich gemacht, und für 4 Prozent gibt es keine Angaben.

    Offiziell entstanden 2020 laut GUS 13,12 Millionen Tonnen kommunale Abfälle (+2,9 Prozent; 2019 rund 12,75 Millionen Tonnen). Davon stammten 11,29 Millionen Tonnen von privaten Haushalten (86 Prozent). Pro Kopf der Bevölkerung entstanden 342 (332) Kilogramm Abfall. Hinzu kamen 2020 rund 821.000 Tonnen genehmigte importierte Abfälle (+43 Prozent), von denen 68 Prozent aus Deutschland stammten. Polen selbst exportierte 621.000 Tonnen, gut sechs Mal so viel wie 2020, darunter 43 Prozent nach Deutschland.

    Inländisches Aufkommen und Behandlung des Siedlungsmülls 2020 (Menge in Millionen Tonnen, Anteile in Prozent)

    Menge

    Anteil

    Wiederverwertet

    7,7

    59

    .Recycling

    3,5

    27

    .Energieerzeugung durch Verbrennen

    2,7

    20

    .Biologische Behandlung

    1,6

    12

    Unschädlich gemacht

    5,4

    41

    .Deponiert

    5,2

    40

    .Verbrannt ohne Energieerzeugung

    0,2

    1

    Insgesamt

    13,1

    100

    Quelle: Statistisches Hauptamt GUS, Ochrona Środowiska (Umweltschutz) 2021

    Relativ hoch bleibt mit rund 40 Prozent die deponierte Menge an Siedlungsmüll. Ende 2020 (2019) waren laut GUS noch 271 (278) legale Deponien in Betrieb mit einer Gesamtfläche von rund 1.692 (1.670) Hektar. Hinzu kamen 2.008 (1.868) inventarisierte wilde Müllhalden mit einer Gesamtfläche von fast 2 Quadratkilometern und zahlreiche weitere illegale Abladeplätze. Fast 10.000 vor allem städtische Plätze wurden 2020 aufgelöst, von denen über 72.000 Tonnen kommunale Abfälle abtransportiert wurden.

    Rund 38 Prozent des Siedlungsmülls wurden 2020 mit rund 4,98 Millionen Tonnen getrennt eingesammelt (+25 Prozent, 2019: 3,977 Millionen Tonnen). Etwa 35 Prozent entfielen dabei auf Papier, Pappe, Glas und Kunststoff, 32 Prozent auf biologisch abbaubare Abfälle sowie 19 Prozent auf verschiedene Verpackungen, Elektroschrott und Textilien. Die Kapazitäten zur Weiterverarbeitung der steigenden Menge an getrenntem Siedlungsmüll sind zu erhöhen, was auch deutschen Anbietern entsprechender Technik Absatzchancen eröffnet. 

    Die Recycling-Pflicht gebrauchter Elektro- und elektronischer Geräte beträgt 65 Prozent. Das größte Netz von Einsammlungspunkten dafür landesweit besitzt die ElektroEko S.A. aus Warschau. Größter Verarbeiter davon in den östlichen Woiwodschaften ist die Polska Korporacja Recyklingu Sp. z o.o. aus Lublin.

    Abfälle werden außerdem in zunehmendem Maße verbrannt. Neun Müllverbrennungsanlagen (MVA), die auch Energie erzeugen, sind landesweit in Betrieb, darunter in Warschau, Kraków (Krakau), Bydgoszcz (Bromberg), Konin, Białystok, Poznań (Posen), Szczecin (Stettin) und Rzeszów. Weitere Gemeinden planen die Errichtung solcher Anlagen, darunter auch Włocławek. Im oberschlesischen Ballungsraum sollen mehrere kleinere MVA anstelle einer großen entstehen.   


    Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in Polen (Wert in Millionen Euro) *)

    Projekt

    Wert

    Stand

    Projektträger, Investor

    Ausbau MVA Warschau

    über 350,0 (netto)

    Durchführung, fertig Ende 2022

    Posco (Korea, Rep.)

    Bau MVA Łódź (PPP)

    rund 218,8

    vorläufige Planung

    Stadt Lodsch, Veolia

    Bau MVA Bełchatow

    rund 153,1

    Planung, fertig 2024

    PGE Energia Ciepła

    Bau MVA Gdańsk (Port Czystej Energii) (PPP)

    133,4; darunter EU-Zuschuss 47,5

    Durchführung, fertig Ende 2023

    Webuild/Termomec-

    anica Ecologia / TIRU

    Bau MVA Gorzów Wlkp.

    rund 109,4

    Planung, fertig 2024 / 2025

    PGE Energia Ciepła

    Bau MVA (Park Zielonej Energii)

    63,2

    Planung, fertig Ende 2026 / Anfang 2027

    Stadt Gliwice (Gleiwitz)

    Bau MVA Olsztyn (PPP)

    44,6 (netto)

    Durchführung, fertig Juli 2023

    Doosan Heavy Industries and Construction (Korea, Rep.) / Doosan Lentjes (Deutschland)

    Bau MVA 

    35,0

    Planung

    Stadt Koszalin (Kößlin)

    *) MVA=MüllverbrennungsanlageQuelle: Pressemeldungen, Recherchen von Germany Trade & Invest


    Von Beatrice Repetzki | Berlin

  • Branchenstruktur

    Neben zahlreichen Kleinbetrieben sammeln die Marktführer Remondis, Suez und Alba in Polen Siedlungsabfälle ein. Es entstehen neue Kapazitäten für deren Verarbeitung.

    Recycling-Kapazitäten werden geplant

    Der inländische Mineralölkonzern PKN Orlen S.A. will im Rahmen seiner Langfriststrategie bis 2030 das Recycling von Kunststoffen in Angriff nehmen. Er plant bis dann Kapazitäten zur Verarbeitung von 300.000 bis 400.000 Tonnen Plastikabfällen jährlich zu schaffen. Das Vorhaben ist kostspielig und erfordert weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (F&E). Die recycelten Materialien will Orlen dann wieder zur Produktion neuer Kunststoffe verwenden.

    Tetra Pak wählte Polen zum Recycling-Zentrum in Mittelosteuropa und investiert in Ostolęka (Ostrolenka) zusammen mit Stora Enso und Plastigram rund 30 Millionen Euro. Verarbeitet werden alte Fasern, Polyäthylen und Aluminium, wodurch sich die inländischen Verarbeitungskapazitäten entleerter Getränkekartons von 25.000 auf 75.000 Tonnen verdreifachen. Tetra Pak strebt dabei eine Kooperation mit Nahrungsmittelherstellern an.

    Drei internationale Akteure dominieren die Stadtreinigung

    Mehrere Tausend Betriebe befassen sich mit dem Einsammeln von Abfällen und deren Verarbeitung. Siedlungsmüll sammeln mitunter den Gemeinden gehörende Stadtreinigungsbetriebe ein. Daneben gibt es die drei großen Marktführer Remondis, SUEZ Polska und Alba Polska, wobei die Suez S.A. von ihrer französischen Konkurrentin Veolia übernommen wird.

    Vor allem mit Abfallverarbeitung und Wiedergewinnung von Rohstoffen befassen sich Eneris Stena Recycling aus Schweden, Prezero und andere. Die führende Gesellschaft im Bereich Recycling und Handel mit wiedergewonnenen Rohstoffen Elemental Holding S.A. nimmt sich dem wachsenden Elektroschrott an. Die österreichische Alpla kann seit Frühjahr 2020 jährlich 30.000 Tonnen PET in ihrem Werk in Radomsko recyceln. Zu den Verwertungsbetrieben von Altglas zählt die Krynicki Recykling S.A. Neue Technologien zur Abfallbehandlung entwickelt die F&E-Abteilung der Bioelektra Group.

    Technik für Müllverbrennungsanlagen (MVA) stellen in Polen unter anderem Rafako, Winderickx und Energetyka i Recycling Odpadów her. Sortieranlagen produzieren beispielsweise Horstmann, Roczniak Recycling SystemSutco Polska und Falubaz Polska, Pressen und andere kleinere Geräte unter anderem Stalco, Avermann, ARTechnic.plHSM Polska, Inter-Hydro, Pressor Polska und Orwak Polska. Die Stella Pack S.A. aus Lubartów, nördlich von Lublin, produziert Müllbeutel aus recyceltem Kunststoff. Die Firma Ekorum aus Poznań informiert und berät zu Abfall- und Umweltthemen.

    Von Beatrice Repetzki | Berlin

  • Rahmenbedingungen

    Beim Bau von Müllverbrennungsanlagen sind in Polen Öffentlich-Private-Partnerschaften beliebt. Mit der Müllabfuhr befassen sich mitunter gemeindeeigene Betriebe.

    Privates Kapital für den Bau von Müllverbrennungsanlagen

    Immer strengere Vorgaben zum Umweltschutz ziehen in Polen Investitionen der Abfallbranche nach sich, und die Abfallentsorgung verteuert sich merklich. Die Einhaltung strenger Umweltnormen bescheinigt das Zertifikat der Europäischen Union (EU) EuCertPlast. Ein beliebtes Modell für die Errichtung von Müllverbrennungsanlagen (MVA) sind Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP). Gemeinden vergeben gerne freihändig Aufträge an von ihnen kontrollierte Stadtreinigungsbetriebe, ohne Vorschriften für öffentliche Aufträge beachten zu müssen (in-house).

    Zentrale Erfassung aller Firmenabfälle 

    Generell folgt die Ausschreibungspraxis für Bauarbeiten, Dienstleistungen und Lieferungen den EU-Richtlinien und erfolgt zunehmend elektronisch. Zuständig ist das Amt für Öffentliche Aufträge, Urzad Zamowien Publicznych (UZP). Besondere Hürden für deutsche Unternehmen existieren nicht. In der elektronischen Datenbank über Produkte und Verpackungen sowie Abfallwirtschaft BDO (Baza Danych o Produktach i Opakowaniach oraz o Gospodarce Odpadami) wird das Abfallaufkommen aller Abfälle erzeugenden und einsammelnden Firmen erfasst. Die Firmen müssen sich in das BDO-System eingliedern.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Beatrice Repetzki | Berlin

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