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Factoring setzt sich weiter durch
Unwägbarkeiten wie die Coronapandemie veranlassen immer mehr Unternehmen in Polen dazu, ihre Forderungen durch Factoring abzusichern. Die Branche konnte 2021 kräftig zulegen.
25.02.2022
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Die Factoring-Umsätze stiegen in Polen 2021 auf Złoty-Basis um ein Viertel (+25,7 Prozent) auf fast 80 Milliarden Euro. Immer mehr Firmen, darunter auch kleinere Betriebe, gehen auf Nummer sicher. Dadurch drohen ihnen auch in unsicheren Zeiten der Coronapandemie und außenwirtschaftlich schwer kalkulierbarer Risiken keine Liquiditätsengpässe durch offene Forderungen. Die gute Konjunktur trug ebenfalls zu der Zunahme bei. Das Wachstum des polnischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag 2021 bei 5,7 Prozent (2020: -2,5 Prozent) und soll sich 2022 etwas abschwächen.
Wert der aufgekauften Rechnungen deutlich höher
Umfangreichere Verkäufe der Factoring-Kunden bedeuten höhere Rechnungsbeträge, die aufgekauft werden. Preissteigerungen treiben diese Beträge zusätzlich in die Höhe, wie der Ausschussleiter beim Polnischen Factoring-Verband (Polski Związek Faktorów; PZF), Konrad Klimek, sagte.
Der PZF analysiert die Ergebnisse seiner 32 Mitgliedsfirmen und damit den Großteil der Factoring-Anbieter. Das sind 21 auf dieses Geschäftsfeld spezialisierte Gesellschaften, fünf Geschäftsbanken und sechs Partnerinstitutionen. Deren Umsatz errechnet sich aus dem Wert der von ihnen aufgekauften Rechnungen. Abgesehen von einer Coronadelle 2020 weisen die Umsätze seit Jahren stetig gute Steigerungsraten auf.
Produzenten wählen Factoring-Leistungen
Die wichtigsten Kunden der Factoring-Anbieter sind Produktions- und Vertriebsunternehmen. Der Anteil der Produzenten stieg gegenüber 2020 auf fast 45 Prozent. Die Kundenstruktur wird diverser, was die Steigerung des Anteils der sonstigen Kunden zeigt. Factoring-Anbieter bedienen zunehmend auch kleine Unternehmen und Mikrofirmen.
Sektor | Anteil |
---|---|
Produktion | 44,6 |
Vertrieb | 35,5 |
Einzelhandel | 3,8 |
Transport | 2,9 |
Dienstleistungen | 1,9 |
Baugewerbe | 0,9 |
Sonstige | 10,4 |
Besonders kräftig nahm 2021 das echte Factoring zu, bei dem auch eine Zahlungsunfähigkeit des Handelspartners abgesichert wird. Es überstieg erneut die Umsätze, die mit dem unechten Factoring erzielt wurden, das dieses Risiko nicht abdeckt. Der Schwerpunkt lag auf dem Inlandsgeschäft, während auf das internationale Factoring nur gut ein Fünftel der Umsätze entfiel. Die ohnehin relativ geringe Bedeutung des stillen Factoring, bei dem der Geschäftspartner nicht darüber informiert ist, nahm weiter ab.
Factoring | 2019 1) | 2020 1) | 2021 1) | Veränderung 2021/20 2) |
---|---|---|---|---|
Echt | 34.057,4 | 31.575,7 | 40.469,4 | 32 |
Unecht | 31.481,8 | 33.279,3 | 38.913,3 | 20 |
Inländisch | 54.963,9 | 53.651,6 | 65.570,2 | 26 |
International | 10.575,2 | 11.203,5 | 13.812,5 | 27 |
Offen | 57.549,8 | 58.089,1 | 72.034,7 | 27 |
Still | 7.989,3 | 6.765,9 | 7.348,0 | 12 |
Die Anzahl der von den Verbandsmitgliedern aufgekauften Rechnungen stieg 2021 auf rund 21,1 Millionen (2020: 18,4 Millionen). Bei einer um 41 Prozent gestiegenen Kundenzahl von etwa 26.000 (2020: 18.400) bedeutet das, dass jeder Kunde durchschnittlich 812 (2020: 1.000) Rechnungen einem Factoring-Anbieter überließ.
ING Commercial Finance expandiert
Der PZF listet 25 Mitgliedsfirmen nach ihren Umsätzen auf. Unter den führenden Akteuren ist Auslandskapital stark vertreten. Spitzenreiter ist die inländische Pekao Faktoring, die ihren Aufwärtstrend der vergangenen Jahre fortsetzen konnte. Auf den 2. Platz rückte ING Commercial Finance mit einem kräftigen Sprung vor und verwies BNP Paribas Faktoring auf den 3. Rang. Eurofactor Polska gelang mit einem Plus von 82 Prozent der Aufstieg in die Top 10.
Factoring-Anbieter | 2019 1) | 2020 1) | 2021 1) | Veränderung 2021/20 2) |
---|---|---|---|---|
Pekao Faktoring | 11.398,7 | 13.307,9 | 15.968,2 | 23 |
ING Commercial Finance | 8.294,6 | 8.320,1 | 11.060,4 | 43 |
BNP Paribas Faktoring | 10.578,5 | 9.510,7 | 11.600,8 | 19 |
Santander Factoring | 6.877,1 | 6.757,6 | 7.788,5 | 18 |
mFaktoring | 5.187,8 | 5.365,1 | 6.527,0 | 25 |
Bank Millennium | 4.896,7 | 5.229,6 | 5.957,0 | 17 |
Coface Poland Factoring | 4.372,2 | 4.189,1 | 5.691,1 | 40 |
PKO Faktoring | 4.817,1 | 4.180,5 | 4.931,9 | 21 |
Citi Handlowy | 2.285,5 | 2.211,3 | 2.445,5 | 14 |
Eurofactor Polska | 774,9 | 789,8 | 1.402,6 | 82 |
Verschuldung der Unternehmen wächst
Der Wert der Verbindlichkeiten der Unternehmen in Polen, bei denen die Zahlungsfrist seit mindestens 30 Tagen überschritten war, erhöhte sich 2021 nominal auf Złoty-Basis um 11 Prozent gegenüber 2020 auf 8,2 Milliarden Euro. Das melden die Wirtschaftsauskunfteien BIG InfoMonitor und BIK (Kreditinformationen). Demnach waren der Handel mit 1,8 Milliarden Euro (+7 Prozent), die Industrie mit 1,5 Milliarden Euro (+20 Prozent) und das Baugewerbe mit 1,3 Milliarden Euro am stärksten verschuldet. Von den Zahlungsschwierigkeiten betroffen waren 5,4 Prozent (2020: 5,8 Prozent) aller Unternehmen in Polen.