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Branchen | Polen | Schienenverkehr

Fast 800 Millionen Euro für den Güterbahnhof Małaszewicze

Der Grenzbahnhof Małaszewicze ist ein Nadelöhr im Schienengüterverkehr zwischen Asien und Europa. Polen will die Kapazitäten erweitern. Eine Ausschreibung läuft bereits.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polen unternimmt einen weiteren Anlauf, um den Güterbahnhof Małaszewicze an der Grenze mit Belarus auszubauen. Die notwendigen Grundlagen schafft ein neues Gesetz, das der Staatspräsident Andrzej Duda Mitte August 2023 unterschrieben hat. Laut der Novelle wird die Staatskasse zwischen 2023 und 2028 insgesamt rund 770 Millionen Euro für das Schienenprojekt bereitstellen. Außerdem erhält Cargotor, der Betreiber des Güterbahnhofs, einen neuen Eigentümer. Die Gesellschaft wechselt vom staatlichen Güterverkehrsunternehmen PKP Cargo zum ebenfalls staatlichen Verwalter des Schienennetzes PKP PLK. 

Małaszewicze spielt eine entscheidende Rolle im Schienengüterverkehr zwischen China und der EU. Bis zu 90 Prozent aller Waren, die mit dem Zug aus Asien nach Europa gelangen, passieren laut Cargotor den Bahnhof an der polnisch-belarussischen Grenze. Heute reichen die Gleisanlagen aus, um 16 Zugpaare pro Tag abzufertigen. Cargotor rechnet mit einem steigenden Bedarf. Nach dem Umbau sollen die Kapazitäten in einer ersten Etappe 35 Zugpaare und später 55 Zugpaare pro Tag ermöglichen. Das Besondere: Belarus hat ebenso wie Russland eine andere Spurweite als Polen. In Małaszewicze erfolgt ein Wechsel des Laufwerks von Breitspur mit 1.520 Millimetern auf Normalspur mit 1.435 Millimetern. 

Strenge Auflagen für potenzielle Auftragnehmer

Der Großteil der staatlichen Finanzspritze für Małaszewicze, nämlich 364 Millionen Euro, fließt in den Schienenbau. Doch auch der Bedarf nach Steuerungstechnik ist groß. Rund 221 Millionen Euro aus dem Gesamtbudget sieht das neue Gesetz für Systeme zur Zugsteuerung vor, darunter zum Beispiel für Signaltechnik. Weitere Gelder fließen in den Bau von begleitender Infrastruktur wie Logistikhallen, Stromleitungen und Straßen. In einem Begründungsschreiben des Infrastrukturministeriums heißt es, Małaszewicze soll dank der Investitionen zu einem zentralen Drehkreuz für den Schienenverkehr zwischen Europa und China werden. Polen erhofft sich außerdem höhere Zoll- und Steuereinnahmen.

Eine Ausschreibung für die Bauarbeiten rund um den Güterbahnhof läuft noch bis Anfang Dezember 2023. Maximal drei Generalunternehmen können sich zu einem wettbewerblichen Dialog qualifizieren. Ursprünglich hatte Cargotor verlangt, dass Bewerber einen Jahresumsatz von knapp 230 Millionen Euro im Bahnsektor nachweisen müssen. Nach Protesten von potenziellen Auftragnehmern passte das Staatsunternehmen die Anforderungen auf 160 Millionen Euro an. Zum Kreis der interessierten Generalunternehmen gehören voraussichtlich Strabag, Budimex und Track Tec. Deutsche Hersteller von Schienen und Gleistechnik könnten sich bei dem Gewinner der Bauausschreibung als Zulieferer ins Spiel bringen.

Die Planungsbüros MGGP, Multiconsult und Egis haben sich bereits als Projektingenieure für einen Wettbewerbsdialog qualifiziert. Im November 2023 will Cargotor Gespräche mit den drei Firmen führen.

Ein Projekt mit wechselhafter Vorgeschichte

Die Idee, den Güterbahnhof Małaszewicze um zusätzliche Kapazitäten zu erweitern, ist nicht neu. Bereits 2021 stellt Cargotor entsprechende Pläne vor. Das Unternehmen hoffte auf finanzielle Unterstützung aus der EU. Immerhin liegt die Gleisanlage auf einem der sogenannten transeuropäischen Verkehrskorridore (TEN-T). Der Fördertopf CEF (Connecting Europe Facility) unterstützt Investitionen in dieses Verkehrsnetz. 

Im Januar 2022 hatte Cargotor einen Antrag auf Unterstützung bei der Europäischen Kommission eingereicht. Der russische Großangriff auf die Ukraine machte den Plänen aber einen Strich durch die Rechnung. Die Europäische Kommission lehnte eine Finanzierung ab, denn die Investition erschien zu unsicher. Belarus gilt als Verbündeter Russlands. Außerdem führt ein Großteil der Eisenbahntrasse zwischen China und Małaszewicze durch Russland. Hinzu kommt das zunehmend von Ambivalenz geprägte Verhältnis zwischen China und der EU. 

Tatsächlich ging der Warentransport über Małaszewicze mit Beginn des russischen Großangriffs zurück. Nun scheint er sich laut Daten der Eurasian Rail Alliance wieder zu stabilisieren. Der staatliche polnische Thinktank OSW (Ośrodek Studiów Wschodnich) rechnet damit, dass nach dem Ende des Krieges in der Ukraine der Güterverkehr über Małaszewicze erneut deutlich zunehmen wird.

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Jetzt übernimmt die Staatskasse die Finanzierung. Das neue Gesetz verpflichtet Cargotor aber, nach weiteren Fördermöglichkeiten aus EU-Töpfen Ausschau zu halten. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Kostenschätzungen auf Annahmen von 2020 und 2021 beruhen. Preise für Baumaterialien und Personal sind in der Zwischenzeit deutlich gestiegen.

Die Zukunft von Małaszewicze hängt nicht nur an der Schiene

Es gibt weitere Herausforderungen. Breite Schnellstraßen fehlen in Małaszewicze. Ein gutes Straßennetz wäre für den intermodalen Verkehr wichtig, also die Beförderung von Waren mithilfe mehrerer Verkehrsmittel. Laut den Plänen der Straßenbaubehörde GDDKiA (Generalna Dyrekcja Dróg Krajowych i Autostrad) soll die Autobahn A2 in Zukunft von Warschau bis zum Grenzort Kukuryki, rund 10 Kilometer nördlich von Małaszewicze, führen. Die neue Trasse würde sich in Teilen mit der bereits bestehenden Landesstraße 2 decken.

Für den rund 30 Kilometer langen Abschnitt zwischen Biała Podlaska und dem Grenzübergang mit Belarus fehlen allerdings die nötigen Gelder. Eine Aufstockung des Straßenbauprogramms ist möglich. Der weitere Projektfortschritt hängt laut GDDKiA auch davon ab, wie sich die Beziehungen mit Belarus entwickeln werden. Immerhin hat Polens Regierung zugesagt, über 20 Millionen Euro für den Bau einer neuen Zubringerstraße ab Małaszewicze zur Landesstraße 2 bereitzustellen.

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