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Anbieter von individuellen Shared Mobility Services für den Stadtverkehr sehen sich durch die Coronakrise zur Zusammenarbeit gezwungen. Sie erschließen zudem neue Marktsegmente.
04.05.2020
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Den einsetzenden Trend zur Kooperation der einzelnen, eigentlich im Wettbewerb zueinander stehenden Verleihfirmen von verschiedenen Sharing-Fahrzeugen, unterstützt die polnische Branchenvereinigung Mobilne Miasto (Mobile Stadt). Dadurch erhalten die Kunden optimale Lösungsvorschläge in Form kombinierter Angebote, um von A nach B zu gelangen. Die Firmen wiederum stärken gemeinsam ihre Marktposition und erhöhen ihre Überlebensschancen in Zeiten geringer Mobilität.
Der polnische Markt für Shared-Mobility-Angebote steht noch am Anfang seiner Entwicklung. Die Zahl der auf diese Weise mietbaren Elektroroller war zeitweise bis 9.500 gestiegen. Sie ist k inzwischen jedoch wieder gesunken, weil sich einige Anbieter aus dem Markt zurückgezogen haben. In der ersten Märzhälfte 2020 waren in ganz Polen außerdem 26 Fahrradverleihsysteme in Betrieb mit insgesamt 14.500 Fahrrädern in 35 Städten. Klarer Marktführer ist hier die polnische Tochter der deutschen Firma Nextbike: Sie bietet 85,7 Prozent dieser Leihräder an.
Bestand an Sharing-Fahrzeugen in Polen in der ersten Märzhälfte 2020
Fahrzeug | Anzahl |
---|---|
Elektroroller | 9.500 |
Pkw | 5.000 |
E-Scooter | 1.300 |
Fahrräder | 14.500 |
Quelle: Mobilne Miasto
Seit dem 1. April 2020 dürfen auch Firmen wie Bird, Hive oder Lime wegen der Coronakrise keine Fahrräder mehr verleihen. Bei einigen Akteuren brach der Umsatz um 90 Prozent ein. Hilfsaktionen starten etwa die polnische Firma Panek, die mit einem Marktanteil von 42 Prozent führend beim Car Sharing ist. Sie stellt Beschäftigten des Gesundheitsdienstes Autos kostenlos zur Verfügung.
Der Fahrdienstvermittler Uber und auch die App Free Now, die Taxi-Fahrer direkt mit den Kunden in Kontakt bringt, unterstützen noch bis Ende Mai 2020 medizinisches Personal mit kostenlosen Fahrten. Free Now stellt dafür in Großstädten 20.000 Kfz bereit. Uber bietet 10.000 Transfers an, Krankenhäuser erhalten entsprechende Codes.
Mobilne Miasto fordert nun die Sharing-Firmen auf, ihre Angebote zu bündeln. Sie sollten für die Buchung ihrer Fahrzeuge nicht nur auf jeweils eigene Apps setzen, sondern ihre Dienstleistung (Mobility-as-a-Service; MaaS) auch auf gemeinsamen Plattformen anbieten.
Eine solche zentrale Plattform für alle MaaS-Angebote würde den Nutzern den Zugang deutlich vereinfachen, sagte der Vorsitzende der Vereinigung, Adam Jedrzejewski, gegenüber der Tageszeitung Rzeczpospolita. Die Coronakrise könne eine digitale Integration der Branche bewirken, die ihr schließlich bessere Entwicklungsperspektiven eröffne. Das Start-up Vooom bietet in Warschau bereits eine integrierte Buchungsplattform, die auch den öffentlichen Nahverkehr einbezieht. Bisher wird im Sharing-Bereich der höchste Umsatz mit dem Fahrradverleih erwirtschaftet.
Einnahmen der Shared-Mobility-Firmen in Polen 2019
Kategorie | Umsatz (in Mio. Euro) |
---|---|
Fahrräder | 21,6 |
Car Sharing | 13,3 |
Roller | 7,8 |
E-Scooter | 3,7 |
Insgesamt | 464,0 |
Quelle: Mobilne Miasto
Anbieter von Fahrdiensten müssen sich auf regulatorische Veränderungen einstellen. Die Fahrer von Vermittlungs-Plattformen wie Uber, Bolt oder Free Now dürfen nur noch bis Ende September 2020 ohne Lizenz agieren. Anfang 2020 war ein Gesetz in Kraft getreten, das die Fahrer ursprünglich dazu verpflichtet hätte, bis zum 31. März 2020 eine Taxi-Lizenz zu erwerben. Diese Frist wurde vor dem Hintergrund der Coronapandemie um ein halbes Jahr verlängert.
Zudem soll perspektivisch eine App die Taxameter und Zahlungsterminals in den Fahrzeugen ersetzen, um den Fahrpreis zu berechnen. Laut Angaben von Statista werden in polnischen Städten 48 Prozent aller Taxi-Fahrten über eine App bestellt, ein Trend, der weiter anhalten dürfte. Den annähernd 70.000 herkömmlichen Funktaxis machen die alternativen Anbieter große Konkurrenz.
Hinzu kommt, dass die Firmen nicht nur Personen transportieren, sondern auch neue Marktsegmente bedienen. So befördern sie angesichts geschlossener Restaurants auch zunehmend online bestellte Speisen.
Das spanische Start-up Glovo, das seit Mitte Juni 2019 zu den Lieferanten von Speisen in Polen gehört, steht auf der Übernahmeliste von Uber Eats. Auch Deliveroo, zu dessen Kapitalgebern Amazon zählt, ist an einer Übernahme von Glovo interessiert. Glovo hat 2019 vom US-Gastronomiekonzern Amrest für rund 30 Millionen Euro das polnische PizzaPortal übernommen.
Führend bei Onlinebestellungen von Essen ist in Polen die Plattform Pyszne.pl (übersetzt 'vorzüglich'), hinter der die niederländische Takeaway.com steht. Speisen liefern außerdem Wolt und Stava. Das aufstrebende finnische Start-up Wolt, in das der Fonds Iconiq investiert hat, hatte Ende 2018 den polnischen Service Daily.pl übernommen.
Bolt startet im April 2020 in Warschau seine Lieferplattform Bolt Food, mit der per App Speisen aus ausgewählten gastronomischen Einrichtungen bestellt werden können. Hier sind chinesische Investoren und Daimler als Kapitalgeber beteiligt. Laut dem Leiter von Bolt in Polen, Dominik Wolski, kommen bei der Auslieferung von Speisen sowohl Kfz als auch Fahrräder, E-Scooter und Elektroroller zum Einsatz.
Restaumatic.com bietet Restaurants finanzielle Vergünstigungen, wenn sie Gäste über diese Plattform aus der Ferne bedienen wollen. Das Branchenportal ist horecatrends.pl. Allerdings bestellen in Polen noch vergleichsweise wenige Menschen Speisen über Onlineportale. Den Jahresumsatz der gesamten Branche im Jahr 2019 veranschlagen Branchenkenner auf etwa 163 Millionen Euro.
Die App der polnischen Firma Hop.City lokalisiert gut erreichbare Restaurants, bei denen deren die Nutzer dann Speisen selbst abholen können. Hop.City ist in Polen Vorreiter beim Verleih von Elektrorollern. Sie will sogenannte Bateriomaten in Großstädten aufstellen, an denen die Batterien ihrer Zweiräder schnell ausgetauscht werden können. Das soll zum Teil in Kooperation mit dem Lieferdienst Inpost erfolgen, dessen Paketautomaten entsprechende Fächer erhalten.