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Neues Abwasserprogramm verspricht Milliardeninvestitionen

Wegen Verstößen gegen Abwasserrichtlinien drohen Polen hohe Strafzahlungen. Das Land reagiert und kündigt umfangreiche Investitionen an.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polen wird bis 2027 voraussichtlich rund 6,2 Milliarden Euro in die Abwasserbehandlung investieren. So steht es im neuen Abwasserplan (Krajowy program oczyszczania ścieków komunalnych; KPOŚK), den das polnische Kabinett Mitte Mai 2022 verabschiedete. Das Dokument enthält alle beabsichtigten Ausgaben der Städte und Gemeinden in den nächsten Jahren. Die Kommunen sind maßgeblich für die Wasserversorgung zuständig.

Über 3,3 Milliarden Euro fließen in den Neubau und die Modernisierung der Kanalisation. Die zukünftigen Ausgaben für Kläranlagen beziffert der KPOŚK auf weitere 2,9 Milliarden Euro. Die Kommunen planen, das Kanalisationsnetz bis 2027 um über 8.000 Kilometer auszubauen. Im selben Zeitraum nehmen gemäß Abwasserprogramm bis zu 60 neue Klärwerke den Betrieb auf.

Versäumnisse könnten sich rächen

Mit den Investitionen will Polen die Abwasserrichtlinie der EU umsetzen. Das Land ist hier deutlich im Verzug. Die polnischen Kommunen hatten ursprünglich Zeit bis zum Jahr 2015, um ihr Abwassernetz den europäischen Vorgaben anzupassen. Bereits 2003 trat der erste KPOŚK in Kraft. Seitdem investierten Städte und Gemeinden knapp 20 Milliarden Euro.

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Die Europäische Kommission bemängelt, dass trotz der Anstrengungen zu viele Wohnungen nicht an die Kanalisation angeschlossen sind. Abwässer würden unbehandelt in Flüsse geleitet. Viele Kläranlagen sind zu klein. Ausfälle sorgen für eine hohe Umweltbelastung. Ein prominentes Beispiel ist die Warschauer Kläranlage Czajka. 2020 flossen nach einem Rohrbruch täglich 260.000 Kubikmeter Abwasser ungefiltert in die Weichsel.

Wegen der jahrelangen Verstöße gegen die Abwasserrichtlinie reichte die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Februar 2022 Klage ein. Nach Schätzungen des polnischen Wirtschaftsministeriums drohen Strafzahlungen in Höhe von bis zu 6 Milliarden Euro. Ob es tatsächlich so weit kommt, wird auch davon abhängen, wie konsequent Polen den neuen KPOŚK umsetzt.

Hälfte aller Gemeinden behandelt Abwasser EU-konform

In Polen existieren 1.524 Abwassergemeinden. Das sind Gebiete mit ausreichend dichter Besiedlung für den Bau von Kanalleitungen. Abwassergemeinden müssen laut EU-Richtlinie mindestens 98 Prozent des sogenannten Einwohnerwertes (EW) über die Kanalisation abführen. Vereinfacht zusammengefasst entspricht der Einwohnerwert der durchschnittlichen Abwassermenge je Einwohner. In Großstädten dürfen maximal 2.000 EW außerhalb des Kanalnetzes anfallen. Doch auch hier verlangt die Verordnung "individuelle Systeme oder andere geeignete Maßnahmen, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten", zum Beispiel private Klärgruben.

Laut KPOŚK verstoßen 49,7 Prozent der Abwassergemeinden in Polen gegen die Richtlinien der EU. Polens Wasserbehörde (Polskie Wody) hat mehrere Gründe identifiziert, warum sich viele Kommunen so schwertun. Hohe Kosten für den Bau von Kanalisation und Kläranlagen würden kleinere Ortschaften überfordern. Gleichzeitig kritisiert die Behörde den Zuschnitt vieler Abwassergemeinden sowie fehlerhafte Bebauungspläne. Der Rechnungshof Polens (Najwyższa Izba Kontroli; NIK) stellte außerdem fest, dass die meisten Städte und Gemeinden nicht prüfen, was mit Abwässern in Gebieten ohne Kanalisation tatsächlich passiert.

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Der Vorsitzende des polnischen Gemeindeverbandes (Związek Gmin Wiejskich) Krzysztof Iwaniuk betont in der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna, auch viele Anwohner seien finanziell überfordert. Erhält ein Haus nachträglich einen Kanalanschluss, müssten die Bewohner Teile der Kosten übernehmen. Für die meisten Haushalte wird die Kanalisation damit unattraktiv.

Überhaupt stelle die Regierung zu geringe Mittel für Investitionen bereit. Gemeindevertreter merken an, dass Polens Wasserbehörde Preiserhöhungen blockiere. Dadurch gingen den Versorgungsunternehmen wichtige Gelder verloren.

Ab 2027 könnte es für Kommunen teuer werden

Polens Regierung will die Gemeinden trotzdem stärker in die Pflicht nehmen. Kommunen, die ab 2027 immer noch gegen EU-Abwasserauflagen verstoßen, sollen Strafen zahlen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt seit Mai 2022 im polnischen Parlament. Das Innenministerium schreibt: "Angesichts der finanziellen Sanktionen, die Polen drohen, ist es sinnvoll, rechtliche Instrumente einzuführen, damit lokale Behörden die Anforderungen der Abwasserrichtlinie einhalten." Wenn Strafen drohen, werden die Kommunen eher investieren, so die Überlegung.

Für jeden EW, der nicht EU-konform behandelt wurde, sollen Gemeinden rund 44 Euro zahlen. Heute müssten sich die Gemeinden auf Summen von insgesamt 70 Millionen Euro einstellen. Andrzej Porawski vom Polnischen Städteverband (Związek Miast Polskich) kommentiert in der Dziennik Gazeta Prawna: "Das sieht nach einem Versuch aus, die Kosten für die Nichteinhaltung der Abwasserrichtlinie auf die Kommunen abzuwälzen." Das Parlament hat bereits genauere Nachweis- und Aufsichtspflichten für private Klärgruben verabschiedet.

EU-Gelder spielen entscheidende Rolle

Fest steht: Die Gemeinden müssen investieren. Dadurch könnte der Bedarf nach Abwassertechnik, wie Pumpen, Rührwerken oder Filtersystemen steigen. Deutschland verfügt in diesen Segmenten über großes Know-how. Bei der Finanzierung helfen den polnischen Kommunen Gelder aus den Kohäsionsfonds der EU. Bis 2027 fließen 25 Milliarden Euro in das Infrastrukturprogramm FENIKS. Es unterstützt den Bau oder die Modernisierung von Kanalisation und Kläranlagen.

Seit 2021 existiert in Polen ein neuer Landesfonds für strategische Investitionen. Auch der bereits etablierte polnische Umweltfonds (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej; NFOŚiGW) stellt Mittel bereit. Doch es gibt einen Haken. Polens Regierung möchte, dass der Umweltfonds hauptsächlich günstige Kredite an die Gemeinden vergibt. Bislang handelte es sich bei NFOŚiGW-Geldern vor allem um rückzahlungsfreie Zuschüsse. Solche Finanzhilfen sind gerade für kleine Gemeinden deutlich attraktiver als die jetzt angedachten Darlehen.

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