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Branchen | Polen | Erdölversorgung und Pipelines

Polen sucht neue Rohöl-Lieferanten

Künftig könnten Schiffe den Rohstoff zu den polnischen Häfen bringen. Investitionen in Pipelines, Tanks und Raffinerien stehen in den Startlöchern.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polens Erdölindustrie steht vor dem Umbruch. Noch deckt das Land einen Großteil seines Rohölbedarfs über die Druschba-Pipeline mit Importen aus Russland. Damit soll bald Schluss sein. Als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine kündigte Polens Premierminister Mateusz Morawiecki im März 2022 an, man wolle die russischen Rohöleinfuhren bis Jahresende stoppen.

Das ist eine große Herausforderung. Zwischen Januar und August 2022 fielen die mengenmäßigen Einfuhren von Rohöl aus Russland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um weniger als ein Prozent. Es gibt mehrere Lieferabkommen mit den russischen Staatskonzernen Rosneft und Tatneft. Doch nicht mehr lange: Einer der Verträge läuft Ende 2022 aus. Den anderen will Polen vorzeitig beenden. Das Land setzt stattdessen auf den Import von Rohöl über den Seeweg.

Pipeline-Ausbau geplant

Als Konsequenz könnte die Pomorskie-Pipeline an Bedeutung gewinnen. Sie startet im Öl-Hafenterminal Naftoport in der Ostsee-Stadt Gdańsk und geht am Rande der zentralpolnischen Stadt Płock in die Druschba-Leitung über. Die Pomorskie-Pipeline besteht aus nur einem Strang. Dieser hat laut Internationaler Energieagentur (International Energy Agency; IEA) eine Kapazität von 28,6 Millionen Tonnen Rohöl im Jahr. Zum Vergleich: Die Druschba Pipeline verfügt zwischen Polens Ostgrenze und Płock über eine Kapazität von 52 Millionen Tonnen Rohöl. Von Płock bis zur deutschen Grenze beträgt die Kapazität noch 28,1 Millionen Tonnen Rohöl.

Der staatliche Betreiber der Erdölinfrastruktur PERN will die Pomorskie-Pipeline um einen weiteren Strang ausbauen. Die Kosten schätzt das Unternehmen auf rund 425 Millionen Euro. Nach Angaben der IEA wäre die Pomorskie-Pipeline anschließend in der Lage, jährlich 57,2 Millionen Tonnen Rohöl zu transportieren.

Doch noch ist der Ausbau nicht in trockenen Tüchern. PERN sucht Partner für die Finanzierung des Projektes. Aktuell spricht das Unternehmen mit dem teilstaatlichen polnischen Mineralölkonzern PKN Orlen. Wie das Portal Biznes Alert berichtet, verlangt PERN eine Kostenbeteiligung oder zumindest eine Art Nutzungsgarantie. PKN Orlen ist Eigentümer der großen Rohöl-Raffinerien in Gdańsk und in Płock. Beide Anlagen zusammen haben laut IEA eine Kapazität von 28,9 Millionen Tonnen Rohöl im Jahr.

Bis Ende 2022, spätestens aber Anfang 2023, will PERN über den Ausbau der Pipeline entscheiden. Der Betreiber hat bereits mehrere Genehmigungen eingeholt. Der zweite Strang soll neben der alten Leitung verlaufen und in beide Richtungen Erdöl transportieren können. Verbindungsstücke zwischen beiden Rohren sollen ebenfalls zum Einsatz kommen. Geplant ist auch der Anschluss neuer Pumpstationen entlang des Leitungssystems. PERN geht davon aus, dass der zweite Strang bis 2027 fertig sein könnte.

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Neue Tanks und größere Raffinerien

Der Ausbau der Pomorskie-Pipeline ist nicht das einzige Investitionsprojekt in Polens Erdölindustrie. PERN eröffnete im Juni 2022 neue Tanklager für Kraftstoff in den Ortschaften Koluszki, Nowa Wieś Wielka und Dębogórze. Bis Ende 2023 will das Unternehmen acht weitere Mineralöldepots fertigstellen. PERN beziffert den Wert aller aktuellen Investitionen auf umgerechnet 300 Millionen Euro.

Davon profitiert insbesondere die Hafenstadt Gdynia nördlich von Gdańsk. PERN modernisiert zusammen mit dem örtlichen Hafenbetreiber Schiffsanlegestellen und Umschlagplätze. Außerdem erweitert das Unternehmen bestehende Gleisanschlüsse, um mehr Kesselwagen abfertigen zu können. Zusätzlich prüft der Pipeline-Betreiber den Bau neuer Öltanks in Gdańsk. Bereits 2021 erweiterte PERN die Lagerkapazitäten für Rohöl am Naftoport um 600.000 Kubikmeter auf nun 2 Millionen Kubikmeter. Das Unternehmen informiert auf seiner Webseite über weitere Investitionsprojekte und Ausschreibungen.

Auch PKN Orlen arbeiten an weiteren Investitionen. Aktuell baut das Unternehmen die Produktionsanlagen für sogenannte Olefine am Standort Płock aus. Das Megaprojekt im Wert von rund 3 Milliarden Euro läuft noch bis voraussichtlich 2025. Damit nicht genug: Der Mineralölkonzern will die Raffinerie Gdańsk um einen sogenannten Steamcracker erweitern. Die Anlage wandelt Rohölerzeugnisse in weitere Vorprodukte um, beispielsweise für die Kunststoffindustrie. Die Kosten schätzt Daniel Obajtek, der Vorstandsvorsitzende von PKN Orlen, auf mehrere Milliarden Euro - eine gewaltige Summe. PKN Orlen verhandelt darum mit dem Ölkonzern Saudi Aramco über eine Kooperation.

Saudi-Arabien steigt in Gdańsk ein

Das saudi-arabische Unternehmen hält bereits 30 Prozent der Anteile an der Raffinerie in Gdańsk. Hintergrund: PKN Orlen wollte den damaligen Raffineriebetreiber Lotos übernehmen. Die Europäische Kommission stellte aus Wettbewerbsgründen mehrere Bedingungen. Unter anderem sollte PKN Orlen nicht alleiniger Eigentümer der Raffinerie sein. Im Zuge der Fusion kaufte sich Saudi Aramco mit rund 240 Millionen Euro in Gdańsk ein.

Überhaupt werden die Verbindungen zwischen PKN Orlen und Saudi Aramco enger. Beide Unternehmen einigten sich auf einen langfristigen Liefervertrag. Saudi Aramco soll in Zukunft bis zu 20 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr an PKN Orlen liefern. Der Großteil könnte mit dem Schiff über Gdańsk eintreffen. Die Lieferungen sollen helfen, Polen unabhängiger von russischem Öl zu machen.

Bereits jetzt ist Saudi-Arabien nach Russland der größte Rohöl-Lieferant Polens. Im Jahr 2021 deckte Polen rund 60 Prozent seines Importbedarfs an Rohöl über Russland und rund 20 Prozent über Saudi-Arabien. Weitere Bezugsländer sind Nigeria, Kasachstan und Norwegen. Insbesondere mit dem kasachischen Unternehmen KazMunayGas lotet PKN Orlen Potenziale für weitere Kooperationen aus.

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