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Steuervorteile für Industrieroboter

Polens Industrie setzt immer mehr Roboter ein. Branchenvertreter sehen aber weiterhin einen großen Nachholbedarf. Steuererleichterungen sollen neue Investitionsanreize schaffen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Der Internationale Robotik-Verband (International Federation of Robotics; IFR) hat neue Zahlen vorgelegt. Demnach kamen 2020 in Polen auf 10.000 Industriearbeiter 52 Roboter. Im Vorjahr 2019 lag die Roboterdichte noch bei 46. Der Wert gilt als wichtiger Indikator zum Stand der Automatisierung. Trotz der Aufwärtsentwicklung droht Polen im regionalen Vergleich den Anschluss zu verlieren. In Tschechien beispielsweise kletterte die Roboterdichte zur gleichen Zeit um 15 Punkte auf einen Wert von 162.

Zum vollständigen Bild gehört auch, dass Polen in den vergangenen Jahren beachtliche Mittel in die Automatisierung investiert hat. Zwischen 2015 und 2020 stieg die Roboterdichte daher um fast das Doppelte. Wirtschaftsvertreter betonen, dass weitere Investitionen nötig sind. Der Vorsitzende der Sonderwirtschaftszone Katowice, Janusz Michałek, äußerte in der Zeitung Puls Biznesu: "Wenn Automatisierungsprozesse in anderen Ländern schneller ablaufen, könnten wir Probleme bekommen, unsere Position in den internationalen Lieferketten zu halten. Langfristig kann sich dies auch auf die Anziehung neuer Investoren auswirken."

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Hohe Kosten überfordern oft KMU

Studien zeigen, dass kleinere und mittelgroße Unternehmen (KMU) ihre Produktionsprozesse deutlich seltener automatisieren als zum Beispiel Betriebe ab 200 Beschäftigten. Laut Untersuchungen des staatlichen Thinktanks Polnisches Wirtschaftsinstitut (Polski Instytut Ekonomiczny; PIE) fehlt KMU oft das nötige Kapital. 

Positiv fällt im IFR-Bericht auf, dass mittlerweile auch jene Branchen automatisieren, die sich in der Vergangenheit zurückhielten. Hersteller von Lebensmitteln und Getränken beispielsweise gaben im Jahr 2020 für Robotisierung 36 Prozent mehr aus als im Vorjahr. Auch Produzenten von elektronischen Komponenten und von Fahrzeugteilen investierte höhere Summen.

Gute Wachstumschancen in mehreren Branchen

Im Rahmen einer Unternehmensbefragung der staatlichen Investitionsbank Bank Gospodarstwa Krajowego (BGK) gaben 16 Prozent der Teilnehmenden an, in den kommenden drei Jahren Lösungen aus dem Bereich Industrie 4.0 anschaffen zu wollen. Einen Anhaltspunkt für das konkrete Wachstumspotenzial in einzelnen Branchen liefert der Siemens Digi Index. Die Kennziffer erfasst den Stand der Digitalisierung unterschiedlicher Industriezweige. In Polen werden Digitalisierung und Automatisierung oft in einem Atemzug genannt, auch weil beide Prozesse eng miteinander zusammenhängen.

Laut aktueller Ausgabe des Digi Index wollen 13 Prozent der befragten Unternehmen 2022 mehr für die Digitalisierung von Produktionsprozessen ausgeben. Besonders ambitioniert ist die Chemie- und Pharmabranche. Hier geben 30 Prozent aller Betriebe an, ihre Budgets zu erhöhen. Auch der Maschinenbau und die Lebensmittelindustrie planen Mehrausgaben ein. Trotz anhaltender Lieferengpässe scheint die Automobilindustrie keine Investitionen streichen zu wollen. Glaubt man Umfragen der polnischen Statistikbehörde (Główny Urząd Statystyczny; GUS), will die traditionell stark automatisierte Branche ihre Ausgaben 2022 gegenüber dem Vorjahr sogar noch steigern.

Neue Steuererleichterungen ab 2022

Angaben der Tageszeitung Puls Biznesu zufolge vermutet die IFR, dass polnische Firmen Projekte bewusst in das Jahr 2022 verschieben. Hintergrund ist eine Steuerreform. Ab 2022 können Unternehmen in Polen, die Roboter in der Produktion einführen, zusätzlich 50 Prozent der Anschaffungskosten von der Körperschaftsteuer abziehen.

Das Finanzministerium ist überzeugt, dass die Nachlässe weitere Investitionen anregen werden. Auch PIE rechnet mit Wachstumsimpulsen. Unternehmensberater und Wirtschaftsverbände äußern sich hingegen skeptischer. Die Kammer für Elektronik und Telekommunikation (Krajowa Izba Gospodarcza Elektroniki i Telekomunikacji; KIGEiT) hält die im Gesetz festgeschriebene Kriterien eines Industrieroboters für zu eng. Puls Biznesu zitiert den Verbandsleiter Stefan Kamiński mit den Worten: "Die getroffene Definition des Industrieroboters schränkt die Anwendung der Steuererleichterungen für Branchen erheblich ein, die nicht eng mit Produktionsprozessen verbunden sind wie die Medizin."

Förderkriterien für Industrieroboter

1. Datenaustausch mit einem Steuerungssystem

2. Verbindung mit einem Produktionsleitsystem

3. Überwachung durch Sensoren

4. Zusammenarbeit mit anderen Maschinen

Die Unternehmensberatung Grant Thornton gibt in der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna zu bedenken, dass die tatsächlichen Steuereinsparungen möglicherweise überschaubar ausfallen. Bei einer Investitionssumme von 220.000 Euro könnten sich Unternehmen gerade einmal 3.800 Euro pro Jahr zusätzlich anrechnen lassen. Dies mache keinen nennenswerten Unterschied. Ferner kritisiert die Unternehmensberatung unklare Laufzeiten und Abschreibungsbedingungen.

Das Gesetz berücksichtigt auch die Ausgaben für periphere Geräte und Komponenten. In die Steuerfestsetzung mit einbezogen werden unter anderem die Kosten sogenannter Positionierer, Linearführungen und Endeffektoren. KIGEiT hätte sich hier zwar einen breiteren Erstattungskatalog gewünscht. Tatsächlich könnte aber gerade die Förderung solcher Peripheriegeräte mittelständischen und hoch spezialisierten Lieferanten aus Deutschland neue Absatzchancen eröffnen.

EU-Gelder lassen weiter auf sich warten

Neben Steuererleichterungen winken den polnischen Unternehmen Fördergelder der Europäischen Union (EU). In der Vergangenheit waren die Zuschüsse äußerst beliebt. Fast 60 Prozent aller Firmen, die heute Automatisierungstechnik einsetzen, haben zumindest einen Teil der nötigen Ausgaben über nationale und europäische Subventionen abgedeckt, rechnet BGK vor.

Zuwendungen aus dem langfristigen EU-Haushalt 2021-2027 hat Polen fest für die Modernisierung seiner Unternehmen eingeplant. Mit Zuschüssen in Höhe von 4,4 Milliarden Euro will das Land den Kauf von Automatisierungstechnik unterstützen. Kredite aus dem europäischen Wiederaufbaufonds in Höhe von insgesamt 450 Millionen Euro sind für den Kauf von Robotern vorgesehen. Anhaltende Diskussionen über den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Polen stehen einer schnellen Auszahlung der EU-Mittel jedoch im Weg.

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