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Trotz Kritik hält Polen am neuen Großflughafen fest
Etwa 60 Millionen Passagiere soll der bei Warschau geplante Flughafen pro Jahr abfertigen. Der Spatenstich ist für 2023 angesetzt. Beobachter rechnen mit Verzögerungen.
18.01.2022
Von Christopher Fuß | Warschau
Polens Kontrollbehörde NIK (Najwyższa Izba Kontroli) übt Kritik am Großflughafen CPK (Centralny Port Komunikacyjny). Beim jetzigen Arbeitstempo sei das Eröffnungsdatum 2027 "in Gefahr". Laut NIK bleibt unklar, wie teuer der Bau werden wird und wie er finanziert werden soll. Die Kammer zweifelt sogar an der Wirtschaftlichkeit des Flughafens.
Wichtige Fortschritte im Jahr 2021
Für die staatliche Betreibergesellschaft ist es ein ernüchternder Jahresauftakt. Dabei konnte das Großvorhaben 2021 an Profil gewinnen. Für großes Medienecho sorgte beispielsweise die Ankündigung eines Joint Ventures zwischen Polen und Südkorea. Die Betreibergesellschaft des südkoreanischen Flughafens Incheon wird voraussichtlich als Minderheitseigner in das Projekt einsteigen. Noch unbekannt ist die Investitionssumme. Der zuständige Staatssekretär auf polnischer Seite, Marcin Horała, erklärte in einem Zeitungsinterview: "Ich erwarte von der koreanischen Seite ein finanzielles Engagement von mehreren Milliarden Złoty". Bereits seit Februar 2021 beraten Vertreter des Flughafens Incheon den CPK.
Als bevorzugten Standort hat die polnische Betreibergesellschaft ein Gelände von 41 Quadratkilometern bei Baranów identifiziert. Betroffen sind 3.800 Grundstücke. CPK will die Liegenschaften kaufen. Bis Ende 2021 meldeten 200 Eigentümer Interesse an. Wie viele Grundstücke den Besitzer gewechselt haben, ist nicht bekannt.
Fest steht hingegen, wer den sogenannten Masterplan des Flughafens erstellen wird. Gemeint ist damit ein Rahmendokument, das als Grundlage für weitere bauliche Entscheidungen dient. Die britische Ingenieursgesellschaft Arup wird das Papier ausarbeiten. Zu den Referenzen des Unternehmens gehören Projekte an den Flughäfen Peking und Heathrow.
Alle Ausschreibungen rund um Planung und Bau des neuen Großflughafens und der ergänzenden Bahnstrecken veröffentlicht die Betreibergesellschaft auf einer Onlineplattform. Weitere Informationen über Ausschreibungen und Projektfortschritte stellt das Unternehmen auf Englisch auf seiner Internetseite zur Verfügung. |
Knotenpunkt für die Schiene
Der CPK soll aus möglichst vielen Landesteilen mit Schnellzügen erreichbar sein. Bislang existieren in Polen wenige Hochgeschwindigkeitsstrecken. Die Betreibergesellschaft des Flughafens plant Investitionen in das Schienennetz. Die Kosten von 8,8 Milliarden Euro sind laut NIK aber deutlich zu niedrig angesetzt.
Große Bedeutung hat der Bau der sogenannten Y-Verbindung. Sie führt von Warschau über Łódź und gabelt sich dann nach Poznań und nach Wrocław. Züge sollen hier Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometer pro Stunde erreichen.
Finanziert wird der Gleisbau wohl auch mit Geldern der Europäischen Union (EU). Die Europäische Kommission plant, mehrere Strecken und den Flughafen in das europäische Verkehrsnetz TEN-T (Trans-European Transport Network) aufzunehmen. Bereits jetzt entstehen technische Studien mit Unterstützung des Programms Connecting Europe Facility (CEF). Fördergelder fließen in die Vorbereitung eines vier Kilometer langen Eisenbahntunnels unter der Stadt Łódź. Im November 2021 erhielt ein polnisch-französisches Konsortium den Auftrag, Planungsunterlagen zu erstellen.
Im Zuge des Streckenausbaus würden mehrere Ortschaften, die bislang nicht an das Schienennetz angeschlossen sind, einen Bahnhof erhalten. Profitieren könnte beispielsweise Jastrzębie-Zdrój in Schlesien, mit 90.000 Einwohnern die größte polnische Stadt ohne Bahnhaltestelle.
Deutsche Firmen bislang kaum beteiligt
Die CPK-Betreibergesellschaft hat Machbarkeitsstudien (Studium Techniczno-Ekonomiczno-Środowiskowe, STEŚ) für geplante Bahnstrecken in Auftrag gegeben. Diese Untersuchungen sind gesetzlich vorgeschrieben. Sie enthalten Verkehrsprognosen, wirtschaftliche Abwägungen und Angaben zur Streckenführung. Auch geologische und ökologische Aspekte werden berücksichtigt.
Strecke | Länge1) | Auftragnehmer | Wert2) |
---|---|---|---|
Warschau - Łódź | 140 | IDOM, Multiconsult, Transprojekt Gdański, Arcadis | 8,4 |
Łódź - Wrocław | 200 | IDOM, Multiconsult, Transprojekt Gdański, Arcadis | - |
Sieradz - Poznań | 170 | BBF, IDOM, Arcadis | 9,5 |
Żarów - Wałbrzych - Staatsgrenze | 60 | BBF | 3,4 |
Katowice - Ostrava (Tschechien) | 75 | Egis | 2,4 |
Łętownia - Rzeszów | 40 | BBF, Ingerop, SAFEGE | 2,2 |
Zamość - Bełżec | 90 | Egis | 4,3 |
Ostrołęka - Łomża - Giżycko | 140 | Egis, JAF Geotechnika | 4,4 |
CPK - Verkehrsknoten | 200 | Egis, JAF Geotechnika | 4,4 |
Neben polnischen Firmen konnten Ingenieurbüros aus Frankreich Aufträge gewinnen. Das deutsche Ingenieurbüro Vössing hatte sich um Projekte beworben, lag aber preislich über der Konkurrenz. Erste Studien sollen im 1. Halbjahr 2022 vorliegen. NIK kritisiert, dass bislang keine Machbarkeitsstudie über das gesamte CPK-Projekt durchgeführt wurde.
Großes Interesse von Planungsbüros
In den kommenden Monaten will die Projektgesellschaft CPK einen Generalplaner für den Bau des Passagier-Terminals und des Flughafenbahnhofs auswählen. Bereits seit Oktober 2021 sucht CPK Ingenieurbüros für die Planung der Schienenstrecken. Diese Projekte sind nicht zu verwechseln mit den STEŚ. 12 Konsortien haben sich laut Medienberichten um entsprechende Rahmenverträge beworben. Die Unternehmen kommen unter anderem aus Polen, Frankreich, Deutschland und Südkorea.
Konsorten | Sitz der Muttergesellschaften |
---|---|
Sweco, Técnica y Proyectos | Schweden, Spanien |
Multiconsult, TPF, Torprojekt, Transprojekt Gdański | Polen |
Egis, Jaf Geotechnika | Frankreich, Polen |
Systra, BPK Mosty | Frankreich, Polen |
Databout | Polen |
BPK Poznań, Biuro Projektów Kolejowych i Usług Inwestycyjnych, FONON | Polen |
SSF Ingenieure, Europrojekt Gdańsk, Saitec, Schüssler-Plan | Deutschland, Polen, Spanien |
Dohwa Engineering, Korea National Railway | Südkorea |
BBF, IDOM | Polen, Spanien |
Elkol, Mosty Katowice | Polen |
MGGP, Voessing | Polen, Deutschland |
Metroprojekt, SUD Architectes | Polen, Frankreich |
Die Finanzierung ist nicht der einzige Knackpunkt
Trotz aller Fortschritte bleiben einige zentrale Fragen offen, wie die Kritik von NIK zeigt. So ist auch ungeklärt, welche Rolle die Luftfracht am CPK spielen wird. Michał Czarnik, Executive Director der Betreibergesellschaft, wünscht sich ein eigenes Cargo-Terminal.
Eigentümer von Grundstücken auf dem präferierten Flughafengelände scheinen laut Zeitungsberichten nicht zufrieden mit den Kaufangeboten zu sein. Einige Besitzer erwarten, dass ihre Liegenschaften nicht nach jetzigem Wert, sondern auf Basis der zukünftigen Verwendung bewertet werden. Staatssekretär Horała schlägt lediglich Boni in Höhe von bis zu 20 Prozent des aktuellen Schätzwertes vor. Eigentümer können außerdem Grundstücke im Staatsbesitz als Ausgleich erwerben. Hier fordert das Landwirtschaftsministerium allerdings Mitspracherechte. Ein geplantes Gesetz, das sogenannte Lex CPK, soll den Erwerb von Grundstücken und weitere vorbereitende Schritte beschleunigen.
Die Finanzierung des Projekts sorgt nicht nur bei NIK für Diskussionen. Bislang kommt vor allem die Staatskasse für anfallende Kosten auf. Regierungsvertreter wollen die staatliche Flughafenverwaltung PPL (Państwowe Porty Lotnicze) mit dem CPK zusammenlegen und teil-privatisieren. Die CPK-Betreibergesellschaft verspricht sich davon mehr Flexibilität bei der Budgetplanung. Das polnische Finanzministerium hingegen will mehr Einfluss bei der Ausgabenkontrolle.
Tatsächlich könnten Fragen zur Finanzierung auch wegen derzeit ausbleibender Mittel aus dem europäischen Wiederaufbaufonds weiter an Bedeutung gewinnen.