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Branchen | Polen | Hochbau

Wohnungsbau gerät in die Zinsfalle

Wegen der hohen Zinsen können sich weniger Polen Wohneigentum leisten. Bauträger, die bald auch zur Infrastruktur von Siedlungen beitragen müssen, verzeichnen Einbußen.

Von Beatrice Repetzki | Berlin

Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen ist in Polen im Jahresverlauf 2022 deutlich gesunken. Alle 17 börsennotierten Bauentwicklungsgesellschaften verkauften insgesamt 14.503 Wohnungen in den ersten drei Quartalen. Das entsprach einem Einbruch im höheren zweistelligen Bereich gegenüber Januar bis September 2021. Dies berichtet die Tageszeitung Rzeczpospolita. Steigende Zinsen für Wohnungsbaukredite und die wirtschaftliche Unsicherheit wirken sich hier aus.

Anzahl der durch börsennotierte Bauträger in Polen verkauften Wohnungen (Januar bis September 2022)

Bauträger

Anzahl

Veränderung *)

Murapol

2.665

-34,0

Dom Development

2.262

-23,9

Atal

1.711

-47,1

Robyg

1.644

-53,5

Develia

1.225

-18,3

Grupa Echo

1.202

-48,2

Victoria Dom

970

-24,9

Spravia

656

-43,5

*) Veränderung zu Januar bis September 2021 in ProzentQuelle: Tageszeitung Rzeczpospolita gemäß Firmenangaben 2022

Die Immobilienfirma Jones Lang LaSalle (JLL) schätzt die Anzahl der in den ersten drei Quartalen 2022 an individuelle Käufer veräußerten Wohnungen (einschließlich kostenpflichtige Reservierungen) in den sechs größten Großstädten auf insgesamt rund 7.000 Einheiten. Der Druck zur Gewährung von Preisnachlässen wächst; bislang manifestieren sie sich aber noch nicht. Laut der Plattform Domiporta.pl lagen im Oktober 2022 die Wohnungspreise in diesen sechs Ballungsgebieten um 9 Prozent höher als im Oktober 2021.

Weniger Baugenehmigungen erteilt

In den ersten zehn Monaten 2022 ging die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode zurück: Dem Statistischen Hauptamt GUS zufolge sank die Anzahl der geplanten Wohneinheiten, für die entweder eine Baugenehmigung erteilt oder ein Entwurf eingereicht wurde, um 9,4 Prozent auf 257.500. Dieser Trend belegt die nachlassende Konjunktur im Wohnungsbau.

Ende Oktober 2022 befanden sich immer noch 860.900 Einheiten im Bau (-2,3 Prozent gegenüber Ende Oktober 2021). Daraus ergeben sich auch für deutsche Firmen weitere Zulieferchancen für Baubedarf und Know-how. Im bisherigen Jahresverlauf 2022 flachte der Zuwachs bei von privaten Bauherren individuell errichteten und übergebenen Wohneinheiten stark ab. Bei Objekten von Bauentwicklungsfirmen hingegen trat eine Belebung ein.

Anzahl der in Polen übergebenen Wohneinheiten

2021

Veränderung*)

Januar bis Oktober 2022

Veränderung*)

Wohneinheiten insgesamt

234.680

6,3

188.775

1,4

  von privaten Bauherren erbaut

88.130

19,1

73.072

2,7

  für Verkauf oder Vermietung

141.941

-0,5

113.031

1,7

  von Genossenschaften erbaut

2.019

34,8

1.059

-38,5

*) Veränderung zum Vorjahreszeitraum in ProzentQuelle: Statistisches Hauptamt GUS 2022

Fläche der in Polen übergebenen Wohneinheiten

2021 1)

Veränderung 2)

Januar bis Oktober 2022 1)

Veränderung 2)

Nutzfläche insgesamt

21.802

11,3

17.563

1,0

  von privaten Bauherren erbaut

12.607

19,2

10.334

1,6

  für Verkauf oder Vermietung

8.959

1,8

7.088

1,1

  von Genossenschaften erbaut

111

42,2

60

-36,6

1) Fläche in 1.000 Quadratmeter; 2) Veränderung zum Vorjahreszeitraum in ProzentQuelle: Statistisches Hauptamt GUS 2022

Teure Wohnungsbaukredite

Steigende Zinsen erschweren es 2022, Wohnungsbaukredite aufzunehmen oder zurückzuzahlen. Das polnische Parlament (Sejm) beschloss daher "Hypothekenferien", die es ermöglichen, die Rückzahlung von in Złoty aufgenommenen Krediten sowohl 2022 als auch 2023 für jeweils vier Monate kostenlos auszusetzen.

Bis Mitte Oktober 2022 wurde für rund die Hälfte der knapp 2 Millionen laufenden Wohnungsbaukredite die Option auf Hypothekenferien in Anspruch genommen, meldet das Büro für Kreditinformation BIK. Der Wert dieser Kredite summierte sich auf 54,9 Milliarden Euro. Im September 2022 erteilten die Banken BIK zufolge nur rund 7.300 neue Wohnungsbaukredite (-70 Prozent zu September 2021) im Wert von 511 Millionen Euro (-71 Prozent).

Immobilienfonds stoßen Projekte an

Trotz der trüben Aussichten gibt es neue Wohnungsbauprojekte. Als Auftraggeber und Käufer treten nun verstärkt Immobilienfonds in Erscheinung, die die Wohnungen dann vermieten. Griffin Capital Partners beispielsweise engagiert sich bei den Vermietungsplattformen Resi4Rent und LifeSpot. Für erstere baut Echo Investment Wohnungen und für letztere Murapol.

Als krisenfest erweist sich das Luxussegment. In Wrocław (Breslau) errichtet die Angel Poland Group das Premium-Wohnhochhaus "The Upper House by Angel". Der Warschauer Bauträger Aurec Home entwickelt Gesamtkonzepte und schafft Freizeiteinrichtungen bei seinen Mehrfamilienwohnhäusern. Sein Projekt, "Städtchen Jutrzenka", dessen dritten Teil Aurec Home im März 2023 übergeben will, erhält Spielplätze, ein Fitnessstudio, ein Geschäft, ein Gewächshaus, ein Café und einen Kindergarten. Gegenwärtig verfolgt das Unternehmen auch das Loft-Projekt "Fabrica Ursus" in der ehemaligen Traktorenfabrik.

Einwohner dürfen mitentscheiden

Aurec Home nimmt in gewisser Weise Anforderungen vorweg, mit denen sich Bauentwicklungsfirmen künftig generell konfrontiert sehen. Das Ministerium für Entwicklung und Technologie (Ministerstwo Rozwoju i Technologii; MRiT) erarbeitete eine Novelle des Gesetzes zur Raumplanung. Diese führt einen Integrierten Investitionsplan (Zintegrowany Plan Inwestycyjny; ZPI) ein, der den einfachen Gemeindebeschluss zum Standort eines Wohnungsbauprojekts und bestehende örtliche Baupläne ersetzt. Als neues Instrument ist ein übersichtlicher allgemeiner Städtebauplan zu erstellen.

Den ZPI beschließt der Gemeinderat auf Antrag eines Investors nach Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit diesem. Neu ist, dass zuvor auch die Einwohner  konsultiert werden müssen. Mit dem ZPI erhält die Gemeinde einen größeren Einfluss, nicht nur auf das Bauprojekt selbst, sondern auch auf die Schaffung der begleitenden Infrastruktur wie Schulen, Straßen, Freizeitbereiche. An dieser Infrastruktur sollen sich die Bauentwicklungsfirmen künftig beteiligen.

Das kann die Kosten der Bauträger erhöhen und ihren Spielraum für Preisnachlässe auf Wohnungen weiter verringern, zumal sich Baumaterialien und Energie verteuern und die Lohnkosten steigen. Auch müssen Bauträger künftig mehr Zeit einplanen, da die bislang für die Gemeinde geltende Frist von 60 Tagen zur Beschlussfassung und weitere Fristen entfallen. Für alle bis Ende 2025 eingereichten Bauanträge soll aber noch das bisherige Spezialgesetz "lex deweloper" gelten. Es war ursprünglich eingeführt worden, um bürokratische Hürden zu senken, Bauträgern mehr Planungssicherheit zu geben und so die Durchführung von Bauprojekten zu beschleunigen.

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