Wirtschaftsumfeld | Polen | Wirtschaftsstruktur
Die größten Unternehmen kommen aus der Brennstoffsparte
Die 500 umsatzstärksten Unternehmen Polens erhöhten 2021 ihre Umsätze deutlich. Die Konjunktur trübt sich nun aber ein. Der Brennstoff- und Energiesektor investierte kräftig.
30.12.2022
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Nach dem Pandemiejahr 2020 bescherte der Aufschwung im Jahr 2021 den 500 größten Unternehmen Polens gute Zuwächse. Ihre Umsätze summierten sich erstmals auf über eine halbe Billion Euro. Gegenüber 2020 stiegen sie auf Złoty-Basis nominal um gut 21 Prozent. Die Ergebnisse sind jedoch laut der Tageszeitung Rzeczpospolita, die das Ranking publizierte, mit den Angaben 2020 nicht direkt vergleichbar. 61 Unternehmen waren im vorigen Ranking nicht gelistet. Der Grund dafür ist, dass die Unternehmen entweder keine Angaben zu ihren Ergebnissen 2020 gemacht haben oder 2021 dank Zuwächsen aufgestiegen sind.
Die polnische Wirtschaft wuchs 2021 real um 6,8 Prozent. Im Jahr 2022 dürfte das Wachstum auf 4,7 Prozent abflachen und 2023 nur noch 0,5 Prozent betragen. Das ermittelte Rzeczpospolita in einer Befragung von 27 Analystengruppen und einzelnen Ökonomen Ende 2022. Unsicherheiten wie der weitere Verlauf des Krieges in der Ukraine, gestiegene Energiekosten, die wachsende Inflation, hohe Lohnforderungen, der Fachkräftemangel, die Schwäche des Złoty und Gesetzesänderungen dämpfen die Stimmung. Auch die Aussichten der 500 größten Unternehmen sind getrübt.
Jahr | Einnahmen |
---|---|
2017 | 342 |
2018 | 361 |
2019 | 374 |
2020 | 428 |
2021 | 504 |
Erdöl- und Erdgassektor festigen Position
Besonders Unternehmen des Erdöl- und Erdgassektors, die bereits 2021 von Preissteigerungen profitierten, konnten weiter zulegen. Der ohnehin schon dominante Mineralölkonzern PKN Orlen S.A. festigte seine Position durch die Übernahme der auf Platz 2 aufgestiegenen Polnischen Erdölförderung und Gaswirtschaft PGNiG S.A. und seines Konkurrenten Grupa Lotos S.A. Handelsunternehmen büßten dagegen Plätze ein. Shooting Star unter den Top 10 ist die Breslauer LG Energy Solution Wrocław Sp. z o. o., die Kfz-Batterien herstellt.
Name des Unternehmens, Sitz (Branche) 3) | Einnah- men 4) | Veränderung | Netto- gewinn |
---|---|---|---|
PKN Orlen S.A. GK, Płock (Erdöl) | 28.770 | 52,4 | 2.451 |
PGNiG S.A. GK, Warszawa (Erdgas, -öl) | 15.326 | 78,5 | 1.317 |
Jeronimo Martins Polska S.A., Kostrzyn (Handel) | 14.949 | 11,5 | 628 |
PGE S.A. GK, Warszawa (Energie) | 11.550 | 15,2 | 864 |
PZU S.A. GK, Warszawa (Versicherung) | 7.587 | 45,1 | 1.190 |
Cinkciarz.pl Sp.z o.o., Zielona Góra | 7.268 | 34,0 | k.A. |
Grupa Lotos S.A. GK, Gdańsk (Erdöl) | 7.256 | 58,4 | 704 |
KGHM Polska Miedź S.A. GK, Lubin (Kupfer) | 6.528 | 26,1 | 1.348 |
LG Energy Solution Wrocław Sp.z o.o. (Batterien) | 6.010 | 51,9 | 186 |
Lidl Sp.z o.o. Sp.k., Tarnowo Podgórne (Handel) | 5.892 | 12,7 | 281 |
PKN Orlen erwirtschaftete im 3. Quartal 2022 Einnahmen von 15,6 Milliarden Euro mit einem Nettogewinn von 2,7 Milliarden Euro. Das sprunghafte Wachstum erfolgte nach der Übernahme der Grupa Lotos, die am 1. August 2022 abgeschlossen wurde. Für das 4. Quartal ist mit einer weiteren Expansion zu rechnen, da die Übernahme von PGNiG zum 2. November erfolgte. Der Umsatz des riesigen Konzerns wächst zusätzlich durch die Preissteigerungen bei fossilen Brennstoffen.
Im Jahr 2021 investierten der Erdöl- und Erdgassektor sowie die Energiesparte gemäß der Liste der 500 größten Unternehmen besonders stark. Allein PKN Orlen tätigte Investitionen im Umfang von 2,5 Milliarden Euro. PGNiG folgte mit 1,5 Milliarden Euro vor dem Betreiber der Gas-Pipelines OGP Gaz-System S.A. (1,1 Milliarden Euro), dem Energiekonzern PGE Polska Grupa Energetyczna (1 Milliarde Euro), der Gasgesellschaft Polska Spółka Gazownictwa Sp. z o. o. aus Tarnów (715 Millionen Euro) und dem Energiekonzern Tauron (713 Millionen Euro). Besonders hohe Aufwendungen hatten auch die für das Schienennetz zuständige PKP Polskie Linie Kolejowe S.A. mit 2,3 Milliarden Euro und das Kupferkombinat KGHM Polska Miedź S.A. mit 857 Millionen Euro. Der Investitionsbedarf dieser Sektoren ist weiter hoch, so dass auch künftig mit erheblichen Ausgaben zu rechnen ist.
Auslandskapital hat ein starkes Gewicht
Das Gewicht der Unternehmen mit einem überwiegend ausländischen Kapitalanteil nahm 2021 etwas ab. Sie bildeten aber weiter die Mehrheit auf der Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen. Solche Gesellschaften erwirtschafteten knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes (46,7 Prozent), während auf inländische Privatfirmen 34,1 Prozent entfielen, auf inländische Staatsunternehmen 19,0 Prozent und auf kommunale Betriebe 0,2 Prozent. Faktisch ist der Einfluss des Staatssektors noch größer, da der Fiskus an einigen als privat eingestuften Unternehmen einen Minderheitsanteil hält.
Jahr | Ausländisch | Inländisch/privat | Staatlich | Gemeinden |
---|---|---|---|---|
2017 | 238 | 213 | 40 | 9 |
2018 | 230 | 224 | 39 | 7 |
2019 | 249 | 211 | 34 | 6 |
2020 | 282 | 177 | 39 | 2 |
2021 | 275 | 187 | 37 | 1 |
Unter den 500 umsatzstärksten Unternehmen im Jahr 2021 gehörten 114 dem Handelssektor an, davon 69 dem Großhandel und 45 dem Einzelhandel. Mit der Produktion von Pkw, Sattelschleppern, Schiffen und Teilen dafür befassten sich 66 Gesellschaften, von Nahrungsmitteln 50, von chemischen und medizinischen Artikeln 44 und von Brennstoffen sowie Energie 37. Letztere hatten am Gesamtumsatz der 500 einen Anteil von 21,1 Prozent, der Einzelhandel von 13,5 Prozent und der Großhandel von 11,2 Prozent.
Comeback für den Kohlebergbau
Neben den Großunternehmen stützt sich die Wirtschaft Polens auf zahlreiche überwiegend sehr kleine sowie kleine und mittelständische Betriebe. Ende September 2022 zählte das Statistische Hauptamt (Główny Urząd Statystyczny, GUS) 17.388 Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern. Davon ordnete es 7.992 dem Industriesektor zu, darunter 6.949 der verarbeitenden Industrie. Allein 1.085 Unternehmen erzeugten Metallprodukte und 1.043 Nahrungsmittel. Mit Großhandel befassten sich 1.733 und mit Einzelhandel 1.132 Gesellschaften (jeweils ohne Kfz) sowie mit Bauarbeiten 1.167 und mit Transport/Logistik 1.172.
Das Umsatzwachstum der Industriebetriebe mit mindestens zehn Mitarbeitern schwächte sich nach dem erfolgreichen Jahr 2021 (real +14,8 Prozent gegenüber 2020) wieder ab. In den ersten elf Monaten 2022 lag es aber real noch 10,9 Prozent höher als von Januar bis November 2021. Am dynamischsten waren der Kohlebergbau (+28,3 Prozent), der Maschinenbau (+22,6 Prozent) sowie die Branche Druck und Reproduktion (+20,2 Prozent).